Bernhard Peter
Kyoto, Hoko-ji


Der Tempel Hoko-ji (Houkou-ji) befindet sich im Stadtbezirk Higashiyama gleich nördlich angrenzend an den Toyokuni-Schrein (Adresse: 527-2 Chaya-cho, Higashiyama-ku, Kyoto-shi, Kyoto-fu 605-0931). Der kleine Tempel ist sowohl von Westen von der Straße Yamato Oji Dori aus zugänglich als auch von Osten über den Parkplatz am Ende einer Stichstraße von der Higashi Oji Dori aus. Erreichbar ist der Tempel z. B. über den Bahnhof Shichijo der Keihan Main Line oder über die Bushaltestelle Museum / Sanjusangendo mehrerer Linien, z. B. die City-Busse 206 oder 208.

Die Anlage ist klein und überschaubar. Im Norden des kleinen Platzes liegt der Komplex aus Kuri, Hondo und rückwärtigem Garten, im Süden die Haupt-Sehenswürdigkeit, der Glockenturm. Was wir heute als Hoko-ji sehen, ist nur ein Fragment, ein kleines Bißchen des ursprünglichen Planes. Denn der war ambitioniert: Toyotomi Hideyoshi (1536-1598) wollte in der Hauptstadt Kyoto einen Daibutsu haben, der den von Nara, der alten Hauptstadt, in den Schatten stellt. Außerdem wollte er es in viel kürzerer Zeit als damals schaffen, einen solchen Tempel auf die Beine zu stellen. Die Meßlatte lag hoch: Der große Buddha in Nara ist knapp 15 m hoch, allein die Ohren messen 2,54 in der Höhe, das Gesicht ist 5,33 hoch. Damals brauchte man 10 Jahre, er wollte es jetzt in drei Jahren schaffen, und 1586 begann man mit dem Ausmessen und 1588 mit dem Bauen, auf dem Gelände des heutigen Nationalmuseums. Er hatte eine findige Idee, wie man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen konnte: Im Jahr des Baubeginns erließ er ein Gesetz, nach dem allen Nicht-Samurai das Tragen von Waffen verboten sein sollte. Und das ganze so erhaltene Metall der eingesammelten Waffen der Zivilbevölkerung konnte man hervorragend für den Bau der Gebäuden und der Statue einsetzen, so daß man mit dem Abgeben der Waffen große Verdienste erwarb. 1589 war es soweit: Der Daibutsu-Tempel von Heian-Kyo war fertig. Die hölzerne Statue des Dainichi Nyorai soll 48 m hoch gewesen sein, der Hondo 67 m tief, 100 m breit und 61 m hoch. Als geistlicher Gründer galt der Priester Kokei vom Daitoku-ji. Lange hatte man leider nicht von dem neuen Tempel, denn schon 1596 zerstörte ein Erdbeben den Daibutsuden samt Figur.

1598 gab es einen Neuanfang: Ein neuer Daibutsu wurde begonnen, und auch der Hondo sollte wiederaufgebaut werden. Doch nachdem die treibende Kraft hinter dem Projekt, Toyotomi Hideyoshi, starb, ruhten die Arbeiten. Unvorsichtige Bauarbeiter ließen 1602 ein Feuer ausbrechen, das alles wieder abbrennen ließ. Unter dem Sohn des Gründers, Toyotomi Hideyori (1593-1615), wurden 1610 die Arbeiten wieder aufgenommen, um den Tempel im Sinne des Vaters zu vollenden. 1612 war die neue, ca. 7 m hohe Buddha-Statue fertig. 1614 wurde eine neue große Bronzeglocke für den Hoko-ji gegossen. Die Glocke ist 4,20 m hoch und 8,2 t schwer, besitzt einen Durchmesser von 2,7 m und eine Wandstärke von 22 cm. Über die Inschrift gab es ein politisches Zerwürfnis zwischen Toyotomi Hideyori und Tokugawa Ieyasu, der die Worte "Sicherheit und Frieden für das Land" (Kokka ankou) absichtlich fehldeutete und als subversive Anspielung auf sich interpretierte, weil zwei der Schriftzeichen, die beiden äußeren, zusammen auch als "Ieyasu" gelesen werden konnten, aber voneinander durch ein drittes (Frieden) getrennt waren, böse, böse. Wenn es man so richtig drehte und wendete, konnte man an den Haaren folgende Lesart ableiten: Friede nur, wenn Ieyasu entzweigerissen wird. Hideyori versuchte alles, um sich zu entschuldigen - vergebens, dazu war der Vorwand zu willkommen. Letztendlich führte die Nutzung dieses Vorwandes zur Belagerung der Burg Osaka und zur Auslöschung der Familie Toyotomi. Eigentlich hatte Tokugawa Ieyasu in der Schlacht von Sekigahara bereits im Jahr 1600 den Sieg davongetragen. Doch seine vollständige Machtübernahme dauerte bis 1615. Der Grund war einfach der, daß er zuerst die Interessen von Toyotomi Hideyori schützte oder zu schützen vorgab, anders hätte er viele Verbündete nicht auf seiner Seite und gar keine Chance zur Machtübernahme gehabt. Erst nach seinem Sieg konnte er langsam, aber sicher seine Position ausbauen, bis darüber auch sein einstiger Schützling (und potentieller Kristallisationskeim einer Opposition) fallengelassen wurde. Dafür mußte dann eine harmlose Glocke herhalten, deren Inschrift man mutwillig als Fluch interpretierte. Das war schlimm genug, um nach der Eroberung von Burg Osaka auch Toyotomi Kunimatsu, den achtjährigen Sohn von Toyotomi Hideyori, immerhin den eigenen Urenkel, umbringen zu lassen.

1662 zerstörte ein erneutes Erdbeben den Daibutsuden und die Statue darin. 1664-1667 wurde der Tempel repariert, und man schuf eine neue Statue, wieder aus Holz. Im Jahre 1798 brannten der ganze Tempel und alles zuvor als Ersatz Gebaute infolge eines Blitzschlags ab. Seitdem verzichtete man auf Wiederherstellung des Daibutsuden. Statt dessen erstand der Tempel in erheblich verminderter Größe wieder, und nur eine gerettete kleine Buddhastatue wurde als Honzon (zentrales Kultbild) genommen. Vom Originaltempel sind nur noch auf dem Museumsgelände Grundmauern aus mächtigen Steinen übrig, die einst in der ersten Version (1588) bedachte Lehmmauern und in der zweiten Version (1610) gedeckte Korridore trugen. Wenn man die Yamato Oji Dori von der Kreuzung mit der Chichi-jo Dori aus nach Norden geht, sieht man rechterhand diese Mauern (siehe die letzten drei Abbildungen unten).

Ein letztes Mal errichtete man in der Mitte des 19. Jh. eine Halle Daibutsu-den, für die 1843-1845 eine neue große Holzfigur gestiftet wurde. 1973 brannte auch diese Halle wieder ab. 1870 wurde das attraktiv gelegene Gelände des Hoko-ji, das einst 237 x 250 m maß, aufgeteilt und neu verwendet. Im südlichen Bereich entstand das Nationalmuseum. Der mittlere Bereich wurde abgezweigt, um den Toyokuni-Schrein (siehe dort) zu errichten. Der alte Glockenturm aus dem Jahr 1614 wurde 1870 abgerissen und an anderer Stelle in der Nähe 1884 wieder neu aufgebaut. Der heutige, unspektakuläre Tempel, dessen Gebäude aus der 1970er Jahren stammen, gehört zur Tendai-Schule. Ganz große Geschichte an diesem Ort, aber wenig ist zu sehen. Die Glocke ist neben den vorerwähnten Grundmauern das einzige Überbleibsel des einstigen Großprojektes, die Glocke, deren Inschrift Tokugawa Ieyasu mißbrauchte, um seine Macht zu festigen und die Familie Toyotomi auszuschalten.



Literatur, Links und Quellen
Lokalisierung auf google maps: https://www.google.de/maps/@34.992148,135.771817,20z - https://www.google.de/maps/@34.9921433,135.7719116,64m/data=!3m1!1e3
John H. Martin, Phyllis G. Martin: Kyoto - 29 Walks in Japan's Ancient Capital, 376 S., Verlag: Tuttle Pub. 2011, ISBN-10: 4805309180, ISBN-13: 978-4805309186, S. 30-32
auf Wikipedia:
https://en.wikipedia.org/wiki/H%C5%8Dk%C5%8D-ji_(Kyoto)
auf Samurai-archives:
https://wiki.samurai-archives.com/index.php?title=Hoko-ji
auf Japan Travel:
https://en.japantravel.com/kyoto/hokoji-temple-and-its-fatal-bell/12901
Toyotomi-Clan:
https://de.wikipedia.org/wiki/Toyotomi_Kunimatsu - https://de.wikipedia.org/wiki/Toyotomi_Hideyori - https://en.wikipedia.org/wiki/Toyotomi_Hideyori - https://en.wikipedia.org/wiki/Toyotomi_clan
Belagerung von Osaka:
https://en.wikipedia.org/wiki/Siege_of_Osaka
Tale of Genji:
http://www.taleofgenji.org/hokoji.html
Die große Glocke des Hoko-ji:
http://oldphoto.lb.nagasaki-u.ac.jp/en/target.php?id=4475
Under the beat of the Taiko in Kyoto:
https://www.japantimes.co.jp/life/2014/03/29/travel/under-the-beat-of-the-taiko-in-kyoto/
auf Kyotofukoh:
https://kyotofukoh.jp/report284.html
Ian Littlewood, Ayumi Oe Littlewood: Kyoto Without Crowds, A Guide to the City's Most Peaceful Temples and Gardens, 264 S., CreateSpace Independent Publishing Platform, 1. Auflage 2018, ISBN-10: 1978158998, ISBN-13: 978-1978158993, S. 123 ff.


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