Bernhard
Peter
Kyoto
(Präf. Kyoto), Arashiyama, Tempel Horin-ji (Hourin-ji)
Lage und
Touristisches
Der Tempel Horin-ji (Hourin-ji, nicht zu verwechseln mit dem
namensgleichen Hourin-ji = Darumadera, und auch nicht mit dem
Hourin-ji in Ikaruga) liegt im Stadtteil Arashiyama im Nordwesten
der Stadt Kyoto (Adresse: Arashiyama Kokuzoyamacho, Nishikyo-ku,
Kyoto, 616-0006). Von den Sehenswürdigkeiten in Arashiyama
gehört dieser Tempel zu der südlich der Brücke
Togetsukyou-bashi gelegenen Gruppe und liegt gleich südöstlich
des Iwatayama-Affenparks. Nach Überqueren der Brücke über den
Katsura-gawa biegt man nach links ab und folgt der Hauptstraße
(Matsuo-michi) 180 m, nach einem Parkplatz folgt rechterhand eine
kleine Parkanlage, dort biegt man ein, um nach 45 m rechterhand
das Tempeltor zu sehen. Dahinter beginnen viele Stufen.
Der Tempel lohnt für sich alleine kaum die Anreise, aber er liegt auf dem Weg, wenn man erst die Tempel nördlich des Katsura-Flusses anschaut und danach entweder zum westlich gelegenen Daihikaku Senkou-ji, zum Affenpark oder weiter südlich zum Matsunoo-Taisha möchte. Die dem Tempel nächstgelegene Bahnstation ist Hankyu Arashiyama. Der relativ große Tempel liegt erhöht am Berghang mit einer großen Terrasse, von der aus man einen schönen Blick auf den Stadtteil und das Tal des Katsura-gawa hat. Obwohl Arashiyama Tausende von Touristen anzieht, wird der Tempel von diesen links liegen gelassen. Die sind alle im Bambuswald oder im Affenpark, und hier ist gähnende Leere, sehr erfrischend nach Passieren der "Touristenmeile". Im Spätsommer jedenfalls ist der verlassen wirkende Tempel nicht auf Besucher eingestellt; Innenräume sind nicht zu besichtigen.
Geschichte
und Bedeutung
Der Hourin-ji wurde 713 von Gyouki (668-749) gegründet, einem
Nara-zeitlichen Mönch des Asuka-dera und später des Yakushi-ji
in Nara, der ab 704 als Prediger und Tempelgründer durch Kansai
zog. Anfangs hieß der Tempel noch Kadonoi-dera. Im Jahr 829
wurde unter Dosho, einem Schüler von Kukai (Kobo Daishi), das
Hauptkultbild plaziert, außerdem wurden unter diesem Priester
der Gebäudebestand und der Grundbesitz des Tempels erheblich
vergrößert. Dosho baute auch die erste Brücke über den
Katsura-gawa, den Vorläufer der Togetsukyou-bashi (Fluß und
Brücke hießen damals freilich noch anders). Und der Tempel
bekam im Jahr 874 von Kaiser Seiwa den Namen Hourin-ji. In
mehreren alten Epen wird der Tempel erwähnt, unter anderem im
Heike Monogatari (Erzählungen von den Heike), im Konjaku
Monogatarishuu (Geschichtensammlung von Jetzt und Einst) und im
Makura-no-soushi (Kopfkissenbuch der Hofdame Sei Shounagon). Der
Onin-Krieg (1467-1477) vernichtete alle Gebäude. Unter Maeda
Toshiie (1539-1599) und danach in der Edo-Zeit unter Kaiser
Go-Yozei wurde der Tempel wiederaufgebaut. Keishoin (1627-1705),
die Mutter von Tokugawa Tsunayoshi, bedachte den Tempel mit
großzügigen Zuwendungen. Der Tempel wurde im 19. Jh. während
des Kinmon-Krieges (Aufstand am Hamaguri-Tor 1864,
Hamaguri-gomon-no-hen) zerstört, weil sich der Choshu-Clan im
Tenryu-ji verschanzt hatte und Arashiyama der Schauplatz der
Kämpfe mit den Truppen des Shogunats wurde. Die meisten Gebäude
stammen daher aus dem späten 19. oder frühen 20. Jh. Der
heutige Name Hourin-ji bedeutet "Tempel des Rades der Lehre
(skr. dharmachakra)". Der Tempel wird auch Saga-no-kokuuzou
genannt. Der Bergname (Sangou) lautet Chifuku-san; er wurde 1606
von Kaiser Go-Yozei verliehen. Die Bedeutung ist "Berg der
Weisheit und des günstigen Schicksals". Der Tempel gehört
zur esoterischen Richtung des Shingon-Buddhismus.
Das Hauptkultbild ist ein Kokuuzou Bosatsu, deswegen wird der Tempel auch Kokuuzou Hourin-ji genannt. In Sanskrit wird dieser Bodhisattva Akashagarbha genannt, im Deutschen wird er als Bodhisattva des Raumes bezeichnet (wörtlich: ko = unlimitierte Schätze, ku = Himmel, zo = Speicherhaus). Dieser Bodhisattva, einer der acht großen Bodhisattvas und ein Zwillingsbruder von Jizou, ist insbesondere im Shingon-Buddhismus wichtig und wird mit großer Weisheit assoziiert, dessen Weisheit das ganze Universum durchdringt. Typische Attribute sind das Schwert der Gerechtigkeit, die Lotusblüte und ein Edelstein in der Hand. Auch im Nichiren-Buddhismus ist dieser Bodhisattva besonders wichtig. In Japan wird er nicht nur verehrt, um Weisheit auf dem Weg zur Erleuchtung zu erlangen, sondern auch um für bessere Gedächtnisleistung, Talent, künstlerische und technische Fähigkeiten zu bitten. Er erscheint in fünf verschiedenen Formen, den Godai Kokuuzou Bosatsu, die wiederum Manifestationen der fünf großen Buddhas (5 Weisheitsbuddhas, Dhyani-Buddhas) sind.
Der Tempel gehört zu den "13 buddhistischen Stätten von Kyoto" (Kyoto Ju-san Butsu). Auf dieser Pilgerroute werden insgesamt 13 Gottheiten hauptsächlich des Shingon- und des Rinzai-Buddhismus besucht, in jedem Tempel eine andere, Buddhas und Bodhisattvas und auch Mantra-Könige. Der Chishaku-in ist die erste Station dieser Pilgerroute; dort wird Fudo Myo-o besucht. Nach dem Chishaku-in geht es zum Seiryo-ji in Arashiyama, wo ein Shaka Nyorai verehrt wird. Danach werden Verehrungsstätten für Monju Bosatsu im Reiun-in, für Fugen Bosatsu im Daikomyo-ji, für Jizo Bosatsu im Daizen-ji, für Miroku Bosatsu im Sennyu-ji, für Yakushi Nyorai im Inabayakushi-ji (Byodo-ji), für Kannon Bosatsu im Senbon Shakado (Daiho onji), für Seishi Bosatsu im Ninna-ji, für Amida Nyorai im Hokongo-in und für Ashuku Nyorai im Hokan-ji (Yasaka-Pagode) besucht. Nach dem To-ji und seinem Dainichi Nyorai endet die Route hier am Hourin-ji in Arashiyama mit dem Kokuuzou Bosatsu als dreizehnter Station.
Tempelfeste
An dem Hauptkultbild liegt es, daß der Tempel von jedem Bewohner
der Stadt wenigstens einmal im Leben aufgesucht wird. Zu den
wichtigen Kindheitszeremonien gehört nicht nur Shichigosan
(Segen für 7-, 5- und 3-jährige Kinder), sondern auch Jusan
Mairi (jusan = 13, mairi = Besuch), eine Zeremonie für
13-jährige Kinder, die in diesem Alter einen Tempel mit Kokuuzou
Bosatsu aufsuchen, und genau das wird hier im Hourin-ji für
Kyoto und Umgebung angeboten. Hier beten sie um Wissen und
Weisheit, um leichtes Lernen und um Schutz vor
Schicksalsschlägen und allgemein für eine erfolgreiche Zukunft.
Früher mußten die Kinder eine handgeschriebene Sutra-Kopie
abliefern und der Gottheit widmen. Heute sind die Ansprüche
gewaltig gesunken, die Kinder müssen lediglich ein einziges
handgeschriebenes Kanji abliefern, um teilnehmen zu können. Ein
einziges Kanji gilt dann als Ein-Wort-Sutra, sehr großzügig. Es
ist die erste Gelegenheit, bei dem die Jungen und Mädchen einen
Kimono nach Erwachsenen-Art tragen, und das spricht dafür, daß
die Wurzeln dieses Festes in einem alten Volljährigkeitsritual
liegen; die Schwelle zum Erwachsensein wurde in vergangenen
Jahrhunderten viel früher angesetzt als heute. Dennoch ist auch
heute noch in Japan die 13-Jahres-Schwelle ein wichtiger
Wendepunkt im Leben, der Übergang vom Kind zum Jugendlichen.
Nach der Zeremonie dürfen die Jugendlichen bis zum
vollständigen Passieren der Togetsukyou-Brücke weder reden noch
sich umdrehen, sonst ist der Weisheitssegen wieder futsch, so der
Glaube. Dieser Brauch, sich nicht umdrehen zu dürfen, erinnert
die Jugendlichen daran, daß es keinen Weg zurück in die
Kindheit gibt, daß diese Phase jetzt hinter ihnen liegt, und
daß jetzt mehr von ihnen erwartet wird. In Osaka wird die
Zeremonie im Taihei-ji angeboten. Während dieses Kinderfest in
Kansai noch praktiziert wird, ist es im Kanto schon aus der Mode
gekommen. Hier wird die Veranstaltung mehrfach im März bis Mai
und im Oktober bis November angeboten, immer am 13. des Monats.
Eine alternative Bezeichnung des Fests ist Chie-mairi, Gebet um
Weisheit. Man kann wählen, wie lange die Priester für den
Jugendlichen Beten sollen, zwischen 1 Woche (5000 Yen), 1 Monat
(7000 Yen) und 1 Jahr (13000 Yen).
Es gibt noch ein weiteres Tempelfest, das so kurios ist, daß es Erwähnung verdient: Am 8.2. und am 8.12. findet jeweils eine Veranstaltung namens Hari-kuyou statt, das ist ein Gedenkgottesdienst für alle Nähnadeln, die japanische Hausfrauen im vergangenen Jahr bei der Hausarbeit abgebrochen haben. Gemeinsam betet man hier für bessere handwerkliche Fähigkeiten. Angeblich geht dieses Fest bis auf die Heian-Zeit zurück. Am 30.3. gibt es einen Gottesdienst zur Verbesserung der Fähigkeiten im Bereich der darstellenden Künste, wobei Kyogen-Unterhaltung dargeboten wird. Am 9.9. findet hier Chrysanthemenfest statt (Choyo no sekku), auch Doppel-9-Fest genannt. Am 14.10. gibt es eine Gedenkveranstaltung für ausgediente Puppen. Im November gibt es ein Urushi-Fest (Urushi = Lack).
Rundgang
und Beschreibung
Nach dem Sanmon führen viele
breite Steinstufen (Sandou ishidan) auf die obere Ebene,
beiderseits von zinnoberroten Laternen gesäumt. Linkerhand liegt
auf halber Höhe noch ein interessanter Schrein, der Dendengu.
Denden-myoujin ist ein Gott des Blitzes und des Donners und im
übertragenen Sinne heute für alles, was mit Elektrizität und
Radiowellen zu tun hat. Ganz früher war das mal ein Gott des
Ackerbaus und Reisanbaus, und im Mittelalter war seine Verehrung
populär. So wandelte sich seine Zuständigkeit, und dieser
Schrein ist heute die einzige Stelle seiner Verehrung in der
Stadt. Früher war der Schrein viel größer, doch der brannte
1864 ab bei den Kämpfen im Zuge der Kinmon-Rebellion. Erst 1956
baute man hier wieder einen wesentlich kleineren Schrein hin, auf
Initiative von Hirabayashi Kinnosuke, dem Direktor des
Kinki-Büros der Telekommunikation, auch zuständig für Radio
etc. Seitdem hat auch der Gott eine neue Zuständigkeit für
Elektrizität und Rundfunk. Und bei der Gelegenheit baute man
auch Monumente in Form von in eine Wand eingelassenen
Bronze-Plaketten mit Portraits für Thomas Alva Edison und
Heinrich Rudolf Hertz (Heretsu to Ejison no reriifu =
Hertz-und-Edison-Relief), den Pionieren der Elektrizität, und
eine Pagode Denden-tou. Auch das ist äußerst ungewöhnlich für
einen Shinto-Schrein. Das führt aber dazu, daß sich dieser
Schrein und der dazugehörige Tempel bei IT-Technikern,
Programmierern, Telefongesellschaften, Fachkräften der
Elektroauto-Industrie etc. großer Beliebtheit erfreut. 1966
wurde der Schrein in Denden-gu umbenannt. 1969 erfuhr der Schrein
eine weitere Erneuerung aus Anlaß der Expo '70 in Osaka. Witzig
sind die Talismane, die verkauft werden, denn diese Omamori haben
die Form einer CD-Karte. So verbinden sich hier alter
Shinto-Glaube und modernste Technologie. Jedes Jahr am 23.5.
findet das Schreinfest Denden-gu-taisai statt. Um den Schrein
kümmert sich eine eigene Gesellschaft, die
Hourin-ji-dendengu-goji-kai.
Oben angekommen, fällt der Blick zuerst auf die einstöckige Haupthalle, eine Rekonstruktion aus der Meiji-Zeit (1884). In die kommt man nicht hinein, und auch das Hauptkultbild kann man nicht sehen. Trösten wir uns damit, daß die letzten 100 Jahre überhaupt kein Besucher je dieses Kultbild zu sehen bekommen hat. Innen stehen weiterhin Kamakura-zeitliche hölzerne Figuren von Jikokuten (1,67 m hoch) und Tamonten (1,675 m hoch), die wie die Hauptstatue zu den hervorhebenswerten wichtigen Kulturgütern gehören (bemaltes Holz mit eingelegten Jadeaugen). Ohne Besuch der Haupthalle kann man die seltenen Wächterfiguren beiderseits der dreistufigen Treppe davor bestaunen, das sind Tiger (Koma-Tora) rechts und Kuh (Ushi) links, die beiden mit Kokuuzou assoziierten Tiere. Entsprechend beliebt ist der Tempel auch bei Leuten, die im Jahr des Tigers oder im Jahr des Ochsens geboren sind. Rechts neben der Haupthalle liegt der Shoin. Linkerhand, also im südlichen Teil der Anlage, gibt es eine zweistöckige, 17,40 m hohe Pagode (Tahoutou, 1936-1942) mit quadratischem unteren Teil und runden Oberteil, das wiederum ein quadratisches oberes Dach trägt, was zu hochinteressanten Klammerkonstruktionen führt. Die Dächer sind mit Kupfer gedeckt. Auf dem Gelände findet man als Kuriositäten einen Grabhügel für kaputte Puppen (Ningyo-zuka) und eine Gedenkpagode für kaputte Nähnadeln (Hari-kuyo-tou, Hari-zuka, 1941). In der Nadel-Gedenkpagode befinden sich Nadeln, die von der kaiserlichen Familie verwendet wurden. Der Glockenturm (Shourou) ist im südöstlichen Bereich des Geländes zu finden, in der Nähe des Denden-gu. Ansonsten bleibt dem Besucher nur, sich auf der Terrasse (genannt Butai = Bühne, oder Mi-harashi-dai = Aussichtsplattform) an dem schönen Blick über Arashiyama und die umgebenden Hügel (Kitayama und Higashiyama) zu erfreuen.
Photos aus dem Horin-ji (Hourin-ji)
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@35.0101904,135.6772661,20z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@35.0101904,135.6772661,106m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Webseite des Tempels: https://www.kokuzohourinji.com/ - https://www.kokuzohourinji.com/index.en.html
Horin-ji auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report396.html
Horin-ji auf Kansai Odyssey: https://kansai-odyssey.com/horin-ji-temple/
Horin-ji auf Wikipedia: https://en.wikipedia.org/wiki/H%C5%8Drin-ji_(Kyoto)
Horin-ji auf Japanese Wiki: https://www.japanesewiki.com/shrines/Horin-ji%20Temple%20(Nishikyo%20Ward,%20Kyoto%20City).html
Horin-ji auf Tale of Genji: http://www.taleofgenji.org/horinji.html
Horin-ji auf Japan Travel: https://en.japantravel.com/kyoto/dendengu-shrine-horinji-temple/14695
Horin-ji auf GPSMYCity: https://www.gpsmycity.com/attractions/horin-ji-temple-21423.html
Horin-ji bei Damien Douxchamps: https://damien.douxchamps.net/photo/japan/kyoto/nishikyo/horin-ji/
Kokuzo Bosatsu: https://de.wikipedia.org/wiki/Akashagarbha - https://en.wikipedia.org/wiki/%C4%80k%C4%81%C5%9Bagarbha
Kokuzo Bosatsu: https://www.onmarkproductions.com/html/kokuzo.shtml
Gyouki: https://en.wikipedia.org/wiki/Gy%C5%8Dki
13 buddhistische Stätten von Kyoto: https://en.wikipedia.org/wiki/Thirteen_Buddhist_Sites_of_Kyoto
13 Buddhas: https://en.wikipedia.org/wiki/Thirteen_Buddhas
Dendengu auf Atlas obscura: https://www.atlasobscura.com/places/dendengu
Dendengu: https://www.kokuzohourinji.com/dendengu.en.html
Dendengu: https://micro.rohm.com/en/rohm-saijiki/arashiyama/recomend/recomend_08.html
Hourin-ji: https://micro.rohm.com/en/rohm-saijiki/arashiyama/recomend/recomend_07.html
John H. Martin, Phyllis G. Martin: Kyoto - 29
Walks in Japan's Ancient Capital, 376 S., Verlag: Tuttle Pub.
2011, ISBN-10: 4805309180, ISBN-13: 978-4805309186, S. 262-263
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