Bernhard
Peter
Kyoto,
Yoshimine-dera
Lage
und
Erreichbarkeit
Dieser Tempel liegt einsam in den Bergen am südwestlichen
Stadtrand von Kyoto, im Stadtbezirk Nishikyo (Adresse: 1372,
Oharano Oshiocho, Nishikyo-ku, Kyoto-shi, Kyoto-fu, 610-1133,
Japan). Diese Bergregion wird Nishiyama genannt, Westberge. Die
nächstgelegenen Bahnhöfe sind entweder Hankyu
Higashi-Muko bzw.
Hankyu Nishi-Muko oder JR Mukomachi. Alle drei Bahnhöfe sind
aber immer noch ca. 6 km Luftlinie vom Tempel entfernt, mit
Kurven 7 km, zu weit für einen Fußmarsch, vor allem
bei Hitze
und bergauf. Vom Bahnhof Hankyu Higashi-Muko aus verkehrt der
Hankyu-Bus Nr. 66 ab Bussteig 1 mit dem Ziel
Oshio/Yoshimine-dera, Ausstieg an der Haltestelle Yoshiminedera.
Der Bus braucht eine halbe Stunde. Vom Bahnhof JR Mukomachi
startet die gleiche Buslinie am Bussteig 2 und braucht 5 Minuten
länger. Man sollte aber berücksichtigen,
daß die Busse nicht
allzu oft am Tage fahren (einmal pro Stunde) und sich
schlimmstenfalls auf eine längere Wanderung oder teure
Taxifahrt
einstellen. Andererseits ist 1 h warten und 1/2 h Fahrt deutlich
besser als 2 h bergauf laufen. Cave: Im Januar und Februar
verkehrt der Bus nur bis zur Haltestelle Koshio, dann folgt 1/2 h
Fußmarsch.
Doch der Aufwand lohnt sich: Die Lage des Tempels ist dafür phantastisch und eröffnet einen Panoramablick über Kyoto, bei gutem Wetter kann man bis zum Berg Hiei sehen. Der Tempel liegt weitab von üblichen Touristenpfaden, keine Horden, keine Busse. Der Charme liegt in seiner Abgelegenheit und in seiner Naturnähe. Hierhin kommen nur die Kenner und Kunstliebhaber. Andererseits ist er ein beliebtes Pilgerzentrum bei den Einheimischen. Deshalb ist er nicht ganz so ruhig wie die Tempel in der Nachbarschaft, aber immer noch ein sehr entspannter Tempel ohne Massentourismus, dafür mit reichlich schöner Natur, mit lebendigem Glauben und viel Geschichte. Nur im April (Hanami) und November (Momiji) ist es hier voller; Kirschblüte und Ahornfärbung sind hier bekanntermaßen gut und sehenswert. Damit sich der Aufwand des Weges lohnt, kombiniert man diesen Tempel am besten mit dem Jurin-ji und dem Sango-ji.
Geschichte
und Bedeutung
Der Tempel wurde im Jahr 1029 durch Gensan (auch: Genzan, gest.
1099) als persönlicher Rückzugsort und Zweigtempel
des
Enryaku-ji, wo er vorher gelebt hatte, gegründet. Hier hielt
er
jährlich Lesungen über die Lotus-Sutra ab, die ein
großes
Publikum aus der Stadt anzogen. Kaiser Go-Ichijo erkannte 1034
den Tempel als Tempel zum Schutz des Staates offiziell an;
seitdem trägt er den Namen Yoshimine-dera, was soviel bedeutet
wie Tempel des Höhepunkts der Tugend. 1074 baute sich Gensan
an
Nordende der Tempelanlage den Ojoin, um etwas mehr Ruhe und
Abgeschiedenheit zu haben, weil der Tempel mittlerweile sehr
beliebt geworden war.
In der mittleren und späten Heian-Zeit hatte der Yoshimine-dera seine größte Bedeutung. Während des Genpei-Krieges gab Abt Kansho (gest. 1190) dem fliehenden Yoritomo hier Unterschlupf. Der jenseits des Nordtores der Anlage gelegene Ojoin entwickelte eine gewisse Selbständigkeit und kam nach Abt Kansho an seinen Schüler Jien, dann an Shoku. Später wurde der Ojoin im 13. Jh. umbenannt in Sango-ji. Der Mönch Jisshin (Rensho) von Utsunomiya etablierte im Yoshimine-dera ein Zentrum seiner Lehre und baute sich hier einen Rückzugsort.
Nach dem Tod des Abtes Kansho nutzten zurückgetretene Kaiser den Tempel als Altersruhesitz. Für den Kaiser Go-Daigo wurde der Tempel zu einem wichtigen Stützpunkt. Der Förderung durch die kaiserliche Familie verdankte der Tempel Wohlstand und Größe: Im 15. Jh. hatte er um die 50 Gebäude.
Im Onin-Krieg (1467-1477) wurde der Yoshimine-dera völlig zerstört; zwei Jahrhunderte lang lag er in Ruinen. Mit Unterstützung von Toyotomi Hideyoshi und Tokugawa Tsunayoshi (1646-1709), 1680-1709 fünfter Shogun der Edo-Zeit, wurde der Tempel wiederaufgebaut. Insbesondere letzterer hatte eine hohe Bindung an den Tempel, weil seine Mutter, Keishoin (1627-1705), eine Nebenfrau von Tokugawa Iemitsu, in der Nähe geboren wurde. Keishoin war daher auch die treibende Kraft bei der Wiederherstellung, und sie war auch die Geldgeberin. Deshalb stammen sehr viele Gebäude aus dem letzten Viertel des 17. Jh.
Der Yoshimine-dera, in dem ein esoterischer Buddhismus praktiziert wird, ist heute ein unabhängiger Tempel der Tendai-Schule. Zusammen mit dem Yanagidani Kannon-Tempel (= Yokoku-ji) und dem Komyo-ji bildet er die Trias der Nishiyama-Sanzan (San-zan = drei Tempel, nishi = Westen, yama = Berge).
Der Yoshimine-dera ist die 20. Station auf dem Saigoku Sanjusan-sho (Saigoku Sanjuusan-sho), auf einem Pilgerpfad, der insgesamt 33 Kannon-Tempel in der Region Kansai miteinander verbindet. Die Anzahl 33 orientiert sich an den 33 Erscheinungsformen der Kannon. Bevor es hierhin geht, war der Pilger im Rokkaku-do (= Chouhou-ji) in Kyoto und im Gyougan-ji in Kyoto, dann bekommt er hier als letzter Station auf dem Stadtgebiet von Kyoto das Kultbild einer tausendarmigen Kannon (Senju Kannon). Die Figur soll eine Arbeit des Prinzen Ninko sein und im Jahre 1042 von Kaiser Go-Suzaku dem Tempel gespendet worden sein. Man bekommt als Tourist aber diese Statue nicht zu sehen. Eine andere, kleine elfköpfige Kannon-Figur soll vom Gründer selbst geschnitzt worden sein. Danach geht es weiter zum Anao-ji in Kameoka, wo eine heilige Kannon (Shou Kannon) wartet.
Struktur
der Anlage und Beschreibung
Der Tempel
baut sich steil am
Hang auf. Auf die unterste Ebene mit den Parkplätzen kommt man
entweder in weitem Bogen der Fahrstraße folgend, oder man
zweigt
früher an der Straße kurz vor deren Knick auf einem
Zickzack-Fußweg den Hang hoch ab. Dort gelangt man zum Osttor
(Higashi-mon) am östlichen Ende des unteren Parkdecks. Das ist
das äußerste Tempeltor, vom Typ eines Korai-mon mit
seitlich
nach hinten reichenden Dächern über dem Anschlag
beider
Torflügel. Ein paar Meter höher erhebt sich
über dem oberen
Parkdeck das riesige San-mon, zweistöckig mit einer
umlaufenden
Galerie über weit auskragenden Klammerkonstruktionen, deren
Kopfenden jeweils weiß angestrichen sind. Das Tor ist drei
Pfostenabstände breit, wobei der mittlere breiter ist. In den
beiden äußeren Kompartimenten stehen vom
Künstler Unkei
hergestellte Wächterfiguren (Kongorikishi), weshalb es auch
ein
Nio-mon ist. Zwei Papierlaternen mit einem Muster aus je neun
Fensterrauten flankieren den Durchgang. Im Obergeschoß sind
zwei
glockenförmige Fenster zu sehen. Dieses Tor ist Edo-zeitlich
und
wurde 1692 errichtet.
Geht man vom San-mon nach Westen, gelangt man an einer mächtigen Bronzelaterne mitten auf dem Weg vorbei über eine weitere Treppe zunächst zur Kannon-Halle (Kannon-do), der Haupthalle (Hondo) des Tempels. Sie ist Edo-zeitlich und wurde 1692 erbaut. Im Inneren wird eine tausendarmige Kannon (Senju Kannon) verehrt, das Hauptbild (Honzon) des Tempels. Ein anderer Name für das Hauptbild des Tempels ist Daihiden, und dieser Name wird im Sumigaki (schwarze Tusche-Schrift) auf dem Goshuin (Pilgerstempel) des Tempels verwendet.
Südlich der Haupthalle ist auf einer noch über das zweite Parkdeck kragenden Plattform das Monju-do Yoshimine Jiho-kan zu finden. Dieses moderne Gebäude ist das Tempelmuseum, in dem ca. 300 Kunstwerke aus Tempelbesitz aufbewahrt werden.
Noch weiter im Westen, etwas erhöht am Hang, kommt man zur 1673 erbauten Amida-Halle (Amida-do), in der ein Hokan Amida Nyorai verehrt wird, ein mit einer Juwelenkrone gekrönter Amitabha Tathagata. Südlich ist ein Shoin (eine Studierhalle) vorgelagert. Nördlich der Amida-Halle führt der Weg an einem Inari-Schrein vorbei, an dem Shoichii Inari Daimyo-jin (Inari O-Kami) verehrt wird. Hier geht es hoch zur obersten Terrasse, dazu aber erst später.
Am Hang steht ganz im Osten der 1685/1686 erbaute Glockenstuhl (Shoro-do, Tsurigane-do), dessen Glocke am letzten Tag des Jahres 108 mal angeschlagen wird, direkt im Norden davon der 1692 errichtete Goma-do (Feuer-Ritual-Halle), ein quadratisches Gebäude mit Pyramidendach und einem Mitteleingang zwischen zwei glockenförmigen Fenstern. Hier werden die Go-dai Myo-o verehrt, die fünf Mantra-Könige, die zornvollen Erscheinungsformen der fünf Hauptbuddhas im Vajra-Welt-Mandala. Im Osten dieser beiden Gebäude steht tiefer am Hang ein Gebäude namens Shukuin.
Vom Gomado aus gelangt man über einen nordwärts führenden Weg um eine noch höher gelegenen Terrasse herum zu einem Glücks-Jizo (Kofuku-Jizo), der in einer allseits offenen Halle aufgestellt ist. Dahinter, also im Nordwesten des Glücks-Jizo, erstreckt noch ein Gartenbereich mit etlichen Hortensien, und noch weiter nordwestlich befindet sich der Hakusan-sha, ein Shinto-Schrein. Von dort ist es nicht mehr weit bis zum Nordtor (Kita-mon). Der Weg führt weiter nordwärts zum Tempel Sango-ji (Sanko-ji).
Zurück auf die Südseite des Komplexes: Vor der Haupthalle zweigt der Weg nordwärts ab zur vorerwähnten Terrasse. In deren Südosteck befindet sich eine zweistöckige Pagode (Tahoto), beide Dächer mit Zypressenrinde gedeckt. Sie wurde 1621 erbaut und ist als wichtiges Kulturgut klassifiziert. Im Inneren der Pagode wird Aizen Myo-o (Ragaraja) verehrt, einer der fünf Mantra-Könige.
Hier wächst im Eck eine ganz besondere Kiefer, die Yu-ryu-no-matsu, die Kiefer (matsu) in Form eines spielenden oder schwimmenden Drachens (Yuu-Ryuu). Sie ist ca. 600 Jahre alt und ein Naturdenkmal. Sie wurde so geschnitten und gezogen, daß sie zwar nur bis 2 m hoch ist, daß aber ihre beiden seitlichen Hauptäste einen Drachenkörper formen und eine Länge von ca. 40 m erreichen. Den Namen prägte Hanayama Ieatsu im Jahre 1857. Sie gilt als eine der kunstvollsten Kiefern der japanischen Gartenkunst. Selbstverständlich liegen all ihre Äste einem Bambusgerüst auf. Nach diesem Baum hat der Tempel auch seinen Zweitnamen als Matsu-no-tera, Kieferntempel.
Westlich davon steht ein zweistöckiges Gebäude mit sechseckigem Grundriß und zwei glockenförmigen Fenstern auf allen Seitenflächen außer der Eingangsseite, das ist der 1705 erbaute Sutrenspeicher, Kyodo genannt oder auch Ema-do bzw. Tenrinzo. Vor dem sechseckigen Drehregal im Inneren mit seinen ganzen Schubladen ist eine sitzende Figur des chinesischen Erfinders Fu Daishi zu sehen. Neben dem Sutrenspeicher steht ein dreihundertjähriger Kirschbaum mit hängenden Zweigen (Shidare Sakura).
Zwischen dem Kyodo und dem Weg befindet sich nördlich des ersteren der Jusanbutsu-do, die Halle der 13 Buddhas, unter deren beiden Dächern sich mehrere kleine Schreine auf steinernen Sockeln gruppieren. An der Nordostspitze der Terrasse liegt in der Wegkurve der 1685 erbaute Kaisando, die quadratische Gründerhalle mit Pyramidendach, in der Gensan verehrt wird, der Gründer dieses Tempels. Von Hecken auf drei Seiten rechteckig eingefaßt wird eine 1705 errichtete Grabstelle für Keishoin, die Mutter von Tokugawa Tsunayoshi, des 5. Shoguns der Edo-Zeit. Hier ist ihr Haar begraben.
Weiter im Westen kommt man über einen Treppenweg (Sando) mit Steinstufen (Ishidan) zu einer noch höher am Hang gelegenen Terrasse. Dort steht der in der Meiji-Zeit im Jahre 1885 erbaute Shaka-do, eine Halle, in der Buddha Shakyamuni verehrt wird. Davor stehen zwei mächtige Steinlaternen. Nördlich angrenzend und durch einen Korridor mit dem Shaka-do verbunden, befindet sich ein weiteres Gebäude, in dem sich ein heilendes, medizinisches Bad mit Kräutersud befindet (Yaku-to-do, zwischen Mai und Oktober jeden zweiten Sonntag im Monat öffentlich zugänglich).
Hier kann man links abzweigen, zum bereits erwähnten Inari-Schrein. Nach Nordwesten aber geht es noch einmal steil den Hang hinauf, dort befinden sich in einer Wegschleife ein sechseckiges Gebäude (Keisho-dono, 1987 erbaut) und oberhalb eines Sees mit Garten der über eine lange Treppenanlage zu erreichende Okunoin Yakushi-do, der im Jahre 1701 errichtet wurde und in dem Yakushi Nyorai (heilender Buddha, Medizin-Buddha, Sanskrit: Bhaisajyaguru) verehrt wird. Dahinter befand sich einst das Gebäude Rengeju-in, das aber nicht mehr existiert. Statt dessen genießt man hier einen stillen Waldsee mit Steinlaterne unter Ahornbäumen. Tief im Wald westlich des Sees liegt ein kaiserliches Mausoleum (Goryo).
Weitere bemerkenswerte Bauwerke auf dem Tempelgelände sind der am Wasser stehende, 1692 erbaute Chinju-sha, ein weiterer Schrein, und eine steinerne Pagode für die Lotus-Sutra, die Hokyoin genannt wird.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung
auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@34.9381214,135.6445371,19.01z - https://www.google.de/maps/@34.9381214,135.6445371,217m/data=!3m1!1e3
auf JPManual: http://jpmanual.com/en/yoshiminedera
Mark L. Blum: The Origins and Development of Pure Land Buddhism,
Oxford University Press 2002, ISBN 0-19-512524-X, S. 260-261 - https://books.google.de/books?id=c2Nm052NT-oC
auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report522.html
auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Yoshimine-dera - https://en.wikipedia.org/wiki/Yoshimine-dera
Webseite des Tempels: http://www.yoshiminedera.com/
auf Japan Guide: https://www.japan-guide.com/e/e3947.html
auf Kyoto Travel: https://kyoto.travel/de/shrine_temple/195
auf Japan Travel: https://en.japantravel.com/kyoto/pilgrimage-to-yoshimine-dera/17478
auf Japan Visitor: https://www.japanvisitor.com/japan-temples-shrines/yoshiminedera
auf Tale of Genji: http://www.taleofgenji.org/yoshimine.html
auf Trip Kyoto: http://eng.trip.kyoto.jp/spot/db/yoshiminedera/
Kannon-Pilgertempel: http://www.manpuku-verlag.de/yoshiminedera.html
bei Damien Douxchamps: https://damien.douxchamps.net/photo/japan/kansai/kyoto/nishikyo/yoshimine-dera/
bei Asano Noboru: http://kyoto.asanoxn.com/places/nishiyama/yoshiminedera.htm
Cees Nooteboom, Simone Sassen: Saigoku - Auf Japans Pilgerweg der
33 Tempel, Schirmer Mosel, 1. Auflage 2013, ISBN-10: 3829606435,
ISBN-13: 978-3829606431, S. 124-129, Beschreibung leider
unsachlich und fehlerbehaftet.
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