Bernhard
Peter
Kyoto:
Myoken-ji, Teil (1): Beschreibung und 3 Haupthallen
Lage
und Erreichbarkeit
Der Myoken-ji (Myouken-ji) ist
ein Tempel im Stadtbezirk Kamigyo, im Bereich nordwestlich des
Kaiserpalastes und ca. 800 m Luftlinie von dessen Nordwesteck
entfernt, im Myokenjimaecho (Adresse: 514 Myokenjimaecho,
Kamigyo-ku, Kyoto-shi, Kyoto-fu). Im Süden wird er von der
Teranouchi Dori begrenzt. Die nächstgelegenen U-Bahnstationen
sind Imadegawa (1,3 km) und Kuramaguchi (1 km); von dort verkehrt
kein sinnvoller Bus. Alternativ kann man ab JR Hauptbahnhof Kyoto
Eki den Bus Nr. 9 nehmen, der die Horikawa Dori entlang fährt,
und an der Haltestelle Horikawa teranouchi aussteigen, von dort
sind es aber ebenfalls 10 min. zu Fuß in Richtung Osten, und der
Bus braucht insgesamt 10-12 min. länger als die U-Bahn. Der
wenig touristische, abseits der üblichen Besucher-Routen
liegende Tempel bietet Unterkunftsmöglichkeiten in seiner
Tempelherberge, aber nur für Frauen, wenige Einzelzimmer bei
Vorabreservierung, alternativ im großen Saal, schlichte Zimmer
ohne Fernsehen etc., aber mit Blick auf den Garten, ohne
Verpflegung. Auf dem Gelände stehen sehr viele Kirschbäume, und
weil er unter Touristen recht unbekannt ist, wäre das ein Ort,
um die Kirschblüte abseits der Massen in Ruhe zu genießen. Es
ist ein weitläufiger und schöner Tempel, den man sehr entspannt
genießen kann. Das Gelände kostet keinen Eintritt. Den inneren
Bereich mit dem Hojo betritt man am Kuri, ab dort ist die
Besichtigung eintrittspflichtig, und von Norden her kommt man
auch ins Innere der Haupthalle (sehr sehenswert).
Geschichte
und Bedeutung
Der Tempel Myoken-ji wurde 1321 von Nichizo Shonin (Nichizou
Shounin, 1269-1342) gegründet. Vom Namen her bezieht sich der
Tempel auf Myoken Bosatsu (eine Vergöttlichung des Polarsterns,
Sanskrit: Sudrsti), der im Nichiren-Buddhismus eine besondere
Rolle spielt. Besondere Förderung erfuhr der Tempel 1334 durch
Kaiser Go-Daigo. Aber keines der Gebäude stammt aus dieser Zeit,
und der erste Tempel stand ganz woanders, in der Nähe von
Nishitoin Nijo. Mehrere Male zog er um, ebenso und noch öfter
wurden die Gebäude erneuert. Den heutigen Standort bekam der
Tempel 1593 unter Toyotomi Hideyoshi zugewiesen. Der vorletzte
Tempel dieses Namens und dieser Tradition brannte 1788 während
des großen Tenmei-Feuers ab. Im Jahre 1834 baute man in der
gegenwärtigen Form wieder auf, und diese Gebäude sind es, die
wir heute sehen.
Der Myoken-ji ist ein Haupttempel einer eigenen buddhistischen Lehrrichtung, des Nichiren-Buddhismus, und er ist der älteste Tempel dieser Richtung in Kyoto. Der Gründer der Schule war Nichiren (1222-1282, wörtlich "Sonnen-Lotus"), ein ursprünglich im Tendai-Buddhismus beheimateter Reformer, der sehr stark auf der Lotus-Sutra fokussierte und darin den Kern der buddhistischen Lehre sah. Als Zeitpunkt der eigentlichen Deklaration seiner neuen Lehre gilt das Jahr 1253, und seitdem wählte der ehemalige Zennichimaro (Kinder-Name), der ehemalige Zeshou-bou Renchou (Priester-Name) den neuen Namen Nichiren. Er legte sich mit seinen Lehren mit der Staatsgewalt an und wurde für drei Jahre auf eine Insel verbannt. Seit 1274 lebte er auf dem Berg Minobu in selbstgewählter Einsamkeit. Durch seine Schriften formte er die Lehre, die von seinen Schülern in zwei Hauptrichtungen, Nichiren-shu und Nichiren-Shoshu, weitergeführt wurde. Diese Schüler, allen voran Nisshou, Nichirou, Nikkou, Nikou, Nichiji und Nitchou, waren es, die eigene Schulen gründeten, was ihr Meister sein Leben lang unterlassen hatte. Daraus entwickelten sich bis heute ca. 40 verschiedene Richtungen. Der Gründer des Myoken-ji, Nichizo, gehörte nicht zu den vorerwähnten sechs auserwählten Schülern, sondern zu einer Gruppe von neun auserwählten Schülern des Nichiro (Nichirou, 1245-1320, lebte im Tempel Ikegami Honmon-ji), steht also in der nächsten Generation der Schüler. Das Verdienst des Nichizo war es, daß der Nichiren-Buddhismus mit der Tempelgründung die offizielle Anerkennung durch den Kaiser erhielt.
Insgesamt gibt es 16 Nichiren-Haupttempel in Kyoto. Der Myoken-ji bildet zusammen mit dem Ryuhon-ji (1,8 km im Südwesten gelegen) und dem Myokaku-ji (150 m nach Nordnordwest, berühmtes Eingangstor) eine Triade, genannt Sangusokuzan, die drei Gusoku-zan, die "drei Tempel (= "Berge") des Nichizo".
Abb.: sehr aufwendig kalligraphiertes Goshuin des Myoken-ji, rechte Spalte: Datum: 4.9.2019.
Rundgang
und Beschreibung
Wenn man die Parzelle von 130
m Breite und 220 m Tiefe von Süden, also von der Teranouchi Dori
aus betritt, sieht man zunächst zwei Tore nebeneinander vom Typ
eines Korai-mon. Das linke, kleinere Tor (Ko-mon) führt zu einem
Parkplatz. Das größere Tor, für das die Abschlußmauer
rechteckig eingezogen ist, ist das San-mon (Berg-Tor) oder
Dai-mon (großes Tor), und durch dieses führt ein Plattenweg als
Hauptzugang (Sando) zum Tempelinneren. Der Weg wird von
Baumreihen gesäumt, hinter denen Mauern die beiden Parkplätze
rechts und links des Sando abschirmen. An der ersten Verzweigung
des Weges liegt linkerhand im Westen der Glockenturm (Shoro).
Rechterhand liegt zunächst die San-bosatsu-do (Drei-Bodhisattva-Halle). Nördlich davon steht eine etwas kleinere und gegenüber ersterer zurückgesetzte Halle (Sonshin-do, für eine Wächtergottheit). Beide Hallen sind mit einer leicht nah oben gebogenen Holzbrücke verbunden. Hinter der Halle San-bosatsu-do folgen in linearer Ausrichtung nach Osten zwei weitere Gebäude (O-ma-kotsu-do, zweistöckig, und No-kotsu-do, Unterteil wie eine Stupa gebaut). Vom Sonshin-do auf führt ein abknickender Korridor mit gerader Brücke auf duie Veranda der Haupthalle. Wieder zurück zum Hauptweg: Geradeaus geht es zur Haupthalle (Hondo), in der sich lebensgroße Figuren von Nichiren, Nichiro und Nichizo befinden, also vom Gründer, Schüler und Schülerschüler des Nichiren-Buddhismus. Als diese Bauten konzipiert wurden, trat die Verehrung von Shaka Nyorai gegenüber derjenigen der Nichiren-Gründer in den Hintergrund, und die den Gründern gewidmete Halle hat die Funktion der Haupthalle übernommen. Etwas ganz Besonderes ist die Decke in der Haupthalle: Sie ist als Kassettendecke gestaltet, und jede Füllung ist mit einem Wappen (Kamon) geschmückt. Liebhaber japanischer Heraldik kommen hier voll auf ihre Kosten (Photographierverbot in der ganzen Haupthalle). Vor der Haupthalle steht jeweils rechts und links ein besonderer Typ von Steinlaterne, der mit seinen beiden Öffnungen nebeneinander unter dem steinernen Dach in Irimoya-Form ein bißchen an einen Schornsteinaufsatz erinnert, dieser Typ wird Myoken-ji-doro genannt. Zwischen diesen beiden steht ein weiteres Paar von Steinlaternen auf sehr hohem Schaft von achteckigem Querschnitt. Im Nordosten der Haupthalle steht eine steinerne Pagode, der Jufuku-in-to mit zehn Dachebenen.
An die Haupthalle im Norden angesetzt ist ein überdachter Korridor, der zu den rückwärtigen Gebäuden führt. An diesen ist, sich nach Westen hin öffnend, der Dai-Genkan angebaut, der große formelle Eingang. Eine Abzweigung des Plattenweges führt links im Westen an der Haupthalle vorbei nach hinten. Darüber gelangt man am Dai-Genkan vorbei zum Kuri, dem westlichen der beiden großen Gebäude im Norden des Hondo.
Das östliche der beiden großen Gebäude ist der Hojo (Abtsresidenz) oder auch Dai kyakuden (das große Gästehaus), dessen im Osten und Süden ummauerter Garten (Ryuuge hishou no niwa oder Shikai-shoudou no niwa) im Süden ein Chokushi-mon besitzt, ein Tor für die kaiserlichen Gesandten, deutlich gekennzeichnet mit dem goldenen Chrysanthemen-Motiv auf den Gittern der Torflügel. Der Begriff Shikai-shodo (Shikai-shoudou) bedeutet, die Menschen zur Lehre der Lotus-Sutra hinzuführen. Die Gäste und Besucher sollten auf angenehmste Weise durch Genießen des Gartens erfreut und an die Lehre herangeführt werden. Kuri und Hojo sind durch zwei Korridore miteinander verbunden. Nördlich davon befindet sich mittig gestellt ein Shoin, der je einen Verbindungskorridor zum Kuri und einen zum Hojo besitzt. Dazwischen liegt ein kleiner Innenhofgarten (Tsubo niwa) mit Moos und Bambushain (Chikurin).
Bis zur nördlich die Parzelle begrenzenden Straße folgen weitere Gebäude und Gärten, darunter der große, den nördlichen Querabschluß bildende Oku-shoin (rückwärtiger Shoin) und das Homotsuden (Schatzhaus) im Nordosteck, letztere den Garten Korin kyoku mizu no niwa einschließend.
Subtempel
Innerhalb dieser rechteckigen
Parzelle haben noch drei Subtempel ihren Platz gefunden, auf der
Ostseite von Süden nach Norden sind das der Senmyo-in, der
Hoon-in und der Zengyo-in (Zenko-in). Der nicht für den
Publikumsverkehr offene Senmyo-in ist separat ummauert mit seinem
Zugangstor in der Südwestecke. Direkt nördlich davon steht ein
Gebäude der Energieversorgung wie ein Betonbunker. Die
eigentlichen Tempelgebäude sind modern; die Anlage ist insgesamt
schmucklos und wenig schön; durch das Tor erkennt man nur ein
paar Grabstelen und Steinlaternen, ohne erkennbaren
künstlerischen Plan aufgestellt. Dennoch soll erwähnt werden,
daß hier zwei berühmte Menschen begraben liegen, die Brüder
Ogata Korin (1658-1716, bedeutender Maler der Edo-Zeit) und Ogata
Kenzan (1663-1743, Keramik-Künstler, Dichter und Kalligraph). Im
Haupttempel befinden sich Werke von ihnen beiden. Der kleine
Hoon-in ist östlich des Hondo des Haupttempels zu finden, im
Norden und im Süden von Parkplätzen begleitet. Auch der
Zengyo-in (Zenko-in) östlich des Hojo ist wenig attraktiv,
modern-funktional und mit extrem wenigen Grünanlagen.
Nördlich des Haupttempels befinden sich jenseits der Straße zwei Subtempel, westlich der Jissei-in und östlich der Kyoho-in. Auf der Westseite sind vier Subtempel zu finden, von Süden nach Norden der moderne Kuhon-in, dann nördlich der Omotesenke-Teezeremoniehalle dicht aufeinander folgend der Jujo-in (Juujou-in), der Onmei-in und der Honmyo-in, so daß die Anzahl der Subtempel insgesamt 9 beträgt. Im Nordwesteck befindet sich ein ausgedehnter Friedhof.
Haupthalle von Süden
links Sonshin-do, rechts San-bosatsu-do, Ansicht von Südwesten
San-bosatsu-do, Ansicht von Westen
links Sonshin-do, rechts San-bosatsu-do, Ansicht von Südwesten
San-bosatsu-do, Ansicht von Nordwesten
San-bosatsu-do, Ansicht von Nordwesten
Sonshin-do, Ansicht von Südwesten
Sonshin-do, Ansicht von Südwesten
Brücke zwischen Sanbosatsu-do links und Sonshin-do rechts, von Osten gesehen
Haupthalle von Südosten gesehen
einzigartige Formen bei den Steinlaternen vor der Haupthalle
Brücke zwischen Haupthalle links und Sonshin-do rechts
Südostecke der Haupthalle
Blick vom Sonshin-do auf den Sanbosatsu-do
Haupthalle von Südosten gesehen
Veranda auf der Westseite des Sonshin-do, von Süden gesehen. Im Hintergrund Übergang zur Haupthalle.
Blick vom Sonshin-do auf den Sanbosatsu-do
Übergang vom Sonshin-do zur Haupthalle, Blick von Südosten
Veranda des Sonshin-do, Blick nach Süden
Übergang vom Sonshin-do zur Haupthalle, Blick nach Westen
Blick von der Haupthalle auf Sonshin-do links und San-bosatsu-do rechts
Frontveranda der Haupthalle, Südseite, Blick von Osten nach Westen
Blick von der Haupthalle auf den Übergangskorridor zum Sonshin-do, im Hintergrund rechts San-bosatsu-do
Blick von der Haupthalle über die Steinlaternen hinweg auf den San-bosatsu-do
Frontveranda der Haupthalle, Südseite, Blick von Südwesten
Frontveranda der Haupthalle, Südseite, Blick von Südwesten, im Hintergrund rechts San-bosatsu-do
Blick von der Nord-Veranda der Haupthalle auf die Brücke zum Hojo, Blick von Südwesten
Blick vom Nordosteck der Haupthalle auf den ummauerten Gartenbereich, hinten Brücke zum Sonshin-do
Ostseite der Haupthalle
Sanbosatsu-do von Nordwesten
Haupthalle von Süden
Rückseite der Haupthalle, Nordseite, Brücken-Anbindung an den Hojo-Bereich rechts
Nordostecke der Haupthalle
San-bosatsu-do von Westen
kalligraphierte Schrifttafel an der Haupthalle, innere Zone
kalligraphierte Schrifttafel an der Haupthalle, äußere Zone
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@35.0345543,135.75478,18.75z - https://www.google.de/maps/@35.0346358,135.7548217,219m/data=!3m1!1e3
Webseite Shikaishodo: http://www.shikaishodo.com/index.html
Webseite des Myoken-ji: https://www.shikaishodo-myokenji.org/
Myoken-ji auf Wikipedia: https://ja.wikipedia.org/wiki/%E5%A6%99%E9%A1%95%E5%AF%BA
Myoken-ji auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report272.html
Myoken-ji: https://temple.nichiren.or.jp/5011001-myokenji/
Senmyo-in auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report350.html
Zenko-in auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report1215.html
Myoken-ji auf Happy Travelling: http://happy-travelling.com/shop/myoken-ji-temple/
Myoken-ji auf Samurai Archives: https://wiki.samurai-archives.com/index.php?title=Myoken-ji
Ogata Korin: https://wiki.samurai-archives.com/index.php?title=Ogata_Korin
Ogata Kenzan: https://wiki.samurai-archives.com/index.php?title=Ogata_Kenzan
Nichiren: https://de.wikipedia.org/wiki/Nichiren - https://en.wikipedia.org/wiki/Nichiren
Nichiren-Buddhismus: https://de.wikipedia.org/wiki/Nichiren-Buddhismus
Nichizo: https://en.wikipedia.org/wiki/Nichiz%C5%8D
Bernhard Scheid: Religion-in-Japan: Ein Web-Handbuch. Universität Wien, seit 2001. Kapitel über den
Nichiren-Buddhismus: https://www.univie.ac.at/rel_jap/an/Geschichte/Nichiren
Myoken-ji, Teil (2): Photos 2. Teil
Andere Artikel über Japan lesen
Andere Länder-Essays lesen
Home
©
Copyright bzw. Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard
Peter 2018, 2019, alle Photos 2019
Impressum