Bernhard
Peter
Kyoto,
Hokongo-in
Lage und
Erreichbarkeit
Der Hokongo-in (Hou-kongou-in) ist ein Tempel im Nordwesten der
Stadt Kyoto, im Stadtbezirk Ukyo und neben dem Hügel Narabigaoka
im Stadtteil Hanazono gelegen (Adresse: 49 Hanazono Oginocho,
Ukyo-ku, Kyoto City, Kyoto, 616-8044, Japan). Man erreicht den
Tempel am bequemsten ab Hauptbahnhof mit der JR Sagano Line,
Ausstieg am Bahnhof Hanazono (4. Halt ab Hauptbahnhof), direkt
schräg gegenüber dem Eingang gelegen. Für JR-Paß-Inhaber ist
das die sinnvollste Anreise; alle anderen Möglichkeiten kosten.
Eine Bushaltestelle befindet sich an der Maruta-machi Dori direkt
neben dem Eingang. Für die Tagesplanung bietet sich eine
Kombination mit dem nahen Myoshin-ji an, und in der anderen
Richtung mit dem Koryu-ji.
Der Tempel ist nicht überlaufen, trotz der guten Verkehrsanbindung. Im Gegenteil, die Massen kommen nicht hierhin, noch nicht einmal zum Myoshin-ji, und hierhin erst recht nicht. Die Gebäude sind nichts Besonderes. Der Tempel selbst ist eher zweiter Klasse, man kann ihn aber wegen weniger Touristen in Ruhe genießen. Im September jedenfalls konnte man das Tempelgelände als einziger Besucher völlig alleine durchstreifen, sich so viel Zeit nehmen, wie man wollte, und völlig ungestört die Atmosphäre genießen. Man hatte auch den Eindruck, daß man sich gerade etwas wenig um den Tempel kümmert. Beides mag zur Blütezeit des Lotus oder den saisonalen Höhepunkten des Japan-Tourismus anders sein. Der größte Schatz des Tempels ist sein weitläufiger Garten im Stil der Heian-Zeit, wo man in der Millionenstadt auch schon mal Reiher beobachten kann. Zum anderen besitzt der Tempel eine beeindruckende Statuensammlung (keine Photographieerlaubnis), mit zwar wenigen, aber hochkarätigen Exponaten. Beides zusammen macht den Besuch lohnend, auch wenn die nahe Hauptverkehrsstraße die Idylle akustisch beeinträchtigt.
Geschichte
und Bedeutung
Der Tempel hat sich aus einer Residenz entwickelt und war
ursprünglich ein Heian-zeitlicher Landsitz von Kiyohara no
Natsuno (782-837), einem Abkömmling des kaiserlichen Hauses,
seinerzeit Jurist, Hofbeamter und Minister zur Rechten (Udaijin),
dazu einer der Autoren des Regelwerks "Ryo no gige" im
Jahre 833. Nach seinem Tod 837 wurde die Residenz in einen Tempel
umgewandelt. Der damalige Name war Narabigaoka-dera. In den 850er
Jahren baute Kaiser Montoku den Tempel zu einem richtigen Kloster
aus und nannte ihn fortan Tennan-ji, nach seiner letzten
Regierungsdevise. In der mittleren Heian-Zeit verfiel der Tempel.
Fujiwara no Tamako, die Frau des zurückgetretenen Kaisers Toba, auch bekannt unter dem Namen Taikenmon-in, richtete den mittlerweile verfallenen Tempel um 1130 wieder her. Damals erhielt erden neuen und bis jetzt gültigen Namen Hokongo-in. Da sie die Mutter des regierenden Kaisers war, wurde der Tempel unterstützt und wohlhabend. Das Tempelgelände wurde im Osten und im Westen von zwei Bächen begrenzt und im Norden vom Hügel Goizan oder Narabigaoka. Taikenmon-in legte im nördlichen Gartenteil den See an und am Übergang zwischen Gartenbereich und Hügelbereich den Wasserfall Seijo-Taki, Wasserfall der Göttin für Schnee und Frost, oder auch Ao-onna-no-taki genannt. Im Westen des Sees satand die Haupthalle (Nishi-mi-do, westliche Haupthalle), und hierfür wurde die Amida-Figur geschaffen, die heute noch im Tempel gezeigt wird, auch wenn das ursprüngliche Gebäude nicht mehr existiert. Im Süden dieser Halle lag eine Nerun-Amida-Halle, wobei die neun Figuren die neun Stufen der Wiedergeburt in Amidas Paradies kennzeichnen. Im Osten des damaligen Tempelgeländes lag die Residenz von Taikenmon-in, Nyonin-gosho benannt, Frauenpalast. Dieser Teil war im damals üblichen Stil Shinden-zukuri erbaut worden. Man brauchte 11 Jahre, um Palast und Tempel fertigzustellen. In der späten Heian-Zeit wurde der Hokongo-in zum Zentrum des Amida-Kults für die Oberschicht. Der Kult erfreute sich großer Beliebtheit, weil er versprach, den Zyklus der Wiedergeburt zu entrinnen, indem man direkt in Amidas Paradies wiedergeboren wurde. Die landschaftliche Schönheit des Gartens trug erheblich zur Beliebtheit des Tempels bei und war oft Gegenstand poetischer Verherrlichung. Taikenmon-in wurde 1142 vollständig Nonne und zog sich ganz zurück, nun unter dem Namen Shinnyoho. Sie starb nur drei Jahre später und wurde auf dem Goizan begraben. Ihre Tochter Josaimon-in folgte ihr als Äbtissin nach und ließ 1171 eine zweite Amida-Halle an der Ostseite des Sees erbauen. Nach ihrem Tod wurde sie zusammen mit ihrer Mutter auf dem Hügel Narabigaoka bestattet.
In der frühen Kamakura-Zeit verfiel der Tempel wieder einmal. Im Jahre 1276 wurde er wiederhergestellt, diesmal vom Mönch Do-o, auch unter dem Namen Enkaku Juman Shonin bekannt. Er kam aus dem Toshodai-ji in Nara, dem damaligen Haupttempel der Ritsu-Schule des Buddhismus. Der Name Juman bezieht sich darauf, daß er angeblich 100000 Menschen zu seinem Glauben bekehrt haben soll, ju = 10, ichiman = man = 10000, also 10 x 10000 = 100000. Chokai fertigte in dieser Zeit im Jahre 1313 eine elfköpfige Kannon an, die heute noch existiert. Unter dem Ashikaga-Shogunat wurde der Hokongo-in ab 1341 ein Familientempel. Der Onin-Krieg ließ davon nur rauchende Trümmer übrig. Im Jahre 1573 zerstörte ein Erdbeben das bereits Wiederaufgebaute. Erst 1617 interessierte sich Shochin vom Tempel Sennyu-ji für die Stelle und baute den Tempel wieder auf; eine neue Haupthalle wurde errichtet, das ist die gegenwärtige.
Als 1899 die Eisenbahnlinie gebaut wurde, wurde das Tempelgelände entzweigeschnitten; der südliche Teil ging in der Folgezeit verloren. Tiefgreifende Änderungen gab es 1937/1939, als die Maruta-machi Dori angelegt, und später noch einmal, als sie verbreitert wurde. Dafür wurde der Tempelgrund beschnitten, und einige Gebäude mußten versetzt werden. Deshalb stehen z. B. jetzt Tor und Glockenturm unmittelbar nebeneinander, weil in der Längsachse die Gebäude zusammenrücken mußten. Auch der Jizo-in wurde 1968 verlegt. Im Zuge dieser Umgestaltung wurden etliche Gebäude erneuert. 1968-1971 wurde der Garten restauriert.
Der Bergname (San-go, san = Berg, go = Titel) des Tempels lautet Goi-san. In religiöser Hinsicht gehört der Tempel seit 1276 bis heute zur 753 in Japan eingeführten Ritsu-Schule (Ritsu-shu = Risshu, Ritsu = Verhaltensregeln), eine der sechs buddhistischen Schulen, die sich in Japan während der Nara-Zeit entwickelt hatten.
Struktur
der Anlage und Beschreibung
Der Zugang erfolgt von Süden
an der Maruta-machi Dori durch das Omote-mon. Unmittelbar hinter
diesem steht links des Zuweges der Glockenturm (Shoro) mit
Satteldach. Er ist zierlich und niedriger als das Tor. Ein Stück
weiter nach Norden steht nördlich des Weges der große
Sutrenspeicher (Kyozo), ein modernes, verputztes Gebäude auf
quadratischem Grundriß mit Pyramidendach. Westlich von diesem
führt der Weg durch das mittlere Tor (Chu-mon) am Empfang und
Tempelbüro vorbei weiter nach Norden zum Kuri (Küchen- und
Wirtschaftsbau), an den rechterhand im Osten der Shoin angrenzt,
an den zum Garten ein geschwungenes Vordach angebaut ist. Im
Westen des Kuri befindet sich eine Teestube (Chashitsu). Zwischen
Kuri und Shoin führt ein gedeckter Korridor weiter nach Norden,
wo sich im Osten der Raido (Hondo) mit Tsuridono an seiner
Nordseite und im Westen der Butsuden (Shuzoko) befinden; von
letzterem führt noch ein Korridor nach Norden weiter zu einem
letzten Gebäude der Baugruppe.
In den Räumen des Tempels gibt es etliche Statuen, Malereien und kunsthandwerkliche Erzeugnisse. Das Hauptbild des Tempels ist eine sitzende Amitabha-Figur (Amida Nyorai, Amitabha Tathagata, wichtiges Kulturgut) in der Haupthalle. Die auf ca. 1150 datierte und damit aus der späten Heian-Zeit stammende Figur wurde von Inkaku geschnitzt und signiert, einem Schüler von Injo, dem Gründer der Inpa-Schule. Die Figur ist ca. 2,24 m hoch und wird als "Mokuzo amida nyorai zazo" bezeichnet. Diese Figur ist eine von drei Amida-Figuren der Heian-Zeit in der Gegend von Kyoto, die beiden anderen stehen im Byodo-in in Uji und im Hokkai-ji im südlichen Yamashina.
Weiterhin wird hier eine phantastisch erhaltene, immerhin über 800 Jahre alte elfköpfige Kannon (Juichimen Kannon) verehrt. Die Figur besitzt vier Arme. Auch sie ist als wichtiges Kulturgut eingestuft. Sie wurde 1316 hergestellt. Als Meister gelten Inen, Kakushun und Inkitsu - ihre Namen hat man auf den Dukomenten im Inneren gefunden. Der Schrein für die Figur besitzt Malereien der Ju-ni-ten (12 Götter) und der 33 Erscheinungsformen von Kannon.
Eine Statue des Bodhisattva Manjusri (Bodhisattva der Weisheit) in Gestalt eines Mönches (seltene Darstellungsform) ist ebenfalls ein wichtiges Kulturgut. Sie wird als Sogyo Monju Bosatsu bezeichnet. Die Figur ist aus einem einzigen Holzblock geschnitzt. Ein aus der mittleren Heian-Zeit stammender Jizo Bosatsu (Bodhisattva Kshitigarbha) in Gestalt eines jungen Mönches ist ein weiteres wichtiges Kulturgut. Die Figur ist aus einem einzigen Holzblock geschnitzt. Aus der Heian-Zeit stammt ferner eione Figur des Fudo-myo-o. Aus der Kamakura-Zeit stammt eine Figur des Enkaku Shonin, angeblich ein Selbstportrait, und mit einer Kalligrahie von des Priesters eigenen Hand versehen.
Den östlichen Teil des Tempelgeländes nimmt der Garten ein, in dessen Zentrum der Gartenteich (En-chi) liegt. In ihm finden wir klassische Gestaltungselemente wie Schildkröteninsel (Kamejima) und Kranichinsel (Tsurushima), die beide von der Südseite des Teiches aus mit Steinbrücken nacheinander erreichbar sind. Besonders attraktiv ist der Garten im Juli, weil hier ca. 90 verschiedene Lotus-Sorten kultiviert werden. Der Lotus bedeckt quasi die gesamte Oberfläche des Seen, so daß man die Inseln mit etwas Mühe suchen muß. Und überall stehen Töpfe mit Sumpfwasser herum, in denen kleine Lotuspflanzen in mehr oder weniger alltraktivem Zustand gedeihen, so daß das Vorfeld der Tempelgebäude manchmal an eine Gärtnerei erinnern. Im Norden des Sees befindet sich der Wasserfall Ao-onna-no-taki, der älteste künstliche Wasserfall des Landes. Er stammt noch aus der Mitte des 12. Jh. und wurde erst 1968 wiederentdeckt. Das Wasser stürzt über zwei Steinhöhen hinab und bildet einen kleinen Bach, der seinen Weg zum Lotusteich sucht. Deshalb ist der ganze Garten auch als Stätte besonderer landschaftlicher Schönheit klassifiziert. Natürlich hat keine einzige der restlichen Gartenanlagen 1200 Jahre bis heute überdauert. Aber es gibt historische Beschreibungen und alte Gemälde, die das damalige Aussehen überliefern. Die Anlagen sind vor wenigen Jahrzenten vom Gartenarchäologen Osamu Mori (1905-1988) restauriert worden, von einem Fachmann, der sich auf die Wiederherstellung alter Anlagen spezialisiert hatte, und der hier das Heian-zeitliche Aussehen des Gartens wiedererschuf, so daß er heute wieder das ästhetische Prinzip "Miyabi" ausstrahlt, eine natürliche Eleganz in all seinen Details. Im Norden befindet sich ein Hügel, der zu einem ehemaligen Kofun-Grab gehört, dem San-no-oka Kofun. An seinen Hängen sind Jizo-Figuren und Gräber zu finden.
Omote-mon
neuer Kyozo
Chu-mon, mittleres Tor
links Kuri, rechts Shoin
Shoin
Shoin mit Genkan
Genkan
Raido (Hondo)
Shoin mit Genkan
Raido (Hondo). Im Hintergrund der Butsu-den.
Shoin mit Genkan
Raido (Hondo)
Genkan des Shoin
Raido (Hondo), dahinter links die Dächer des Butsuden
Lotus im südlichen Gartenbereich
Lotus im nördlichen Gartenbereich
Wasserfall Ao-onna-no-taki
nördlicher Gartenbereich
Jizo-Figuren im nördlichen Gartenbereich am Fuße des Hügels
Jizo-Figuren im nördlichen Gartenbereich am Fuße des Hügels
Shoin mit Genkan
Lotus im Gartenteich (En-chi)
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@35.0192192,135.7162579,18.75z - https://www.google.de/maps/@35.0191187,135.7160052,89m/data=!3m1!1e3
Webseite des Tempels: http://houkongouin.com/
auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report615.html
Ian Littlewood, Ayumi Oe Littlewood: Kyoto Without Crowds, A
Guide to the City's Most Peaceful Temples and Gardens, 264 S.,
CreateSpace Independent Publishing Platform, 1. Auflage 2018,
ISBN-10: 1978158998, ISBN-13: 978-1978158993, S. 54-55
auf Tale of Genji: http://www.taleofgenji.org/hokongoin.html
auf Travel Navitime: https://travel.navitime.com/en/area/jp/spot/02301-1700261/
auf Japan Travel: https://en.japantravel.com/kyoto/temple-hokongo-in/34785
auf Happy Travelling: http://happy-travelling.com/shop/hokongo-in-temple/
bei Asano Noboru: http://kyoto.asanoxn.com/places/hanazono/hokongoin.htm
Judith Clancy, Ben Simmons: Kyoto Gardens - Masterworks of the
Japanese Gardener's Art, 144 S., Verlag: Tuttle Shokai Inc. 2015,
ISBN-10: 4805313218, ISBN-13: 978-4805313213, S. 110-113
Bei Damien Douxchamps: https://damien.douxchamps.net/photo/japan/kansai/kyoto/west/hokongo-in/
Besucherfaltblatt des Tempels
Andere Artikel über Japan lesen
Andere Länder-Essays lesen
Home
©
Copyright bzw. Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard
Peter 2018
Impressum