Bernhard Peter
Nara: Akishino-dera, Beschreibung und Photos


Lage und Erreichbarkeit
Der Akishino-dera liegt im nordwestlichen Teil der Stadt Nara (757, Akishinocho, Nara-shi, Nara, 631-0811), nordwestlich des Heijo-Palast-Bereiches im Stadtviertel Akishino-cho. Da für die meisten Touristen der Todai-ji der bekannteste Bezugspunkt ist: Der Saidai-ji liegt 6,1 km Luftlinie im Westnordwesten von diesem. Wegen der großen Entfernung zu den touristischen Hauptanziehungspunkten liegt der Tempel abseits der touristischen Hauptrouten: Es ist ein idyllischer, ruhiger Tempel, in einem kleinen, 150 m x 170 m messenden Waldstück mit weichen Moosflächen unter den Bäumen gelegen, abseits allen städtischen und touristischen Trubels. Dabei ist das Umfeld recht lohnend: Ca. 1,1 km in südostsüdlicher Richtung liegt der Saidai-ji, ca. 2,1 km im Südosten liegt das weitläufige Palastgelände mit einigen wiedererrichteten Strukturen. In östlicher Richtung liegen insgesamt mindestens sieben Kofun-Grabanlagen unterschiedlicher Erhaltung. Und 3,1 km im Südostsüden liegt der Tempel Toshodai-ji, und 3,9 km in der Richtung liegt der Tempel Yakushi-ji, und 5,7 km genau nach Süden liegt die Burg Koriyama. Aus all diesen genannten Stationen kann man ein Gesamtpaket für einen Tag im westlichen Nara schnüren, innerhalb dessen man den Akishino-dera als nördlichen Abschluß oder Startpunkt besucht, vor allem auch, weil das von der Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln her sinnvoll ist.

Denn der Erschließungsbahnhof für den Akishino-dera ist entweder Kintetsu Heijo an der Kintetsu Kyoto Line oder Yamato Saidaiji, wo sich drei Kintetsu-Linien treffen. Wer von Kyoto kommt, steigt an der Station Heijo aus und schlägt sich 1,1 km am Stadion vorbei nach Westen zu Fuß durch. Wer mit JR in Nara ankommt, muß erst ostwärts zu Kintetsu Nara rüberlaufen, dann nach Westen in Richtung Osaka fahren. Von der Haltestelle Yamato Saidaiji geht man 1,4 km durch Wohngebiete nach Norden. Von letztgenanntem Bahnhof aus erreicht man auch am einfachsten die anderen touristischen Ziele im westlichen Nara. Von Yamato Saidaiji aus kann man auch den Bus Nr. 72 bis zur Haltestelle Akishino-dera nehmen, der Bus verkehrt alle 12 Minuten. So ergibt sich ein Tagesprogramm im westlichen Nara, das komplett mit Kintetsu zzgl. Bus oder Fußmarsch erschlossen wird.

Der Tempel ist idyllisch und einsam. Er wird kaum von Touristen frequentiert, und er ist auch einer der kleineren Anlagen in Nara. Er ist jedoch sehr sehenswert, nicht nur gibt es hier eine als Nationalschatz eingestufte Haupthalle, sondern auch insgesamt 25 Statuen von großer religiöser und kunsthistorischer Bedeutung, darunter ein besonderer Schutzgott der Künste und der Künstler. Und die umgebende Landschaft mit dem Wald und dem Moosgarten ist eine wunderschöne Oase der Ruhe.


Geschichte und Bedeutung
Der Akishino-dera wurde noch während der späten Nara-Zeit gegründet. Das genaue Jahr ist nicht zu ermitteln, sicher wurde er jedoch vor 780 gegründet, weil er laut dem Shoku Nihongi ab dem Jahr 780 (Houki 11) unter Kaiser Kounin (18.11.709-11.1.782, regierte 770-1781) staatlich gefördert wurde. Andere Quellen datieren seine Gründung auf das Jahr 776. Als Gründer wird der Priester Zenshu genannt, dieser gehörte der Hosso-shu an. Der Tempel steht in Verbindung mit Sawara Shinnou (750-785), einem entmachteten Sohn von Kounin, welcher als Goryou endete, als rächender Geist. Vermutlich diente die Förderung des Tempels der Besänftigung seines Totengeistes. Ausgrabungen förderten jedenfalls Ziegel zutage, die eindeutig in die Nara-Zeit zu verorten sind. Die Anlage hatte wie andere Tempel aus dem 8. Jh. ein Shichido-Garan (Standard-Layout mit den sieben wichtigen Gebäuden) mit dem Haupttor im Süden und entlang der Hauptachse angeordneter Goldenen Halle (Kondo) und Lehrhalle (Kodo); die Hauptachse wird im südlichen Bereich flankiert von zwei Pagoden. Die ehemalige Ausdehnung kann anhand der Ziegelfunde abgeschätzt werden, von den Hauptgebäuden haben sich Fundamente erhalten.

Damals gehörte der Tempel der Schule Hosso-shu (Hossou-shuu) an, einer der sechs buddhistischen Schulen der Nara-Zeit (Nanto Roku-shu, Nan-to = südliche Hauptstadt, roku = sechs, shu = Lehrrichtung). Später wechselte der Tempel mehrfach die Schulzugehörigkeit. In der Heian-Zeit wurde er ein Shingon-Tempel. Alle Gebäude der ursprünglichen Ausstattung gingen gegen Ende der Heian-Zeit bei kriegerischen Auseinandersetzungen durch Feuer verloren, eine Überlieferung nennt das Jahr 1135. Der Tempel wurde in der Kamakura-Zeit wieder aufgebaut und bekam neue Gebäude. Aus der frühen Kamakura-Zeit stammt die Haupthalle. Zu Beginn der Meiji-Zeit kam es bei der forcierten Trennung von Buddhismus und Shintoismus (Haibutsu Kishaku) zu Konflikten, bei denen wiederum die meisten der Gebäude verloren gingen. Nur die Haupthalle überlebte. In der Meiji-Zeit schloß sich der Tempel der Jodo-shu an. Aktuell gehört er keiner der etablierten Richtungen an, sondern ist unabhängig. Das hier verehrte Hauptkultbild ist ein Yakushi Nyorai.


Rundgang und Beschreibung:
Insgesamt ist das Tempelgelände ein rechteckiges, landschaftlich besonders schönes Waldstück mit einem Zugangstor im Süden und einem weiteren Zugang im Osten. Vor dem Südeingang, noch diesseits des Querweges, führt ein zinnoberrotes Torii nach links zum Shinto-Schrein Hassho-Goryou-Jinja. Am Westende der kleinen Lichtung liegt die Andachtshalle quer vor dem eigentlichen Honden, rechterhand liegt das Schreinbüro. Das Südtor (Minami-mon) zum Tempel ist mit einem Satteldach versehen und wird von zwei nur ganz kurzen Stücken einer Lehmmauer begleitet. Dahinter führt der Sando (Zuweg) durch dichten Wald mit idyllischem Moosgarten, der den Waldboden wie ein dickes, saftig grünes Teppichpolster überzieht und jedes Geräusch dämpft, nach Norden, wobei man die Ruinen der ehemaligen Goldenen Halle (Kondo ato, Kondou ato) passiert. Dahinter öffnet sich der zentrale Platz der Anlage, auf der Süd- und Ostseite von einer Mauer eingefriedet. Im Südosteck des Platzes befindet sich ein kleines modernes Rasthäuschen.

Nach Norden fällt der Blick auf das größte und schönste Gebäude der Anlage, die einstöckige Haupthalle (Hondo, Hondou), mit Walmdach (Yosemune), mit Hongawarabuki gedeckt. Sie mißt 17,18 m x 11,85 m und basiert auf einem Raster von 5 Pfostenabständen auf der Längsseite und 4 in der Tiefe, mit drei Doppeltüren auf der vorderen Längsseite und einer auf der Rückseite sowie je zwei an den kurzen Seiten, und dort jeweils in den beiden südlichen Pfostenabständen eingebaut. Die Abstände zwischen den Pfosten sind mittig breiter und nehmen nach außen hin ab. Es gibt keine umlaufende Veranda. Die Merkmale entsprechen dem Wayo-Stil, und für diesen Stil ist die Halle ein Meisterwerk. Die erhöhte Plattform für die Kultbilder entlang der inneren Wand reicht über die inneren drei Pfostenabstände. Das Gebäude besitzt innen einen Stampflehmboden. Es wurde beim Wiederaufbau des Tempels in der frühen Kamakura-Zeit an der Stelle der Nara-zeitlichen Lehrhalle (Kodo) erbaut. Der Stil ist etwas altertümlich und restaurativ für die Zeit der Errichtung, deshalb sieht es Nara-zeitlich aus, wurde aber tatsächlich später errichtet, im späten 12. oder frühen 13. Jh. Diese Halle ist das einzige übriggebliebene Gebäude des Tempels aus der frühen Kamakura-Zeit, und entsprechend ist es als Nationalschatz klassifiziert. Im Jahre 1899 wurde diese Halle zur Restaurierung komplett auseinander- und nach Reparatur der Einzelteile wieder zusammengebaut.

In der Haupthalle werden als Hauptkultbild ein sitzender heilender Buddha (Medizin-Buddha, Yakushi Nyorai, aus naturbelassenem Holz) aus der Muromachi-Zeit sowie Nikkou Bosatsu (Bodhisattva des Sonnenlichts) und Gekkou Bosatsu (Bodhisattva des Mondlichts) verehrt. Alle drei Figuren dieser Yakushi-Triade (Yakushi Sanzon-zou) sind als wichtige Kulturgüter eingestuft. Die beiden Bosatsu-Figuren stammen aus der Heian-Zeit uind sind aus bemaltem Holz. Weiterhin sind in der Haupthalle aufgestellt eine ca. 2 m hohe Statue der Gottheit Gigei-ten (linkerhand, traditionelle Identifizierung, Gigei-ten-ryuzou, Kopf in Trockenlack-Technik aus der Zeit um 800, hölzerner Rumpf aus dem 13. Jh.) und eine der Gottheit Taishaku-ten (Kopf und Körper wie oben), beides auch wichtige Kulturgüter, und Statuen der zwölf himmlischen Generäle (Juu-ni-shinsho-zou) sowie ein Jizo Bosatsu aus der Heian-Zeit (Jizou Bosatsu ryuu-zou, aus Holz, wichtiges Kulturgut).

Östlich der Haupthalle steht der Glockenturm (Shoro, Shourou), ein einfaches offenes Gestell mit Satteldach. Genau westlich der Haupthalle steht eine Halle zur Verehrung des Gründers (Kaizando), mit einem Irimoya-Dach versehen, dahinter liegt der Reido. Im Südwesten der Haupthalle steht ein weiteres Gebäude (Daigendo) mit aufwendigerer Giebelkonstruktion, denn der Schmalseite des ziegelgedeckten Irimoya-Daches ist ein geschwungener, mit ergrünten Kupferplatten gedeckter Karahafu keilförmig eingefügt. Innen wird ein Daigensui Myo-o verehrt; die Figur stammt aus der Kamakura-Zeit. Es ist die Darstellung als Funnu-zo gewählt worden, eine schreckliche Erscheinungsform, mit sechs Armen, um die sich Schlangen winden. Es handelt sich um eine verborgene Statue, die nur jeweils am 6. Juni gezeigt wird. Diese Statue kam in den Tempel, als er der esoterischen Shingon-Richtung angehörte.

Zwischen beiden Gebäuden steht weiter hinten (westlich) noch im Wald ein Gedenkstein mit metallener Schrifttafel für Kawada Jun (15.1.1882-22.1.1966), Wirtschaftsmanager bei Sumitomo und Lyriker sowie Träger des Asahi-Preises. Es handelt sich nur um einen Erinnerungsstein, denn begraben wurde er im Toukei-ji in Kamakura auf dem dortigen Tempelfriedhof. Im Südwesten des zentralen Platzes liegt etwas verborgen der mauerumschlossene und für Touristen unzugängliche private Lebensbereich der Mönche mit dem Tempelbüro (Jimu-sho). Vor diesem kann man einen weiteren Gedenkstein in den weiten Moospolstern des Waldes entdecken, dieser ist für Yoshino Hideo (3.7.192-13.7.1967), einen Schriftsteller und Tanka-Dichter. Begraben ist er im Tempel Zuisen-ji in Kamakura. Daß sich diese Gedenksteine hier befinden, hat seine Ursache in der Statue von Gigei-ten, dem Schutzgott der Künste, die auch von vielen aufstrebenden und etablierten Künstlern aufgesucht wird, um ihren Segen zu erbitten.

Am Ostrand des Geländes, wo schon die Wohnsiedlung in den Wald hineinwächst, liegen im Wald ein paar Basissteine, die von der einst hier vorhandenen östlichen Pagode stammen (Toto ato, Toutou ato, To = Osten, to = Turm, ato = Ruine). Auf gleicher Höhe liegen südlich des Tempelbüros die übriggebliebenen Basissteine der Westpagode im Wald (Saito ato, Saitou ato, Sai = Westen).

Der Ostzugang zum Gelände führt durch ein Tor vom Typ Koraimon mit zwei senkrecht nach hinten führenden Seitendächern über den Anschlägen der Torflügel. Dieses Tor ist in eine Lehmmauer integriert. Der dahinter gerade nach Westen führende Weg endet an der Umfassungsmauer des zentralen Platzes. Südlich des Weges liegt hinter einer Mauer der Kosui-Kaku. Südlich davon liegt der Shinto-Schrein Juu-san-sha im Wald, der 13 Mini-Schreine in einer langen Reihe unter einem langgestreckten Schutzdach vereint.


Tempelschätze:
Nationalschätze:

Wichtige Kulturgüter:

Weitere wichtige Kulturgüter werden im Nationalmuseum Kyoto (Jizo Bosatsu, Heian-Zeit), Nationalmuseum Nara (Bonten und Kudatsu Bosatsu, Köpfe jeweils Nara-zeitlich, Körper Kamakura-zeitlich, weiterhin Reste einer Statue in Trockenlacktechnik) und Nationalmuseum Tokyo (Mokuzo Juu-ichi-men Kannon ryu-zou, Heian-Zeit) aufbewahrt

Weitere Kunstschätze:


Südtor, Minami-mon


Shinto-Schrein: Hassho-Goryou-Jinja


Haupthalle (Hondo)


Glockenturm (Shoro)


Daigen-do


Kaizando und Hondo


Kaizando


Moosgärten im Wald


Juu-san-sha


Tempelverwaltung


Literatur, Links und Quellen
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@34.7034842,135.7762774,19z - https://www.google.de/maps/@34.7034842,135.7762774,213m/data=!3m1!1e3
Webseite von Bernhard Scheid:
https://www.univie.ac.at/rel_jap/kami/Akishino-dera
Bilder auf der Seite Tale of Genji:
http://www.taleofgenji.org/akishinodera.html
Der Akishino-dera auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Akishino-dera - https://en.wikipedia.org/wiki/Akishino-dera
Akishino-dera auf Japan Travel:
https://www.japan.travel/de/spot/1006/
Akishino-dera:
https://www.jalan.net/kankou/spt_29201ag2130013341/
Tempel auf Japan Travel:
https://en.japantravel.com/nara/akishinodera-temple/90
Kawada Jun in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kawada_Jun - https://en.wikipedia.org/wiki/Jun_Kawada
Yoshino Hide oin Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Yoshino_Hideo - https://en.wikipedia.org/wiki/Hideo_Yoshino
Liste der Nationalschätze:
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_National_Treasures_of_Japan_(temples)
Akishino-dera:
https://www.japanese-wiki-corpus.org/shrines/Akishino-dera%20Temple.html


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