Bernhard
Peter
Kyoto,
Kennin-ji (1): Beschreibung und Tore
Lage
und Erreichbarkeit
Der Kennin-ji ist eine
Zen-Tempelanlage im Stadtbezirk Higashiyama, zentral in Gion
gelegen, mitten in der Stadt, in unmittelbarer Nachbarschaft zu
einem sehr weltlichen Viertel, das Mauer an Mauer brodelndes
Leben bietet. Zusammen mit den Subtempeln bildet der Kennin-ji
ein 290 m langes und 230 m breites Rechteck im Stadtbild, das im
Osten von der Hanami-koji Dori, im Westen von der Yamato Oji Dori
und im Süden von der Yasaka Dori eingerahmt wird. Die Adresse
lautet: 584 Komatsu-cho, Higashiyama-ku, Kyoto-shi, 605-0811
Japan. Nicht die ganze Fläche wird vom Tempel und seinen
Substrukturen eingenommen, denn insbesondere an den Ecken und
Kanten wuchern moderne urbane Strukturen und lassen nur die mehr
oder weniger breite Kernzone in parkähnlicher Weite als grüne
Oase in der Großstadt unangetastet. Erreichbar ist der
Tempelkomplex am besten über die Station Gion Shijo der Keihan
Line (10 Minuten Fußweg), über die etwas weiter weg gelegene
Endstation Kawaramachi der Hankyu Line (15 Minuten Fußweg) oder
ab Bahnhof mit den Bussen 100 oder 206 in Richtung Gion via
Kiyomizu-dera oder Kitaoji Bus Terminal via Daitokuji,
Haltestelle Higashiyama Yasui (am geeignetsten), Minamiza-mae
oder Gion (5-10 Minuten Fußweg). Wer die U-Bahn nehmen möchte,
steigt an der Station Sanjo oder Higashiyama aus und läuft ein
bißchen mehr. Angenehm an diesem Tempel ist, daß er trotz der
touristisch extrem guten Lage schwächer besucht ist als andere
Tempel, und aufgrund des weitläufigen Geländes verteilen sich
die Besucher ganz gut. Es ist touristisch, aber nicht
überfüllt; die Massen folgen ihrer eigenen beschränkten
Herden-Dynamik (Massen ziehen noch mehr Massen an) und lassen
diesen Bereich glücklicherweise in Frieden. So sehr, daß die
Atmosphäre die Erwartungen weit übertrifft, die angesichts der
Nachbarschaft eher gering angesetzt waren, aber nein: Es ist ein
sehr schöner und kontemplativer Ort voller einzigartiger
Schönheit. Den ganzen Außenbereich kann man frei erkunden.
Eintrittspflichtig sind die Gärten und der Hojo, und von dort
gelangt man in das Innere des Hatto. Die Subtempel sind für
Besucher verschlossen. Für Photofreunde: Im Innern dieses
Tempels darf photographiert werden (die ausgestellten Kunstwerke
sind Repliken).
Geschichte
und Bedeutung
Der Kennin-ji ist ein
Zen-Tempel und stellt den Haupttempel einer eigenen Unterschule
des Rinzai-Zen-Buddhismus dar. Er ist der älteste Zen-Tempel der
Stadt Kyoto. Seinen Namen hat er von der kaiserlichen
Regierungsdevise (Nengo) "Kennin" (1201-1204), die in
der Zeit galt, während der er erbaut wurde. Im System der Kyoto
Gozan (Fünf-Berge-System, fünf große Zen-Tempel von Kyoto) hat
er seinen Platz auf dem dritten Rang gefunden, nachdem er
zunächst auf dem zweiten, dann auf dem vierten Rang war. Durch
diese Klassifizierung gehörte der Kennin-ji zu den
einflußreichsten Tempeln der Hauptstadt und ganz Japans.
Gegründet wurde der Kennin-ji im Jahre 1202 durch Minamoto no
Yoriie (1182-1204), den zweiten Shogun der Kamakura-Zeit, der das
Grundstück gab, aber schon im Jahr des Baubeginns abgesetzt
wurde, und dem Mönch Eisai (Myoan Eisai, Yosai Zenji, 1141-1215)
als Gründungsabt, welcher sowohl den Rinzai-Buddhismus als auch
den grünen Tee und den Teeweg von China nach Japan brachte. 1191
war er nach Japan zurückgekommen und lehrte zunächst auf Kyushu
in den Tempeln Fukueko-ji und Senko-ji. Der erste von ihm
gegründete Zen-Tempel Japans war der 1191 erbaute Hoon-ji. 1194
gründete er den Kanno-ji in Izumi, 1195 den Shofuku-ji im
Stadtteil Hakata von Fukuoka. Zwei Jahre vor dem Kennin-ji hatte
er mit Rückendeckung des ersten Kamakura-Shoguns den Jufuku-ji
in Kamakura gegründet. Er stand 13 Jahre dem Kennin-ji vor, aber
er im Alter von 74 Jahren verstarb; sein Grab befindet sich auf
dem Gelände.
Ein interessanter Zug des Gründers ist, daß er aus einem Shinto-Haushalt stammte, denn sein Vater war Priester des Kibitsu Jinja in Okayama. Aber schon im Alter von 3 Jahren wurde er in buddhistische Erziehung gegeben. Es war eine Zeit, in der Shintoismus und Buddhismus nicht als Gegensätze, sondern als gegenseitige Ergänzung angesehen wurden. Auf dem Berg Hiei wurde Myoan Eisai mit 14 Jahren zum Mönch der Tendai-Schule ordiniert, und ein Tendai-Priester blieb er sein ganzes Leben lang, auch wenn er Zen lehrte. Er reiste insgesamt zweimal nach China, zum ersten Mal im Jahre 1158, um sein Verständnis des Tendai-Buddhismus zu vertiefen, und ein zweites Mal 1187, um bis nach Indien zu reisen, was aber an den politischen Instabilitäten jener Zeit scheiterte. Statt dessen studierte er vier Jahre lang in China bei einem Zen-Meister.
Ganz am Anfang war der Zen-Weg nur eine von mehreren Richtungen, die im Kennin-ji praktiziert wurden. Dies war eine Bedingung des Kaisers Tsuchimikado (reg. 1198-1210) gewesen, um seine Zustimmung zum Bau zu geben. Eine weitere Anfangsschwierigkeit war, daß der neue Tempel als Zweigtempel des Berges Hiei gelten sollte. Der neue Glaube aus China sah sich mit Anfeindungen und Mißtrauen konfrontiert. Erst nachdem im Jahr 1259 Rankei Doryu (Lanxi Daolong, ca. 1213-1278) elfter Abt des Kennin-ji geworden war, wurde er ein reiner Zen-Tempel, und weder Tendai- noch Shingon-Buddhismus wurden hier länger praktiziert. Von den ursprünglichen Gebäuden des frühen 13. Jh. hat kein einziges überlebt. Das ursprüngliche Layout folgte wahrscheinlich dem klassischen Sieben-Gebäude-Schema der idealen Zen-Tempel. Erst brannte der Tempel in der Mitte des 13. Jh. ab, wurde unter dem Zen-Meister Enni Benen (1201-1280) wiederaufgebaut, brannte im Jahr 1397 erneut ab, dann noch einmal im Onin-Krieg (1467-1477), dann ein viertes Mal im Jahr 1481. Auch im 16. Jh. kam es erneut zu Brandverlusten, 1556 mit fast vollständiger Zerstörung. Unter der Schirmherrschaft des Toyotomi-Clans wurde die Anlage wiederaufgebaut, wobei Gebäude aus dem Ankoku-ji und aus dem Tofuku-ji hierhin versetzt wurden. Deshalb sind die Gebäude im wesentlichen Momoyama- und Edo-zeitlich. Einst besaß der Kennin-ji 53 Subtempel. Heute hat der Kennin-ji 14 Subtempel auf seinem Gelände bzw. in der Nachbarschaft und in ganz Japan ca. 70 Zweigtempel, denen er vorsteht.
Der Kennin-ji spielt eine besondere Rolle in der japanischen Teekultur: Hier etablierte sich das Trinkens von Matcha-Tee (Pulver-Tee, aus grünem Tencha-Tee hergestellt) und die Kultur des Cha-do, der sich zum eigentlich japanischen Teeweg entwickelte. Der Gründer Myoan Eisei führte im 12. Jh. die damals populäre Zubereitungsmethode aus China ein und brachte Samen für Teepflanzen (Camellia sinensis) mit. Er schrieb auch das erste Buch über japanischen Tee, das zweibändige Werk "Kissa-yojoki". Auf dem Tempelgelände befindet sich deshalb ein Erinnerungs-Monument mit großen Steinsetzungen, außerdem jede Menge Teebüsche im Garten dahinter, die in neuerer Zeit aus dem Guoqing-Tempel in China hierhergebracht worden sind, aus dem Tempel, in dem Eisei Zen studiert hatte. An 20. April jeden Jahres wird der Meister mit einer großen Teezeremonie geehrt. Am 5. Juni wird er mit Teepulver aus den besagten Teebüschen als Opfergabe geehrt.
Rundgang
und Beschreibung
Die wichtigsten Gebäude des
Haupttempels, Tore und Hallen, sind entlang einer Süd-Nord-Achse
aufgereiht. Diese Orientierung an einer zentralen Achse mit
Zugang von Süden und Plazierung der Gebäude in einer Art
übergeordnetem Raster entspricht einem klassischen chinesischen
Tempelkonzept. Ganz und gar japanisch sind hingegen die
Einzelkonzepte der Gärten und Subtempel. Ganz im Süden liegt
das mit grün angelaufenem Kupferblech gedeckte Chokushi-mon, das
Tor für die kaiserlichen Gesandten. Das einstöckige,
"vierbeinige" Tor ist als wichtiges Kulturgut
klassifiziert, was hauptsächlich seinem hohen Alter geschuldet
ist, denn es stammt aus der späten Kamakura-Zeit und ist das
älteste Gebäude des ganzen Tempelkomplexes. Etliche Pfeilnarben
aus der Zeit des Bürgerkriegs (Sengoku-Zeit) gaben dem Tor den
Spitznamen "Pfeilspur-Tor" (Ya-tate-mon, Ya-date-mon
oder Ya-no-ne-Tor). Es gehörte früher zu dem Rokuhara-Sitz des
Taira-Clans. Besucher benutzen aber nicht dieses Tor, sondern
entweder den kleinen Durchgang links daneben oder die kleine
Seitenstraße im Osten des Chokushi-mon.
Der in der Mitte verlaufende Hauptweg führt dann über einen rechteckigen Teich mit zwischen zwei Podesten im Bogen gespannter Steinbrücke gerade auf das zweistöckige San-mon zu, 75 m entfernt vom ersten Tor. Es ist ein echtes zweistöckiges Tor (Niju-mon) mit zwei Ziegeldächern übereinander und oben umlaufender Galerie. Der Durchgang ist drei Interkolumnien breit. Seitlich unter dem überstehenden Dach eingezogen befinden sich zwei steile Treppenaufgänge, die von zwei seitlichen Anbauten erschlossen werden, mit jeweils zwei glockenförmigen Fenstern in weiß verputzter Wandfläche auf der Längsseite. Das Sanmon (3 Tore = Kumon, Musomon und Musakumon) wird auf der Inschriftentafel "Hoketsuro" (auch: Boketsuro, Bouketsurou, = "Hohes Tor, das auf den Kaiserpalast blickt") genannt, weil man von ihm aus auf den kaiserlichen Palast schauen konnte. Im Obergeschoß stehen Bildnisse von Buddha Shakyamuni, Mahakasyapa und Ananda sowie die seiner 16 Rakan. Das Tor paßt herrlich an diesen Ort und ist eine wahre Augenweide, wie es in den mit Kiefern bestandenen Park eingebettet ist - einziger Schönheitsfehler: Es steht erst seit 1923 hier. Das Tor ist zwar Edo-zeitlich, war aber vorher im Annei-ji in der Stadt Hamamatsu (Präfektur Shizuoka).
Abseits der Hauptachse liegt rechterhand etwa auf halber Höhe zwischen beiden Toren das Edo-zeitliche Badehaus (Yokushitsu), mit großem rechteckigem Eingang zwischen zwei glockenförmigen Fenstern auf der westlichen Giebelseite. Das Gebäude ist innen in Warteraum, Dampfbad und Versorgungsraum aufgeteilt. Nördlich des 1628 errichteten Badehauses liegt jenseits des Zuweges zum Kaisan-do ein weiteres rechteckiges Wasserbecken. Der nicht öffentlich zugängliche Kaisan-do gehört zu den ältesten Gebäuden des Kennin-ji-Komplexes und stammt aus der Kamakura-Zeit. In dieser Gründerhalle wird Eisai verehrt, der erste Abt des Kennin-ji. Hier befindet sich auch sein Grab.
Zurück zur Hauptachse: Nach weiteren 60 m ab dem San-mon erreicht man den zweistöckigen Hatto, die große Lese-Halle oder Dharma-Halle, deren 32 m breites Dach sie zum beherrschenden Gebäude des Komplexes macht. Sie ist die Haupthalle des Zen-Tempels. Die Grundkonstruktion ist 5 x 4 Interkolumnien groß. Im Innern wird eine Figur des Shaka Nyorai (Buddha Shakyamuni, Shakyamuni Tathagata) verehrt, begleitet von Mahakasyapa und Ananda. Die Decke der großen Halle (der zentrale Raum ist 108 Tatami-Matten-Einheiten groß, aber mit Fliesen versehen) erhielt im Jahr 2002 ein Gemälde (Tenjoga = dekorative Deckenmalerei) mit zwei Drachen (Soryu-zu, Darstellung von gepaarten Drachen) von Koizumi Junsaku (1924-2012) aus Anlaß des 800sten Gründungsjahres des Tempels, 11,40 x 15,70 m groß, Tinte (Sumi-e) auf dickem Papier. Einer der Drachen hat das perlenförmige Wunschjuwel in seiner Klaue. Wie bei Tempelwächtern hat der eine Drache das Maul geöffnet, der andere geschlossen (A- und Un-Form), Anfang und Ende aller Dinge symbolisierend. Drachen sind aufgrund ihrer Natur ein Symbol kosmischer Lebenskraft. Als Paar bilden sie ein Symbol der jeder Zweiheit des Lebens innewohnenden Einheit. Dazu sind sie ein Schutz gegen Feuer, weil sie mit dem Element Wasser in Verbindung stehen. Zwei Jahre dauerte die Anfertigung des 175 m2 großen Gemäldes. Ausgeführt wurde es zunächst in der Sporthalle einer Grundschule in Hokkaido, ehe es in den Tempel verbracht wurde. Bis dahin war nämlich der Kennin-ji der einzige Rinzai-Tempel in Kyoto ohne Drachengemälde an der Decke. Der Hatto wird auch "Nenge-do" genannt; und diese Bezeichnung wird für den Sumigaki verwendet, den handkalligraphierten Teil der Goshuin des Tempels. Der 1765 in der Edo-Zeit (2. Jahr der Meiwa-Ära) errichtete Hatto steht nicht zur Gänze frei, weil er am Nordosteck durch einen zum Hojo verlaufenden gedeckten Korridor erschlossen wird. Die Halle stammt ursprünglich aus dem Tofuku-ji und wurde hierhin versetzt. Neben dem Korridor befindet sich ein kleiner hölzerner Glockenturm mit der sogenannten Darani-Glocke (Darani ist ein Gebet zu Buddha).
Die Hauptachse geht auch hinter dem Hatto weiter, auch wenn der Besucher diesen Weg nicht nehmen kann: Ein Karamon (Tor im chinesischen Stil mit geschwungenem Dach) führt direkt in den Daio-en-Garten, und der Hojo (Wohnquartier des Abtes, wichtiges Kulturgut) dahinter liegt auch noch exakt in der Hauptachse angeordnet. Der Besucher wendet sich aber heute rechterhand in Richtung Honbo (Wirtschafts- und Küchenbau), wo sich der Eingang für Besichtigungen befindet. Der Honbo hat die Funktion eines Kuri und kann leicht anhand des überdachten Kaminaufsatzes auf dem Dach von anderen Gebäudestrukturen unterschieden werden. Direkt hinter dem Eingang befindet sich im Honbo der Devotionalienverkauf, außerdem kann man sich hier Goshuin ins Pilgerbuch stempeln und malen lassen. Zwischen Honbo und Hojo liegt noch diesseits der den Hojo-Garten einfassenden Mauer ein aufwendig gestalteter Eingang mit Irimoya-Dach.
Das Abtsquartier (Hojo) wurde in der Muromachi-Zeit errichtet. Es wurde aber ursprünglich nicht für den Kennin-ji erbaut, sondern für den Ankoku-ji in Fukuyama (Präfektur Hiroshima), der zum Tosho-ji bzw. Kokutai-ji-Zweig der Rinzai-Schule gehört. Der Diplomat und Mönch Ankokuji Ekei (1539-1600) aus dem Mori-Clan verbrachte das Bauwerk 1599 in den Kennin-ji. Ankokuji Ekei, dem der Kennin-ji also seinen Hojo verdankt, kämpfte für Toyotomi Hideyoshi und in der Schlacht von Sekigahara gegen Tokugawa Ieyasu. Der Ausgang der Schlacht ist bekannt; Ankokuji Ekei geriet in Gefangenschaft und wurde zusammen mit Ishida Mitsunari in Kyoto geköpft. Im Hojo befinden sich die Räume Shitsuchuu-no-ma (Bildprogramm: Sieben Weise im Bambushain), Ihatsu-no-ma (Bildprogramm: Vier chinesische Künste), Shoin-no-ma (Bildprogramm: Vögel und Blumen), Dana-no-ma (Bildprogramm: Landschaften in Tuschemalerei) und Rai-no-ma (Bildprogramm: Drachen).
Vor dem Hojo befindet sich auf dessen Südseite der Garten Daio-en (Großer Garten) im Karesansui-Stil, dessen größte zusammenhängende Fläche aus in Wellenmustern geharktem weißen Kies besteht. Felsen, Moosinseln und Kiefern bauen zur südlichen Mauer hin einen Abschluß auf. Im Kies gibt es zwei Inseln aus Moos und Fels, die Schildkröteninsel mit dem flachen Stein und die Kranichinsel mit dem hohen Stein.
Weiter im Norden folgen zwei Innenhofgärten, die reihum von Galerien umgeben sind. An der Nordostecke des Hojo liegt im Winkel zum Shoin der kleine Garten Maru-sankaku-shikaku-no-niwa (Maru = Kreis, san = 3, sankaku = Dreieck, shi = 4, shikaku = Viereck, also der Kreis-Dreieck-Quadrat-Garten), der weitgehend aus geharktem Kies besteht bis auf eine einzelne Moosinsel mit einem Baum und einem exzentrisch gesetzten Stein. Der Garten geht auf eine berühmte Kalligraphie aus dem frühen 18. Jh. von Sengai Gibon zurück, eines Zen-Mönches des Tempels Shofuku-ji, des ältesten Zen-Tempels Japans in Fukuoka. Dominierend sind wie in der Kalligraphie die drei Formen Kreis (Baum in der Mitte und Moosinsel), Dreieck (Ecken des Gartens) und Quadrat (mit Bambusrohren abgedeckte Brunnenfassung). Die Aussage ist, daß alle Dinge des Universums durch diese drei Grundformen ausgedrückt werden können.
Weiter nördlich liegt der größere Garten Cho-on-tei (Chou-on-tei, Garten des Geräusches der Gezeiten), im Süden und Norden von je einer Halle, Shoin und Taisho-in, und im Westen und Osten von einem offenen Korridor eingerahmt. Lichte Ahornbäume erheben sich über Steinsetzungen im Moosbett. Die Steine Sanzon-seki stellen Buddha zwischen zwei Bodhisattvas dar. Ein einzelner Stein dient der Sitzmeditation, der Zazen-seki. "Ishi" und "Seki" bedeuten beide "Stein", wobei "Ishi" mehr das Material "Stein meint, "Seki" das Kunst- und Betrachtungsobjekt, so wie man bei Betrachtungssteinen von Sui-seki spricht, bei Mauerwerk aber grundsätzlich "ishi" verwendet. "Fels" wiederum wäre "Iwa".
Gegenüber der Nordseite des Hojo befindet sich ein freistehendes separates quadratisches Gebäude, das man über einen schräg verlaufenden Weg aus Steintritten erreichen kann; das ist die Halle Reisho-do. Nördlich davon steht das Teehaus (Chashitsu) Toyo-bo (Touyou-bou). Dieses Gebäude vom Souan-Typ mit 2 Tatami-Matten Größe wurde 1587 bei der Massen-Teezeremonie des Toyotomi Hideyoshi für einen Teil der Veranstaltung genutzt. Seinen Namen hat es von seinem mutmaßlichen Erbauer, Shinnyodo Toyobo Chosai (Touyoubou Chousai, 1514-1598), einem bedeutenden Schüler von Sen no Rikyuu, und es ist ein typisches Beispiel des von ihm vertretenen Stils. Auf der Westseite des Teehauses befindet sich ein typischer Kennin-ji-Bambuszaun. Im nordwestlichsten Eck befindet sich eine vollständig dunkelbraune Holzhalle, links neben dem Taisho-in, das ist der Seiryo-ken, der als weiterer Teeraum (Chashitsu) genutzt wird.
Nationalschätze
Japans und wichtige Kulturgüter
Von den einzelnen Bauwerken
des Kennin-ji sind nur zwei als wichtige Kulturgüter eingestuft,
das Chokushi-mon und der Hojo. Es ist kein als Nationalschatz
eingestuftes Gebäude dabei. Dem Tempel gehören mehrere wichtige
Kunstwerke, darunter der berühmte Faltstellschirm (Byobu) mit
einer Darstellung von Windgott und Donnergott (Fujin und Raijin),
von dem allerdings im Tempel nur eine hervorragende Kopie steht;
das Original (Nationalschatz) wird im Nationalmuseum Kyoto
aufbewahrt. Der Künstler ist Tawaraya Sotatsu, der erste Maler
der Rimpa-Schule; entstanden ist das Bild 1639. Rechts sieht man
den Windgott mit grüner Hautfarbe über den Himmel rennen, Winde
aus seinem Tuch lassend. Links gegenüber erzeugt der Donnergott
mit weißer Hautfarbe Lärm mit seinem Kranz von Trommeln. Das
Bild entstand wohl für den Myoko-ji, einen Zweigtempel des
Kennin-ji. Als der Abt dieses Tempels 1829 in den Kennin-ji
wechselte, nahm er das Bild mit dorthin. Weitere wichtige
Gemälde (Suibokuga, Tusche-Malereien) auf den Fusuma
(Schiebewänden) des Kennin-ji sind: Kaiho Yusho (1533-1615)
schuf die "sieben Weisen im Bambushain" (Chikurin
Shichiken-zu) im Raum Shitsuchuu-no-ma, die
"Wolkendrachen" (Un-ryu-zu) und weitere Gemälde
(Kacho-zu, Kinki Shoga-zu, Sansui-zu), die als wichtige
Kulturgüter eingestuft sind und im Tempel als Replik zu sehen
sind. Alle 50 Gemälde wurden anläßlich der 800-Jahr-Feier der
Gründung des Tempels durch Eisai mit digitaler Technik in
Zusammenarbeit mit der Kyoto Culture Association und der Firma
Canon reproduziert, so daß sie dauerhaft ausgestellt werden
können. Die Darstellungen des Zen-Mönchs Bodhidharma sind
gleicherweise Reproduktionen. Auch andere Tempelschätze
bereichern die Sammlungen der jeweiligen Nationalmuseen in Kyoto
und Tokyo. Weiterhin sind im Tempel Malereien von Kansetsu
Hashimoto (im chinesischen Stil bemalte Fusuma, daoistische
Szenen) und von Mika Toba (Katazome-Stil, vietnamesische
Wasserlandschaften) aus dem 20. Jh. zu sehen.
Subtempel
Diese zentrale Struktur des Kennin-ji wird umgeben von mehreren
Subtempeln; insgesamt besitzt er 14 davon. Auf der Westseite des
Areals befindet sich am weitesten südlich der Zenkyo-an. Dieser
kleine Tempel stammt aus dem Jahr 1327 und ist eine Gründung des
Mönchs Seisetsu. Die Gebäude sind freilich jünger. Im Innern
befinden sich Gemälde von Kaihoku Yusho (1533-1615) auf den
Schiebewänden. Südwestlich direkt angrenzend liegt der
Marishisonten-do (Marishi-ten-do), der aber über zwei eigene
Zugänge von den angrenzenden Straßen verfügt und nicht über
das Hauptareal des Kennin-ji erschlossen wird. Dort wird die
weibliche Gottheit (Ten) Marishi verehrt. Ihr Reit- und Botentier
ist der Eber, weshalb man überall Figuren des Tieres sieht.
Weiter im Norden folgt jenseits eines kleinen Friedhofes der
Kyusho-in. Jenseits eines Parkplatzes liegt noch weiter im Norden
der Taiun-ken-Tempel. Der nördlichste Subtempel der westlichen
Reihe ist der fast vollständig in moderner Bebauung versteckte
Koun-an (Kouun-an). Im Norden des Kennin-ji liegt unmittelbar
angrenzend der Taisho-in. Jenseits der Straße liegt noch weiter
nördlich der Eigen-in bzw. Shodeneigen-in, im Norden davon der
Joko-in und der Seiju-in, letzterer ein wenig nach Westen
versetzt.
Auf der Ostseite des Areals befindet sich am weitesten südlich der noch zum Haupttempel gehörende Ninna-ji Kaisan-do (dahinter liegen weiter im Osten mehrere weitere Tempel, darunter der Kennin-Sodo Reito-in, der Reigen-in und der Daito-in), weiter nördlich der Ryosoku-in (bietet Zazen-Meditationen für Besucher an) mit seiner Halle Bishamonten-do (hier wird die Gottheit Bishamon-ten verehrt, Wächter des Nordens, Halle öffentlich zugänglich) im ummauerten Nordwesteck, dann folgt etwas zurückgesetzt der Nishirai-in (Seirai-in). Jenseits einer kleinen Straße befindet sich noch weiter im Norden der Daichu-in auf der Ostseite der Hanamikoji-Dori. Im östlichen Bereich des Tempelareals befindet sich in der Nähe der Gründerhalle mit dem Myojouden ein kleiner Shinto-Schrein zu Ehren des Raku Daimyojin. Der eigentliche historische Schutzschrein des Tempels aber ist der separat im Südwesten gelegene Ebisu jinja (siehe eigenes Kapitel).
Subtempel
Ryosoku-in
Dieser Subtempel (Tatchu) des Kennin-ji, einer von 14, wurde in
der frühen Momoyama-Zeit im Jahre 1358 für den Priester Ryusan
Tokuken (1284-22.12.1358) gegründet, welcher über 40 Jahre lang
in China Zen-Praktiken studiert hat und anschließend im
Kennin-ji, im Nanzen-ji und im Tenryu-ji als Oberpriester lebte.
Nach seinem Tod wurde dieser Subtempel als Erinnerungstempel
gebaut und trug anfangs den Namen Chisoku-in. Deshalb trägt das
Goshuin (der Pilgerstempel) des Tempels, den man im Dai-Shoin
für 300 Yen bekommen kann, den Namen "Chisoku". In der
Muromachi-Zeit wurde der Tempel ca. 1532-1555 umbenannt in
Ryosoku-in, abgeleitet von Ryosoku-son, einem Ehrentitel für
Buddha. Auf den Papielaternen liest man den aktuellen Namen. Der
Subtempel gehört zum Rinzai-Buddhismus, wie der Haupttempel
selbst auch. Der Subtempel (Adresse: 591, Komatsucho,
Higashiyama-ku Kyoto-shi, Kyoto) ist nur zu bestimmten, nicht
allgemein gültigen Zeiten geöffnet, entweder man hat Glück,
oder man muß sich vorher durchfragen und entsprechend flexibel
planen. Standardmäßig wird man aber nicht hineinkommen. Im
Nordwesteck liegt ein Bishamonten-do, eine Halle, in der
Bishamonten verehrt wird. Nur diese Halle liegt außerhalb des
Bezahlbereiches und ist auch normalerweise für den Besucher
zugänglich.
Der Hojo (Abtsresidenz) ist Edo-zeitlich und stammt aus der Kanei-Ära (1624-1643). Das Hauptkultbild des Tempels ist ein Amida Nyorai (= Amitabha Tathagata). Zwischen Hojo, Kuri und Dai-Shoin liegt ein kleiner Innenhof-Garten, der Akai-niwa. Der Garten hat seinen Namen von einem quadratischen, mit einer Bambusmatte abgedeckten Brunnen, aus dem heiliges Wasser (= Aka) geschöpft wird. Im Osten des früh Edo-zeitlichen Dai-Shoin (Studierhalle) liegt ein Garten vom Typus Chisen-kaiyushiki, also ein Wandelgarten mit Teich und Quelle, der von der Präfektur Kyoto als Platz besonderer landschaftlicher Schönheit eingestuft wurde. Weiterhin besitzt der Subtempel mit dem Hojo-Garten einen Trockenlandschaftsgarten mit Moos und Kiefern. Zwischen Shoin-Garten und Hojo-Garten ist ein lockerer Bambuszaun mit Tor. Ganz im Nordosten liegen, durch einen Korridor mit dem Dai-Shoin verbunden, zwei Teehäuser nebeneinander, das 1910 erbaute Suigetsu-tei links und das 1926 erbaute Rinchi-tei rechts. Beide blicken auf den Wandelgarten mit Teich.
Chokushi-mon von Südwesten
Sanmon von Süden
Lotusteich, dahinter das Sanmon
Sanmon von Südwesten und von Südosten
Sanmon von Südwesten
Sanmon von Süden
Sanmon von Südosten
Sanmon von Norden
Erdgeschoß des Sanmon
Sanmon von Süden
Karamon in der Mauer vor dem Daioen-Garten, im Hintergrund Hojo, Blick nach Nordwesten
Karamon in der Mauer des Daioen-Garten, im Hintergrund Hatto, Blick nach Süden
Literatur,
Links und Quellen
Lokalisierung auf google maps: https://www.google.de/maps/@35.0003414,135.7737511,18.47z - https://www.google.de/maps/@35.0008974,135.7739011,158m/data=!3m1!1e3
eigene Webseite: http://www.kenninji.jp/ - http://www.kenninji.jp/english/index.html
John H. Martin, Phyllis G. Martin: Kyoto - 29 Walks in Japan's
Ancient Capital, 376 S., Verlag: Tuttle Pub. 2011, ISBN-10:
4805309180, ISBN-13: 978-4805309186, S. 60-63
John Dougill, Takafumi Kawakami, John Einarsen: Zen Gardens and
Temples of Kyoto, Tuttle Pub 2017, ISBN-10: 480531401X, ISBN-13:
978-4805314012, S. 48-54
Judith Clancy, Ben Simmons: Kyoto - City of Zen, 144 S., Verlag
Tuttle Shokai Inc. 2012, ISBN-10: 4805309784, ISBN-13:
978-4805309780, S. 56-57
Judith Clancy, Ben Simmons: Kyoto Gardens - Masterworks of the
Japanese Gardener's Art, 144 S., Verlag: Tuttle Shokai Inc. 2015,
ISBN-10: 4805313218, ISBN-13: 978-4805313213, S. 26-29
auf Discover Kyoto: https://www.discoverkyoto.com/places-go/kennin-ji/
auf JPManual: http://jpmanual.com/en/kenninji
auf Kyoto Project: http://thekyotoproject.org/deutsch/kennin-ji-tempel/
auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Kennin-ji - https://en.wikipedia.org/wiki/Kennin-ji
auf Japan-Kyoto: https://japan-kyoto.de/kenninji-tempel-kyoto/
auf Rinzai-Obaku-Zen: http://zen.rinnou.net/head_temples/12kennin.html
auf Japan Guide: https://www.japan-guide.com/e/e3973.html
auf Inside Kyoto: https://www.insidekyoto.com/kennin-ji-temple
auf Kyoto Travel: https://kyoto.travel/de/shrine_temple/255
Tale of Genji: http://www.taleofgenji.org/kenninji.html
auf Japan Visitor: https://www.japanvisitor.com/japan-temples-shrines/kenninji
auf Japanhoppers: https://www.japanhoppers.com/de/kansai/kyoto/kanko/814/
auf Japantravel: https://en.japantravel.com/kyoto/kyoto-kennin-ji-temple/7291
auf Matcha-JP: https://matcha-jp.com/en/1214
auf Kanpai: https://www.kanpai.fr/kyoto/kennin-ji
auf Japan 365 days: http://www.japan365days.com/kyoto_kenninji_temple.php
Besucher-Faltblatt des Tempels
auf Buddhist Travel: https://web.archive.org/web/20110708103332/http://www.buddhistravel.com/index.php?aid=279
auf Buddhist Channel: http://www.buddhistchannel.tv/index.php?id=44,6297,0,0,1,0
auf Japanese Gardens: http://www.japanesegardens.jp/gardens/secret/000080.php
auf Japan Experience: https://www.japan-experience.com/city-kyoto/kennin-temple
auf Green Shinto: http://www.greenshinto.com/wp/2016/01/17/zen-and-shinto-2-kennin-ji/
Minamoto no Yoriie: https://en.wikipedia.org/wiki/Minamoto_no_Yoriie
Eisai: https://en.wikipedia.org/wiki/Eisai
Subtempel Zenkyo-an auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report261.html
Subtempel Kyusho-in auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report1577.html
Subtempel Taiun-ken auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report1549.html
Subtempel Koun-an (Kouun-an) auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report1575.html
Subtempel Eigen-in bzw. Shodeneigen-in auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report668.html
Subtempel Joko-in auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report1547.html
Subtempel Reito-in auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report1545.html
Subtempel Reigen-in auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report1532.html
Subtempel Daito-in auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report840.html
Subtempel Ryosoku-in auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report666.html
Subtempel Nishirai-in (Seirai-in) auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report1531.html
Subtempel Daichu-in auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report1548.html
Subtempel Ryosoku-in auf Japan Travel Manual: http://jpmanual.com/en/ryosokuin
Kenji Miyamoto: Sugu wakaru jiin betsu
shouheki-ga no mikata - eine leicht verständliche Art,
Wandmalereien nach Tempeln zu betrachten, 2008, ISBN-10:
4808708574, ISBN-13: 978-4808708573
Kennin-ji (2): Substrukturen - Kennin-ji (3): Hatto und Honbo - Kennin-ji (4): Hojo und Shoin - Kennin-ji (5): Innenräume - Kennin-ji (6): Gärten und Teehäuser
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