Bernhard Peter
Kyoto, Shobo-ji (Shoho-ji)


Lage und Erreichbarkeit
Der Shobo-ji (Shoubou-ji, auch: Shoho-ji, Shouhou-ji) ist ein Tempel im äußersten Südwesten der Stadt Kyoto, im Stadtbezirk Nishikyo und im Stadtteil Oharano, auf einem Hügel direkt östlich neben der in diesem Bereich eingetunnelten Schnellstraße Tanba-Ayabe gelegen (Adresse: 1102, Oharano Minamikasugacho, Nishikyo-ku, Kyoto-shi, Kyoto, 610-1153, Japan). Die nächsten Bahnhöfe liegen weit ab, es sind die Stationen Rakusaiguchi und Higashimuko der Hankyo Kyoto Line bzw. Katsuragawa und Mukomachi der JR Tokaido Main Line. Je nach Bahnhof liegt der Tempel 4,0-5,0 km Luftlinie entfernt im Westen; mit allen Straßenecken wären es um die 5,5 km. Deshalb nimmt man den Bus bis zur Haltestelle Minami Kasugacho, und von dort sind es noch einmal 15 min. zu Fuß bis zum eigentlichen Tempel. Wer zum Shoji-ji geht, kommt unweigerlich am Shobo-ji vorbei, bevor die Schnellstraße überquert wird. Der Weg zweigt von der Onohara-do nach Süden ab, ca. 200 m vor Erreichen des Nio-mon des Shoji-ji, und 25 m, bevor rechterhand der Weg zum Oharano-jinja abgeht. Am Ende der betreffenden Stichstraße, die auf der Brücke Gokuraku-bashi einen Bach überquert, liegt rechterhand im Westen am Hang der Tempel Shobo-ji, dahinter füllt ein ausgedehnter Friedhof den Raum bis unmittelbar an die überbaute Schnellstraße Tanba-Ayabe.

Ab Bahnhof Hankyo Higashimuko (Bussteig 1, südlich des Westausgangs) und auch vom Bahnhof JR Mukomachi (Bussteig 2 am Westausgang) kann man jeweils die Buslinien 63 und 65 nehmen; das angezeigte Endziel ist Minami Kasugacho, Rakusai Bus Terminal. Noch ein Hinweis: Wer mit Hankyo fährt, sollte unbedingt darauf achten, entweder einen Local train oder einen Semi-Express zu nehmen, alle "besseren" Züge halten hier nicht. Und ein weiterer Hinweis zu den Bussen: Die morgendlichen Zeiten ab Hankyo Higashimuko sind 7:07, 7:52 und 8:22 Uhr, und dann kommt eine große Lücke bis zum Nachmittag, 15:12 Uhr. Wem das nicht paßt, der muß gut zu Fuß sein, denn die anderen 63er-Busse fahren nur bis zur Oharano Elementary School.

Der Shobo-ji liegt einsam und ist touristenarm. Hierhin kommen nur Individualisten, die sich Zeit für die abgelegenen Schönheiten nehmen. Aufgrund des umständlichen und langen Weges kombiniert man den Besuch am besten mit dem des Shojo-ji, des Oharano-Schreines, des Yoshimine-dera, des Jurin-ji etc. Diese Ecke am südwestlichen Rande der Stadt ist eine sehr schöne Alternative, wenn Kyoto zu bestimmten Jahreszeiten vor Bewunderern überquillt. Man wird belohnt mit einem schönen Blick und einem sehr schönen Garten, der zu jeder Jahreszeit ein ganz eigenes Bild bietet und rund um das Jahr beeindruckt.

"Shoho-ji" bedeutet "Tempel des wahren Dharma". Es ist ein sehr gebräuchlicher Tempelname in Japan, den mehr als ein Dutzend Tempel tragen, z. B. der Shoho-ji in Miki (Präfektur Hyogo) oder der in Hakodate (Hokkaido). Für einige dieser Tempel ist die Lesung allerdings "Shobo-ji"; darunter fällt dieser Tempel im Stadtteil Oharano. Aber auch diese Namenslesung ist mehrfach vergeben: So gibt es einen Shobo-ji auch im Stadtteil Higashiyama, einen in Yawata (Präfektur Kyoto), einen in Otsu (Präfektur Shiga), einen in Kumano (Präfektur Mie) etc. Ein weiterer berühmter Namensvetter steht in Gifu.


Geschichte und Bedeutung
Der Tempel gehört zur Shingon-Schule, und innerhalb derselben zum To-ji-Zweig (Shingon-shu-Toji-ha). Der Shingon-Buddhismus gliedert sich in zwei Hauptrichtungen, die orthodoxe, alte Kogi-Shingon-Schule und die reformierte, neue Shingi-Shingon-Schule. Die alte Kogi-Shingon-Schule spaltete sich neben der auf dem Koyasan gepflegten Richtung auf in die Zweige (= ha) Zentsu-ji-ha, Daigo-ha, Omuro-ha, Shingon-Ritsu, Daikaku-ji-ha, Sennyu-ji-ha, Yamashina-ha, Shigisan, Nakayama-dera-ha, Sanbo-shu, Suma-dera-ha und Toji-ha. Die neue Reformrichtung gliedert sich in die Zweige Chizan-ha, Buzan-ha, Kokubun-ji-ha und Inunaki-ha.

Sein Bergname (Sango) lautet Hoju-san. Der Shobo-ji wurde in der Heian-Zeit im Jahre 754 von Chii Daitoku als Kasuga Zen-bo gegründet. Chii Daitoku war ein Schüler des chinesischen Mönchs Ganjin = Jianzhen, welcher seinerseits den Toshodai-ji in Nara gegründet hat. Chii Daitoku gründete in Oharano eine Einsiedelei, um sich hier selbst ungestört der Meditation hingeben zu können. Erst um 800 wurde aus diesen Anfängen durch den Mönch Saicho (postum Dengyo Daishi) ein richtiger Tempel zur Erinnerung an den Gründer. Damals war er noch ein Subtempel des Ohara-ji. Der Tempel wurde im Onin-Krieg völlig zerstört. In der Azuchi-Momoyama-Zeit wurde er in bescheidenem Rahmen wiederhergestellt, aber erst 1615 entstand daraus unter den Priestern Eun und Choen der Shobo-ji. Während der Edo-Zeit wurde es ein wichtiger Tempel der Tokugawa-Familie, die den Wiederaufbau kräftig unterstützte. Hintergrund ist, daß Keisho-in, die Mutter von Tokugawa Tsunayoshi, dem 5. Shogun der Edo-Zeit, aus der Gegend stammte und auch im Yoshimine-dera eine Rolle spielt. Deshalb wurde ab 1680 dieser Tempel genau wie der nahe Yoshimine-dera gefördert. 2013 wurde die Schnellstraße gebaut, unter der die Atmosphäre des Tempels etwas leidet.


Struktur der Anlage und Beschreibung
Nach dem Überschreiten der Brücke Gokuraku-bashi, die den Shake-gawa überquert, der in den Yoshimine-Fluß mündet, kommt man an der rechts des Weges liegenden Hen-jo-to (Hen-jou-tou) vorbei, der zweistöckigen, sechseckigen Pagode, deren Holzteile zinnoberrot angestrichen sind. Man erreicht sie, indem man der Straße weiter bis zum Parkplatz folgt. Diese Pagode, an der man die metallenen Verzierungen und die Lackarbeit bewundert, stand früher in der Nähe des Tempels Kodai-ji und der Ryozen Kannon in Higashiyama und erinnerte seit 1908 an die im Krieg gegen China und gegen Rußland gefallenen Soldaten, wurde aber dort ab- und 2007/2009 hier wieder aufgebaut.

Der Weg zum Tempel folgt aber weiter nach Süden. Von den Gebäuden unten an der Straße führt eine Treppe auf die nächsthöhere Ebene hinauf. Im Osten des Tempels liegt genau in Nord-Südrichtung die mit fünf weißen Horizontalstreifen bezeichnete Abschlußmauer mit dem mittig angeordneten Haupttor (San-mon). Nördlich davon ist ein kleineres Tor in die Mauer eingebaut. Parallel gruppieren sich ebenfalls in Nord-Süd-Richtung die eng zusammenstehenden Tempelgebäude.

In direkter Linie westlich des San-mon befindet sich der erst vor wenigen Jahren rekonstruierte, also neue Hondo, in dem sich eine bemerkenswerte Sammlung alter Statuen befindet. Man muß sie nur erst einmal entdecken hinter all den goldenen Dekorationen, die von der Decke und den Pfosten hängen und den Besucher ablenken. Doch tief inmitten all der Dekorationen und dem goldenen Flitter, hinten auf dem Altar, steht das Wertvollste des Tempels. Hervorhebenswert ist in der Mitte eine hölzerne, vergoldete Figur einer seltenen, weil dreigesichtigen und tausendarmigen Kannon (Sanmen Senju Kannon), die 1,82 m in der Höhe mißt und aus der frühen Kamakura-Zeit stammt (wichtiges Kulturgut). Die beiden seitlichen Gesichter des Kopfes ermöglichen es dem Bodhisattva, in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu blicken. Die im Hondo rechts der großen Kannon-Figur stehende Sho-Kannon (Heilige Kannon) ist noch älter und soll angeblich von Kukai (Kobo Daishi) hergestellt worden sein, ca. 816. Diese ist das eigentliche Hauptbild, nicht die große Figur in der Mitte. Ein anderer Name für das Hauptbild des Tempels ist "Daihiden", und die Zeichen für diesen Namen bilden den zentralen Teil des Sumigaki (schwarze handgeschriebene Tuschezeichen) auf den Goshuin (Pilgerstempeln). Eine dritte Statue, ebenfalls auf der rechten Seite zu sehen, ist ein aus der Muromachi-Zeit stammender Dainichi Nyorai (Buddha Vairocana), mit großer Aureole. Links der Zentralfigur stehen zwei Figuren von Amida Nyorai (Buddha Amitabha) aus der Muromachi-Zeit. Etwas näher zum Halleneingang steht noch eine sehr alte Statue eines Yakushi Nyorai (Medizin-Buddha, heilender Buddha, Bhaisajyaguru), die bereits vom Tempelgründer Chii Daitoku verehrt wurde, als der Shobo-ji noch seine Einsiedelei war.

Im Süden des Hondo liegt der Kyaku-den bzw. Hosho-den. Hier kann man auf Tatami-Matten sitzend den Garten genießen. In der Halle selbst werden ein sechsarmiger Aizen Myo-o (Ragaraja), einer der grimmig dreinblickenden, zornigen Mantra-Könige, und eine Figur des Glücksgott Daikokuten verehrt, letzteres eine seltene Darstellung in eilender Position im Ausfallschritt, um den Menschen Glück zu bringen. Hier steht auch ein alter und wertvoller Faltschirm mit dunklem Untergrund.

Nördlich des Hondo liegen Shoin und Kuri. Ein Korridor führt nach Norden; davor steht mit Blick nach Osten eine riesige Jizo-Statue. Jizo ist die Schutzgottheit der ungeborenen Kinder. Westlich des Korridors liegt ein Teehaus (Chashitsu) im Garten zum Hang hin.

Ganz im Norden liegt der Kasuga Fudo-son mit der rückwärtig angebauten Fudo-Halle (Fudo-do), wo der Mantra-König Kasuga Fudo Myo-o (Acala) verehrt wird. Der unbewegliche Wächtergott, als vergoldete Figur mit erhobenem Schwert in einer Flammen-Aureole auf dem Altar zwischen ebenso goldenen metallenen Lotus-Arrangements stehend, dient als Schutzgottheit gegen alles Böse, gegen Unglücke und Krankheit. Zu ihm betet man für Gesundheit und Sicherheit. Bronzene Figuren zweier Nio-Wächter stehen bereits außen am Fuß der von Osten hinaufführenden Treppe auf hohen Felssockeln. Der rechte, Naraen Kongo, steht unter einem Kirschbaum, der linke, Misshaku Kongo, unter einem Ahorn. Seitlich neben der Fudo-do Hier im Garten befindet sich eine Wasserharfe (Suikinkutsu), an der man mit der Schöpfkelle Wasser auf die Steine gießen kann und mittels der Rohre den Tropfen lauschen kann. Westlich des Nordgiebels des Kasuga Fudo-son befindet sich ein Shinto-Schrein mit Torii, der Kasuga Inari-yashiro, an dem man für Wohlstand und geschäftlichen Erfolg betet; daneben kann man einen kleinen Wasserfall und eine Bogenbrücke sehen.

Die Malereien auf den Schiebetüren (Fusuma) des Shoin und anderer Bereiche sind recht neu und stammen von der Künstlerin Nishii Sayoko (1947-2000). Sie sollte insgesamt 41 Fusuma-e mit Landschaften des Stadtteils Oharano malen, aus dem sie selbst stammte, mit Blumen und Pflanzen und den Nishiyama im Hintergrund. Davon wurden aber nur 17 von ihr selbst fertiggestellt, der Rest wurde, aufgrund von Krankheit und Ableben, von ihren Künstlerkollegen nach ihren Vorskizzen vollendet. Diese Malereien sind sicherlich sehr kunstvoll und schön, geben dem Tempel insgesamt aber eine recht "neue" Atmosphäre.

Der Zwischenraum hinter der Abschlußmauer bis zu den Gebäuden wird von Karesansui-Gärten ausgefüllt (neuzeitliche Anlagen). Der nördliche Garten ist derjenige vor der Haupthalle (Karesansui-shiki teien); er wird beherrscht von einem sehr großen Felsen im Kiesmeer. Hier steht auch eine fünfstöckige Steinpagode. Der südlichere Garten, von dem man bei gutem Wetter einen phantastischen Blick bis zu den Ostbergen Kyotos hat, ist der Hosho-Garten (Hosho-en), der auch Choju no sekitei (Wildtiere - Zugehörigkeitspartikel - Stein-Garten) genannt wird, Felsengarten der Wildtiere, weil die einzelnen Steine, die aus allen möglichen Regionen Japans stammen, mit ihrer Form an Vögel und Tiere erinnern. Insgesamt sollen es 16 Steine sein, die mit viel Phantasie 15 verschiedene Arten darstellen: Löwe, Eule, Schlange, Elephant, Schaf, Maulwurf, Frosch, Pinguin, Kaninchen, Papagei etc. Geschickt werden die umliegenden Berge als "geborgte Landschaft" zur Hintergrundkulisse. Der Garten ist zwar modern, aber genial in seiner Anlage. Der Blick über Kyoto in die Unendlichkeit des Talbeckens ist grandios. Aufgrund seiner vielen Felsen wird der Shobo-ji auch "Felsentempel" (Ishi no tera) genannt. Im Zentrum dieses Felsen-Gartens (Kyo-seki no teien) steht ein großer Kirschbaum (Sakura). Im Süden wird der Tempelbereich durch einen angestauten See begrenzt, der als Reservoir dient.


Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf google maps: https://www.google.de/maps/@34.9566927,135.6553992,18.5z - https://www.google.de/maps/@34.9569961,135.6557723,152m/data=!3m1!1e3
Webseite des Tempels:
http://www.kyoto-shoboji.com/
auf Kyotofukoh:
https://kyotofukoh.jp/report419.html
auf JPManual:
http://jpmanual.com/en/shoboji
auf Discover Kyoto:
https://www.discoverkyoto.com/places-go/shobo-ji/
auf Japan Visitor:
https://www.japanvisitor.com/japan-temples-shrines/shoboji
bei Damien Douxchamps:
https://damien.douxchamps.net/photo/japan/kansai/kyoto/nishikyo/shobo-ji/
Ian Littlewood, Ayumi Oe Littlewood: Kyoto Without Crowds, A Guide to the City's Most Peaceful Temples and Gardens, 264 S., CreateSpace Independent Publishing Platform, 1. Auflage 2018, ISBN-10: 1978158998, ISBN-13: 978-1978158993, S. 173-175
Shingon-Buddhismus:
https://en.wikipedia.org/wiki/Shingon_Buddhism


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