Bernhard Peter
Kyoto: Sekizan Zen-in (1): Beschreibung und Photos, erster Teil


Lage und Erreichbarkeit
Der Tempel Sekizan Zen-in ist eine sehr untouristische Glaubensstätte im Nordosten von Kyoto im Stadtviertel Shugakuin (Adresse: 18 Shugakuin Kaikonbocho, Sakyo-ku, Kyoto-shi). Die Zugänglichkeit via ÖPNV  erfolgt über den Bahnhof Shugakuin der Eizan Line, von da sind es 1,2 km zu Fuß bis zum Tempel; es gibt keinen sinnvollen Bus. Wer mit Keihan anreist, nimmt die Main Line bis zum Endbahnhof Demachiyanagi und steigt dort in einen beliebigen Zug der Eizan Line um (die unterschiedlichen Linien gabeln sich erst später) und fährt bis zum Bahnhof Shugakuin. Das ist die beste Möglichkeit, wenn man in fußläufiger Entfernung zu einem Keihan-Bahnhof untergekommen ist.

Vom Hauptbahnhof Kyoto aus gibt es mehrere Möglichkeiten: Zum einen kann man ab Hauptbahnhof den Bus Nr. 17 in Richtung Ohara nehmen und an der Haltestelle Shugakuin Ekimae aussteigen (45 min., 24 Haltestellen). Der Restweg zu Fuß beträgt 1,3 km. Alternativ kann man ab Hauptbahnhof JR Kyoto die Buslinie Nr. 5 nach Iwakura Soshajo bis zur Haltestelle Shugakuin Rikyudo nehmen (53 min., 29 Haltestellen). Ebenso gut kann man mit der U-Bahn der Karasuma Line bis zur Station Kokusaikaikan fahren und dort den Bus Nr. 5 in Richtung Kyoto Eki mae, also in Gegenrichtung, bis zur Haltestelle Shugakuin Rikyudo nehmen; es verbleibt ein Fußweg von 950 m bis zum Tempel. Auf dieser Route schlägt man zwar einen Haken "zu weit" nach Norden, ist aber mit der U-Bahn zügiger unterwegs als nur mit dem Bus.

Da man den Tempel aber meistens im Verbund mit anderen Sehenswürdigkeiten (Shugakuin-Villa, Saginomori jinja, Manshu-in, Enko-ji, Nobotokean, Shisendo, Hachidai jinja und Konpuku-ji) besucht, ist es sinnvoll, hier in das Tagesprogramm einzusteigen und am Ende der Liste im Süden über den Bahnhof Ichijoji zurückzufahren.

Der Sekizan Zen-in besteht aus vielen Einzelgebäuden in einem weitläufigen Gelände, das man frei und ohne Eintritt durchstreifen kann. Der Tempel wird nicht oft von Touristen frequentiert; die Atmosphäre ist ruhig, offen und herzlich, alle Tempelhallen stehen dem Besucher offen. Die bunte Mischung aus Tempelhallen und Schreinen ist hier eine ganz spezielle (dazu unten mehr). Die Gebäude sind alle relativ neu, es sind keine außergewöhnlichen Kunstschätze zu sehen, aber insgesamt ist es ein sehr entspanntes Erlebnis eines lebendigen Tempels mit sehr viel authentischer Atmosphäre in schöner Natur. Das Herbstlaub ist hier besonders schön, und hier quillt es nicht so über vor Besuchern wie in anderen Tempeln.


Geschichte und Bedeutung
Der Sekizan Zen-in wurde im Jahr 888 auf Betreiben des Priesters Jikaku Daishi Ennin (794-864), dem 3. Zasu (Oberhaupt) der Tendai-Schule, vom Enryaku-ji auf dem Berg Hiei ausgehend gegründet. Damit ist der Sekizan Zen-in ein Tochtertempel desselben und gehört zur buddhistischen Tendai-Schule. Der Hintergrund dieser Tempelgründung ist die zehnjährige Chinareise des Priesters Ennin. Er dankte nach seiner Rückkehr nach Japan dem Gott Sekizan Daimyojin mit dem Bau des Tempels dafür, daß er ihn während seiner Reise beschützt hat. Er konnte den Tempel aber nicht mehr selbst erbauen, verpflichtete aber auf dem Sterbebett seine Anhänger: Das tat An-ne für ihn, das vierte Oberhaupt des Tendai-Buddhismus auf dem Berg Hiei, weshalb An-ne als eigentlicher Gründer des Sekizan Zen-in gilt. Die hier verehrte Hauptgottheit ist Sekizan Daimyojin. Die Idee dazu brachte Ennin aus China mit. Und das ist der Grund dafür, warum hier Shintoismus und Buddhismus eine besondere Symbiose eingehen.

Das bringt uns zu einem Exkurs über die fünf heiligen Berge des Daoismus in China. Im Grunde sind es nicht nur einzelne Berge, sondern ganze Gebirgsketten. Dazu gehören der Tai Shan in der Provinz Shandong, der Heng Shan in Hunan, der Heng Shan in Shanxi, der Song Shan in Henan und der Hua Shan in Shaanxi. Sie bilden einen Großen Mittleren Gipfel und einen für jede Himmelsrichtung und sind nach der Mythologie Kopf und Glieder des ersten Lebewesens auf der Erde, Pangu. Sie dürfen nicht verwechselt werden mit den vier heiligen Bergen des Buddhismus, dem Wutai Shan, dem Emei Shan, dem Jiuhua Shan und dem Putuo Shan. Der Tai Shan, hier relevant, gilt als berühmtester der fünf daoistischen Berge, und er ist der östliche Eckberg im am Quadrat orientierten chinesischen Weltbild. Ennin hielt sich im Jahre 838 bei seiner Reise im Tempel Sekizan Hokke-in (chin.: Ch'ih-shan Fa-hua Yuan) in der Provinz Shandong auf, im Gebiet des Tai shan, und danach ist der Tempel im Nordosten Kyotos benannt. Bei seinem Aufenthalt in jenem Kloster wählte er sich Sekizan Daimyojin als persönliche Schutzgottheit. Dahinter verbirgt sich als Vorbild der daoistische Gott Ch'ih-shan, der auf einem Gipfel des Gebirges verehrt wurde. Fa-hua bedeutet Lotus, jap. Hokke, und das deutet bereits die buddhistische Inkorporation des daoistischen Gottes an. Jedenfalls fühlte er sich bei der Seereise zurück nach Japan von seiner persönlichen Schutzgottheit bestens behütet und kam erfolgreich wieder in der Heimat an.

"Sekizan" bedeutet "Roter Berg", und "Sekizan Daimyojin" ist der "strahlende Gott des roten Berges". Der Gott wurde durch die Tendai-Schule als Beschützergott des Dharma adoptiert. Genau genommen wurde bereits 864 eine Meditationshalle für Sekizan Daimyojin erbaut, und diese wurde dann 888 nach Nishi-Sakamoto, wie man jenen Bereich im Nordosten von Kyoto am Fuß des Berges Hiei auch nannte, verlegt. Damit wurde dieser Tempel zum ersten Ort in Japan, an dem diese Schutzgottheit verehrt wurde. Wie sehr das ein persönlicher Gott von Ennin war, wird bei genauerem Hinsehen deutlich: Es gab zwar ein Vorbild im Tang-zeitlichen China, aber nicht wirklich diesen "Gott des roten Berges", ein funktionales Äquivalent zu dem Sekizan Daimyojin war in China unbekannt. Oder noch deutlicher: Dieser Gott in der in Japan verehrten Form ist eine Erfindung von Ennin. Warum? Zu jener Zeit war die Tendai-Schule tief gespalten, bis hin zur militärischen Auseinandersetzung, bei der man sich in späteren Jahrhunderten sogar gegenseitig die Tempel zerstörte: Es gab den Zweig auf dem Berg Hiei mit dem Enryaku-ji als Haupttempel, und es gab den anderen Zweig mit dem Miidera in Otsu als Haupttempel. Letzterer hatte die Schutzgottheit Shinra Myojin (die Geschichte mit Enchin und der Schiffsreise zurück von China ist sehr auffällig parallel), und nun zog Ennin als Vertreter des Enryaku-ji gleich und schuf eine eigene Schutzgottheit, um nicht gegen den Rivalen zurückzustehen, mit entsprechender Geschichte, die genau zu der anderen paßte - einfach zu parallel gestrickt, um Zufall zu sein.

Sekizan Daimyojin wird meistens in roter chinesischer Kleidung dargestellt, mit Pfeil und Bogen in den Händen und mit einer dreispitzigen Krone auf dem Kopf, so auch auf den Ema des Tempels. Im Laufe der Zeit floß die Gottheit, die wir in die Schublade "Shinto-Kami" stecken müssen, mit anderen Göttern zusammen. 1.) Der Buddhismus kennt das Konzept des "Honji suijaku", des buddhistischen Kerns eines Kami, was die Einstufung eines Kami als Manifestation eines buddhistischen Gottes erlaubt (gibt es übrigens auch invers). So können buddhistische Götter und shintoistische Kami miteinander harmonisiert werden, indem man in dem einen einen Wesenskern des anderen entdeckt. Und in Sekizan Daimyojin entdeckte man als Honji den Bodhisattva Jizo (Sanskrit: Kstigarbha). 2.) Sekizan Daimyojin floß zusammen mit der chinesischen Schutzgottheit Taizanfukun, ein daoistischer Gott des Tai Shan, und auch zu Mutou Tenjin und Gozu Tenno wurden die Grenzen fließend. Als Schutzgottheit fand er jedenfalls seinen Platz im Kult der "30 Schutzgötter" (San-juu-banshin), und dort ist er für den 25. Tag zuständig, nach Gion und vor Takebe.

Da der Tempel klar einen Bezug zum Berg Hiei hat, lohnt der Blick auf die andere Seite, denn der Berg wird von beiden Seiten jeweils von einer Schutzgottheit bewacht: So wie Sekizan Daimyojin die Westflanke des Berges schützt, so schützt der Hiyoshi Taisha mit O-anamuchi-no-kami im Westschrein und O-yamakui-no-kami im Ostschrein die Ostflanke. Nur daß das eine ein buddhistischer Tempel mit Shinto-Einflüssen ist, das andere ein Shinto-Schrein mit buddhistischen Einflüssen.

Der Tempel genoß seit jeher die Aufmerksamkeit des Kaiserhauses. Der zurückgetretene (aber nach wie vor aktive) Kaiser Go-mizuno-o (1596-1680), der an der kaiserlichen Villa Shugakuin aktiv baute, besuchte den Sekizan Zen-in und ließ seine Gebäude instand setzen, so wie auch andere Schreine in der Nachbarschaft seiner Villa. Er schenkte dem Tempel eine Kalligraphie mit dem Namen "Sekizan Daimyojin" von eigener Hand, Vorbild für die Tafel am Torii. Bis 1868 hieß die Glaubensstätte Sekizan Myojin, nach der Trennung zwischen Shintoismus udn Buddhismus wurde sie in Sekizan Zen-in umbenannt. 1885 wurde der Tempel dem Enryaku-ji direkt unterstellt. Auch heute noch wird der Tempel von der Bevölkerung als Schutzinstitution gegen Böses und schlechte Einflüsse aufgesucht. Am 5., 15., 25. und 28. Tag jedes Monats finden hier Andachten statt.

Am Tempel wird eine sehr harte asketische Praxis der Sennichi Kaiho ("eintausend Tage in den Bergen laufen") geübt, die Sekizan-Buße (Sekizan Kugyo): von hier zu Fuß rauf auf den Berg Hiei, wieder runter, da braucht man etwa 15 Stunden für. Und das besteht nicht nur aus Laufen entlang der vorgeschriebenen Route, sondern auch aus den ganzen Stops zum Gebet an allen Glaubensstätten am Wegesrand. Und am nächsten Tag nicht etwa ausruhen! Das macht man nämlich 100 Tage lang, eine der anstrengendsten asketischen Übungen, die mentale Disziplin mit physischer Disziplin paart. Und dieser Lauf ist nur ein Teil von mehreren Zyklen der "Marathon-Mönche", die bei vollständiger Ableistung fast einmal den Erdumfang geschafft haben. Erfunden wurde das vom Priester So-o, der damit an das Bergpilgern seines Lehrmeisters Ennin in China erinnern wollte. Die 1000 Tage Bergwandern werden über einen Zeitraum von sieben Jahren verteilt. Einer, der das komplett gemacht hat, war der Priester Utsumi Shunsho, und er gilt als der 45. Durchführende überhaupt. Er brauchte sechseinhalb Jahre für das komplette Programm. 2017 wurde das Programm von Kogen Kamahori absolviert, dem Oberpriester des Zenju-in in Otsu. Bis heute haben insgesamt 51 Personen diese Tortur ganz überstanden, seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahre 1571.

Weiterhin ist der Tempel eingebunden in einen Pilgerweg der sieben Glücksgötter von Kyoto (Miyako Shichifukujin), der nacheinander die Stätten der Shichifukujin (Ebisu-jin am Ebisu-Schrein in Higashiyama, Daikokuten am Myoen-ji, Bishamonten am To-ji, Benzaiten am Rokuharamitsu-ji, Fukurokuju-jin am Sekizan Zen-in, Juro-jin am Gyogan-ji südlich des kaiserlichen Hofgartens und Hotei-son am Manpuku-ji in Uji) aufsucht. Am Tempel begegnet uns Fukurokuju-jin, der Gott der Weisheit, des Wohlstandes und der Langlebigkeit, mit seinem charakteristisch überhohen, haarlosen, leicht phallisch wirkenden Kopf als Devotionalie. In diese Figürchen werden die Omikuji gesteckt, die nach dem Zufallsprinzip erworbenen Orakelzettelchen. Der Sekizan-Zen-in ist der älteste Tempel von diesen sieben Pilgerzielen. Die anderen Glücksgötter stehen als Statuen aufgereiht bei der Fukurokuju-Halle, so daß man hier gleich alle zusammen anbeten kann. Interessant ist die funktionale Parallelität zwischen Fukurokuju einerseits und Sekizan-Daimyojin andererseits: Beide sind Götter für Langlebigkeit und Wohlstand.

 

Abb. links: Goshuin des Sekizan Zen-in in Kyoto, rechte Spalte unten: Datum: 3.9.2019. Abb. rechts: Goshuin des Sekizan Zen-in, rechte Spalte unten: Datum: 3.9.2019.


Rundgang und Beschreibung
Das erste Torii zum Tempelbereich steht weitab im Westen, 200 m vor dem Tempel, noch im Wohngebiet. Hier führt ein Shinto-Torii aus grauem Beton zum Bereich eines buddhistischen Tempels, und das ist das erste Anzeichen einer hier vorzufindenden ganz, ganz engen Vermischung beider Religionen. Jedenfalls befinden wir uns am Torii, das nicht nur den Eingang zum Tempel, sondern zum ehemaligen Einzugsgebiet des Enryaku-ji markiert, noch 90 m vor Beginn des Waldes, in dem der Tempel liegt. Das kalligraphierte Schild oben am Torii benennt den hier verehrten Schutzgott: "Sekizan Daimyojin". Der Schriftzug ist eine Kopie der kaiserlichen Kalligraphie, im Original auf Papier und von Go-mizuno-o.

Am Waldeingang empfängt dann das Sanmon den Tempelbesucher, wie es sich gehört. Das Sanmon hat einen erhöhten Mittelteil mit Satteldach und beiderseits seitlich ein niedriges Seitenteil mit Nebenpforte. Hinten setzen im rechten Winkel zwei kurze Satteldächer an, um die offen stehenden Torflügel zu schützen (Typ Korai-mon). Schon hier fallen an den Dachziegelendstücken die Chrysanthemen-Motive auf. Ahorne (Kaede) flankieren den von niedrigen Steinmauern, bunten Fahnen und Steinlaternen im Moosteppich begleiteten Sando (Zuweg). Eine gigantisch große Steinlaterne ist linkerhand seitlich am Weg kurz hinter dem Sanmon zu bestaunen. Nach 100 m tritt man links nach einer Steintreppe in die Gebäudegruppe der Tempelbauten ein. Am Zuweg ist ein zähnefletschender Komainu, der im Handstand dargestellt wird, besonders putzig.

In der Mittelachse liegen von Süden nach Norden das Handwaschbecken (Chouzusha, Temizuya), das Tempelbüro und der Haiden, also die Anbetungshalle für den mit etwas Abstand dahinterliegenden Schrein (Honden). Der im Süden offene, aber seitlich geschlossene Haiden trägt ein rechteckiges Irimoya-Dach. Die kalligraphierte Tafel am Haiden lautet: "O-jo-omote-kimon", etwa "vorderes Dämonentor zum kaiserlichen Schloß". Das liegt an der Position des Tempels in Bezug zur Hauptstadt und zum Kaiserpalast: Dieser Tempel bewachte die Nordostecke der Stadt, und am hier befindlichen Geistertor Kimon mußte aufgepaßt werden, daß keine bösen Dämonen hereinkamen und die Bevölkerung bedrohten, denn der Nordosten galt als deren Einfallsrichtung.

Auf einem Dachfirst des Haiden sitzt eigentlich (zur Zeit des Besuchs 2019 Reparatur), unter einem Maschendrahtkäfig geschützt, mittig ein holzgeschnitzter Affe (Saru). Er hält einen Stab mit Zickzack-Papierstreifen (Gohei) und Glöckchenbaum (Suzu) zur magischen Abwehr von Übel in den Händen und wird so zum Helfer in der Abwehr von bösen Einflüssen. Denn beide, Gohei und Suzu werden von Priestern bei der Austreibung negativer Energien benutzt. Warum der Affe? "Saru" = Affe hat eine linguistische Nähe zum Wort für "nicht tun" - die bösen Dämonen sollen nämlich nichts tun, nicht in die Stadt hineinkommen, nicht die Menschen molestieren, nicht Übles anrichten. So wird der Affe zum Symbol für "nicht hinein kommen". Der Metallkäfig bewahrt davor, daß der Affe nachts abhaut und Streiche spielt, eine Erklärung, die sicher cum grano salis zu verstehen ist. Weitere Affen lassen sich auf dem Gelände finden. Es gibt hier ferner Ema, die den Affen mit beiden Instrumenten neben dem in rote chinesische Tracht gekleideten Hauptgott zeigen.

Der Honden (auch Shinden genannt) ist die eigentliche Haupthalle des Tempels, in der das Hauptkultbild aufbewahrt wird. Das wie ein Shinto-Schrein konzipierte Gebäude trägt ein Satteldach mit asymmetrisch nach Norden verschobenen First und einem rechteckig über die Treppe vorgezogenen Frontstück. Es ist reihum von einem Zaun umgeben, aber nicht so abgeschottet wie in Shinto-Schreinen üblich, so daß man den Honden aus der Nähe anschauen kann. Von Süden her betritt man den Bereich durch ein zinnoberrot gestrichenes Tor. Die Treppe hoch kann man jedoch nicht, und das Innere ist, wie bei Schreinen üblich, gänzlich tabu. Auf der vorderen Veranda sitzen zwei Komainu aus bemaltem Holz. Dieses Bauwerk ist ein einzigartiges Beispiel für den Synkretismus zwischen Shintoismus und Buddhismus. Früher war das weitaus üblicher, bevor in der Meiji-Zeit die Zwangstrennung zwischen beiden Religionen erfolgte. Hier hat es jedoch der Sekizan-Zen-in geschafft, seine beiden Aspekte nebeneinander zu bewahren.

Mächtige Bäume rahmen den Schrein ein, links ein frühblühender Prunus Kanzakura, rechts Ahornbäume (Kaede). Geht man am Schrein rechts vorbei, kommt man zum Ema kakesho. Geht man links am Schrein vorbei, trifft man auf eine Benzaiten-Halle (Benzaiten-do). Hinter dieser Halle stehen zwei Gruppen niedriger Steinfiguren, alle schön gehauen und malerisch mit Moos bewachsen, eine Idylle aus Volkskunst und Natur, die hier eine wunderbar malerische Symbiose eingehen. Die kleinere Gruppe stellt die Juurokurakan dar, die 16 Gefährten oder Schüler Buddhas (juu = 10, roku = 6, Rakan = Arhat = Gefährten). Beeindruckend ist vor allem die Vielfalt der lebendigen Darstellung mit individueller Mimik und Gestik. Die rechte Gruppe stellt jeweils den Bodhisattva der Barmherzigkeit dar, und allein schon die Anzahl 33 (die es sein sollen, aber nicht genau sind) verweist auf Kannon, entsprechend den 33 Formen in der Lotus-Sutra, die eigentlich besagt, daß der Bodhisattva der Barmherzigkeit viele verschiedene Formen annehmen kann, um den Menschen zu helfen. Man nennt die Gruppe Sanjuusankannon (san-juu = 30, san = 3, Kannon = Avalokiteshvara). Im Hintergrund der Figurengruppen wächst Bambuswald.

Damit sind wir bereits im linken (westlichen) Teil der Tempelgebäude angekommen, so daß wir uns jetzt ins südwestliche Eck wenden: Dort steht die Halle Honchi-do (Jizo-do), also die Jizo-Halle, deren Front auf den Haiden blickt und die ein Irimoya-Dach trägt, das über dem Eingang rechteckig nach vorne vorgezogen ist. Links (südlich) ist mit einem Korridor der Kuri angebunden, dessen Genkan (formeller Eingang) man nicht betreten kann. An diesen westlichen Gebäuden kann man die aufgehängten Pflanzenfasersandalen (Waraji) bewundern, typischerweise aus Reisstroh, Hanf oder Palmfasern angefertigt. Waren sie früher die Fußbekleidung des einfachen Volkes, werden sie heute noch von Mönchen benutzt, insbesondere von Pilgern. Es fällt auf, daß der Ansatzpunkt der Schnüre, der zwischen Groß- und Zeigezehe zu liegen kommt, sehr weit vorne liegt, also die Zehen beim Tragen leicht überstehen, das wird üblicherweise so getragen, auch wenn es uns als "zu kurz" erscheint. Hier stehen die Waraji für die Praxis des Sennichi Kaiho (s. o.), und die Sandalen wurden anschließend hier als Weihegabe aufgehängt.

Dann wechseln wir auf die andere Seite des Tempelgeländes, auf die Ostseite: Dort befindet sich nördlich einiger privater Gebäude die größte Halle des ganzen Tempels, der Unmo (Kirara) Fudo-do (Fudo-Halle). Sie ist zweiteilig aufgebaut, vorne auf dem schmaleren Teil ein Irimoya-Dach, hinten über dem breiteren Teil ein Pyramidendach. Das Hauptkultbild (Honzon) ist ein Fudo Myo-o (Acala). In den Schnitzereien am Gebäude finden sich die Tiere, die den "zwölf Erdenzweigen" und mehreren anderen Zyklen des chinesischen Kalenders zugeordnet sind. Auf der Veranda steht ein zweirädriger Wagen aus Holz mit einer vorsintflutlichen Wasserpumpe mit zwei Kolben und einem langen Doppelhebel. In der Nähe dieser Halle sind ein Enmei Jizo am Nordwesteck und ein Seki-butsu (Steinbuddha) am Nordosteck zu finden.

An vielen Gebäuden fallen die Dachziegel mit Päonienmotiven auf. Rote Papierlaternen dominieren an allen Gebäuden, nur der Haiden in der Mitte vor dem Schrein hat weiße Papierlaternen. An zwei Stellen gibt es eine Art Tor aus einer geschlossenen Kette aus dicken Holzperlen, wie ein buddhistischer Rosenkranz (Juzu, O-juzu), eine nirgends sonst gesehene Besonderheit, einmal am Eingang zur Umfriedung des Honden mit 58 Perlen, direkt vor dem Tor, und einmal freistehend in Eingangsnähe rechterhand, ebenfalls mit 58 Perlen. Der Perlenkranz ist jeweils in eine durchsichtige Kunststoffummantelung wetterfest verpackt. Auf den Perlen sind Sanskrit-Schriftzeichen eingeschnitten. Durch diese Ketten hindurchzugehen segnet den Besucher. Man kann sich auch etwas wünschen, wenn man durch das erste Tor geht, und solange an den Wunsch denken, bis man das zweite passiert, und wenn der Wunsch dann immer noch wichtig ist, um Erfüllung bitten. Am 23. November findet im Tempel regelmäßig das Juzu Kuyo-Ritual statt. Dabei werden nicht mehr gebrauchte Rosenkränze mit Respekt und Dankbarkeit bedacht und mit einer Gedenkveranstaltung in die ewige Ruhe verabschiedet.

Noch weiter nach Norden kommt man zu einem Gartenteich (Ike), an dessen linkem Ufer ein weiterer Steinbuddha steht (Seki-butsu). Hinter dem See befinden sich zwei Gebäude im Winkel zueinander, rechts das Goshuin-sho, das Büro, in dem man seine Pilgerstempel bekommt, links die Halle des Glücksgottes Fukurokuju-jin (Fukurokuju-do), einer der Sieben Glücksgötter der Stadt Kyoto  (Miyako-shichi-fukujin) und Ziel der Pilger, die die weiter oben beschriebene Reihe von Stätten aufsuchen (Miyako-Shichifukujin Mairi). Entsprechend ist das das Thema des Pilgerstempels, der auch eine kaiserliche Chrysantheme trägt. Es gibt auch große Blätter mit Bootsmotiv speziell für diese Pilgerreise zu allen sieben Glücksgöttern, deren Goshuin man dann alle auf einem einzigen Blatt sammeln kann. Vor dem Gebäude stehen linkerhand brauen Figuren der anderen Glücksgötter, links beginnend mit Ebisu, dann markant vor allem der große Daikukuten mit dem Holzhammer, rechts daneben Bishamonten mit der Pagode auf der erhobenen Handfläche. Rechts neben diesem ganz klein Benzaiten mit der Laute, die einzige weibliche Glücksgöttin. Und dann folgt wieder die charakteristische hohe Stirn des Fukurokuju-jin, zuletzt Juro-jin und der dicke fröhliche Hotei ganz rechts. Weiter hinten im Wald, schon wieder etwas zur Mitte hin, liegt noch ein kleiner Inari-Schrein (Inari-sha).

Wenn wir jetzt auf die ganz rechte Seite des Tempelgeländes wechseln, noch jenseits der zuvor  genannten Gebäude, finden wir noch im Wald etliche kleine Zweigschreine (z. B. Sumiyoshi Daimyojin, Kamo Daimyojin, Hirano Daimyojin, Nishinomiya Daimyojin, Matsuo Daimyojin, Kasuga Daimyojin, Hachiman Dai-bosatsu etc.). An dieser Seite grenzt das Tempelgelände bereits an die See- und Gartenlandschaft der Shugakuin-Villa.


Sanmon und Omote-Sando

 


Kuri


Haiden


Honchi-do (Jizo-do)


Benzaiten-do

   


Honden (Shinden)

 


Position auf Google Earth: https://www.google.de/maps/@35.0560716,135.8013456,19z - https://www.google.de/maps/@35.0559689,135.8015811,63m/data=!3m1!1e3
Eigene Webseite des Tempels:
http://www.sekizanzenin.com/ - http://www.sekizanzenin.com/english.html
auf Kyotofukoh:
https://kyotofukoh.jp/report200.html Geschichte des Sekizan Zen-in: http://www.quietmountain.org/dharmacenters/buddhadendo/sekizan.htm
auf Discover Kyoto:
https://www.discoverkyoto.com/places-go/sekizanzen-in/
auf Japanhoppers:
https://www.japanhoppers.com/de/kansai/kyoto/kanko/579/
auf Japan Visitor:
https://www.japanvisitor.com/japan-temples-shrines/sekizanzenin-temple
auf Japan Travel:
https://en.japantravel.com/kyoto/sekizan-zen-in-temple-kyoto/13139
bei Asano Noboru:
http://kyoto.asanoxn.com/places/shisendo_etc/sekizanzenin.htm
bei Japan Travel:
https://japantravel.navitime.com/en/area/jp/spot/02301-1301407/
auf Kyoto Project:
http://thekyotoproject.org/english/japanese-religions/
bei Damien Douxchamps:
https://damien.douxchamps.net/photo/japan/kyoto/hieizan/sekizanzenin/
auf Tale of Genji:
http://www.taleofgenji.org/sekizanzenin.html
Sieben Glücksgötter auf Kyoto Travel:
https://kyoto.travel/de/planyourvisit/seasonalcourse/20 Sieben Glücksgötter von Kyoto: http://miyako7.jp/
Ian Littlewood, Ayumi Oe Littlewood: Kyoto Without Crowds, A Guide to the City's Most Peaceful Temples and Gardens, 264 S., CreateSpace Independent Publishing Platform, 1. Auflage 2018, ISBN-10: 1978158998, ISBN-13: 978-1978158993, S. 73-75
Heilige Berge in China:
https://de.wikipedia.org/wiki/Heilige_Berge_in_China
Ennin:
https://en.wikipedia.org/wiki/Ennin
Kadoya Atsushi: Sekizan Myojin, in: Encyclopedia of Shinto
http://eos.kokugakuin.ac.jp/modules/xwords/entry.php?entryID=197
Neil McMullin: The Enryaku-ji and the Gion Shrine-Temple Complex in the Mid-Heian Period, Japanese Journal of Religious Studies 1987, 14, 2-3, S. 161-184, insbes. S. 181
https://nirc.nanzan-u.ac.jp/nfile/2352
Honji suijaku:
https://en.wikipedia.org/wiki/Honji_suijaku
Ito Satoshi: Sanjubanshin, in: Encyclopedia of Shinto
http://eos.kokugakuin.ac.jp/modules/xwords/entry.php?entryID=195


Sekizan Zen-in (2): Photos, 2. Teil

Andere Artikel über Japan lesen
Andere Länder-Essays lesen
Home

© Copyright bzw. Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2019
Impressum