Bernhard
Peter
Kyoto,
Shoji-ji
Lage
und
Erreichbarkeit
Der Shoji-ji ist ein Tempel im äußersten
Südwesten der Stadt
Kyoto, im Stadtbezirk Nishikyo und im Stadtteil Oharano, auf
einem Berg direkt neben der Schnellstraße Tanba-Ayabe
gelegen,
links neben dem Hobodai-in Gantoku-ji-Tempel. Die nächsten
Bahnhöfe liegen weit ab, es sind die Stationen Rakusaiguchi
und
Higashimuko der Hankyo Kyoto Line bzw. Katsuragawa und Mukomachi
der JR Tokaido Main Line. Je nach Bahnhof liegt der Tempel
4,5-5,5 km Luftlinie entfernt im Westen; mit allen
Straßenecken
wären es um die 6 km. Deshalb nimmt man den Bus bis zur
Haltestelle Minami Kasugacho, und von dort sind es noch einmal 20
min. zu Fuß bis zum eigentlichen Tempel, am Oharano-jinja
vorbei
bis zum Fuß der Treppe zum Nio-mon. Ab Bahnhof Hankyo
Higashimuko (Bussteig 1, südlich des Westausgangs) und auch
vom
Bahnhof JR Mukomachi (Bussteig 2 am Westausgang) kann man jeweils
die Buslinien 63 und 65 nehmen; das angezeigte Endziel ist Minami
Kasugacho, Rakusai Bus Terminal. Noch ein Hinweis: Wer mit Hankyo
fährt, sollte unbedingt darauf achten, entweder einen Local
train oder einen Semi-Express zu nehmen, alle
"besseren" Züge halten hier nicht. Und ein weiterer
Hinweis zu den Bussen: Die morgendlichen Zeiten ab Hankyo
Higashimuko sind 7:07, 7:52 und 8:22 Uhr, und dann kommt eine
große Lücke bis zum Nachmittag, 15:12 Uhr. Wem das
nicht paßt,
der muß gut zu Fuß sein, denn die anderen
63er-Busse fahren nur
bis zur Oharano Elementary School.
Dieser Aufwand von mindestens einer Stunde Anreise macht den direkt an den Wald grenzenden Shoji-ji einsam und touristenarm, denn nur wirkliche Liebhaber und einheimische Kenner machen sich hierhin auf. Es ist ein ideales Ziel für denjenigen, der keinen Aufwand scheut, um den Massen auf den ausgetreten Pfaden zu entfliehen. Und es gibt in der weiteren Nachbarschaft weitere interessante Tempel (Shobo-ji, Yoshimine-dera, Konzo-ji, Jurin-ji) und Schreine (Oharano-Schrein), mit denen man den Besuch kombinieren könnte (allerdings sind das schon einige Fußmärsche!). Insbesondere zur Herbstlaubfärbung, wenn die Tempelmeile in Higashiyama vor Ahornbewunderern aus allen Nähten platzt, ist diese Ecke am südwestlichen Rande der Stadt eine überlegenswerte und sehr schöne Alternative. Es wird deutlich, daß die Schönheit dieses Tempels vor allem in der verwilderten Natur liegt, denn die eigentlichen Gebäude sind zwar auch malerisch, aber überschaubar. Über allem liegt ein leicht morbider Charme. Aber die Atmosphäre ist sehr verlockend: Hier ist die Großstadt ganz weit weg, hier scheint die Zeit noch ein bißchen stillzustehen. Abseits der Saison wirkt der Shoji-ji wie ein verlorener Tempel, und man fühlt sich im Vergleich zur Touristenmeile in Higashiyama hier tief im Wald wie ein Entdecker einsamer Kultstätten, in denen die Zeit stehengeblieben ist.
Geschichte
und Bedeutung
Die Wurzeln dieses Tempels liegen in der Asuka-Zeit, denn er
wurde vom Asketen und Mystiker En no Gyoja (En no Gyouja, En no
Ozunu) im Jahre 679 gegründet, der als Begründer des
Shugen-do
(Berg-Asketentum) angesehen wird. Der Tempel ist also wesentlich
älter als die Stadt Kyoto. Danach verfiel der Tempel und wurde
in der Nara-Zeit im Jahre 791 durch Saicho (postumer Titel:
Dengyo Daishi, 767-822) neugegründet, dem Begründer
der
Tendai-Schule. Der Tempel wuchs und entwickelte zahlreiche
Subtempel. Im Onin-Krieg wurde alles bis auf ein Tor zerstört.
Der Wiederaufbau erfolgt ab dem späten 16. Jh.
Der Tempel gehört auch heute noch zur Tendai-Schule. Als Hauptbild wird im Tempel eine Figur des Yakushi Nyorai (heilender Buddha) verehrt, deshalb lautet das Sumigaki, die zentralen, in Tusche geschriebenen Zeichen auf dem Goshuin auch "Yakushi Nyorai". Der formelle Bergname des Tempels lautet "Oshioyama". Ein alternativer Name des Tempels ist Hana-no-tera, Blumentempel oder Blütentempel. Zur Kirschblütenzeit besteht der Name zu Recht, weil das Gelände üppig mit unterschiedlichen Sakura-Varianten und Pflaumenbäumen bepflanzt ist.
Struktur
der Anlage und Beschreibung
Wenn man
die Straße
Onohara-do hinaufsteigt, knickt sie irgendwann scharf nach links
ab, um unter der Schnellstraße hindurchzuführen. An
dieser
Stelle steigt der getreppte Weg zum Tempel geradeaus weiter den
Berg hinauf, und hier steht, weit abgesetzt vom eigentlichen
Tempel, das Niomon. Das liegt daran, daß früher der
Tempel ein
viel größerer Komplex war, und wo sich heute Wald
erstreckt,
waren früher einmal viele Subtempel. Alles Geschichte, denn im
Onin-Krieg wurde der Tempelkomplex stark in Mitleidenschaft
gezogen. Um genau zu sein: Es überlebte nur ein einziges
Gebäude des ganzen riesigen Komplexes: Dieses Niomon, das
damit
das älteste Gebäude des ganzen Tempels ist. Es stammt
noch aus
der Heian-Zeit. In den beiden seitlichen Kompartimenten rechts
und links des Durchgangs stehen in den Nischen hinter einem
halbhohen Holzgitter zwei aus der Kamakura-Zeit stammende, 1285
aus Holz angefertigte Figuren von Kongo Rishiki, die beide als
wichtige Kulturgüter eingestuft sind (Kopien, Originale im
Schatzhaus).
Hinter diesem Tor ist es noch ein weiter Weg (Sando) zum eigentlichen Tempel, der größtenteils durch dichten Wald S-förmig hindurchführt, dabei den Tunnel der Tanba-Ayabe-Schnellstraße kreuzend. Teilweise ist hier Bambuswald entlang des Sando. Erst nach 350 m wird das nächste Tor erreicht. Streckenweise wird der Weg seitlich vom morbiden Charme verfallener Bruchsteinmauern begleitet, das sind die Reste der Begrenzungsmauern ehemaliger Subtempel, die nach den Zerstörungen nie wieder aufgebaut wurden. Das letzte Wegstück zum Minami-mon hoch ist mit ausgetretenen steinernen Treppenstufen (Ishidan) versehen und wird beiderseits von bedachten Lehmmauern auf einem Bruchsteinsockel voller Moose und Flechten begleitet. Links des letzten scharfen Knicks des Weges am Fuße der Steinstufen liegt hinter der Mauer ein See, der Saeno no numa.
Das Minami-mon (Südtor) ist einstöckig und besitzt ein geziegeltes Satteldach. Es ist das heutige Haupttor und der Besuchereingang. Es gibt ein zweites Tor im Osten, das Higashi-mon (Osttor), das aber nicht benutzt wird. Der zentrale Gebäudekomplex ist überschaubar und besteht aus dem Shoin (Arbeits- und Empfangshalle) nördlich des Minami-mon und dem Kyu-Kuri (alter Küchenbau), dem Ruriko-den links davon, der als Schatzhaus (Shuzoko) des Tempels dient, und dem Amida-do noch weiter links. Die Amida-Halle mit einer Darstellung des Amitabha dient als Haupthalle (Hondo) des Tempels. Im Ruriko-den wird als Honzon (Hauptkultbild) eine sitzende Figur eines Yakushi Nyorai (heilender Buddha) verehrt. Die Figur stammt aus der Heian-Zeit und ist als wichtiges Kulturgut klassifiziert. Hier wird weiterhin eine schöne Sammlung Kamakura-zeitlicher Statuen aufbewahrt. Hier stehen auch die Originale der Nio-Figuren im Nio-mon. Vor der Haupthalle sieht man rechterhand vor einem glockenförmigen Fenster auf einem seltsam proportionierten Stuhl eine Figur mit umgebundenem Lätzchen sitzen, das ist Binzuro (Sanskrit: Pindola), ein Schüler Buddhas, dem nachgesagt wird, Krankheiten heilen zu können. Binzuro werden ferner verborgene Fähigkeiten nachgesagt, z. B. soll er fliegen können. Binzuro war zwar einer der ersten Schüler Buddhas, aber durch seinen Hang zur Trunksucht fiel er in Ungnade, aber aufgrund seiner Loyalität wurde er rehabilitiert. Er konnte jedoch nicht ins Nirwana eingehen, sondern blieb, um Menschen zu heilen.
Entgegen dem Uhrzeigersinn folgen im Bogen in Richtung auf den See noch zwei weitere, isoliert im Wald stehende Gebäude, die Fudo-Halle (Fudo-do), in der ein in den rückwärtig anstehenden Felsen gehauenes Gesicht von Fudo-Myo-o (Acala) verehrt wird (angeblich von Kukai gehauen), und der Glockenturm (Shoro), ein einfacher, aus vier leicht nach innen geneigten Balken gebildeter Glockenstuhl mit Irimoya-Dach.
Im Waldgarten wird ein besonderer Stein hervorgehoben, der Kagami-Ishi. Der Legende nach saß Saigyo Hoshi (1118-1190), ein berühmter Dichter der späten Heian- und frühen Kamakura-Zeit, der hier eine Hütte hatte, auf diesem Stein, als er das Haar schor, um Priester zu werden. Im Jahr 1140 war er, zuvor Sato Norikiyo, Mönch geworden, im Alter von 22. Jahren. Als Mönchsnamen wählte er zunächst den Namen Eni, später Saigyo (wörtlich: West-Reise, eine Anspielung auf das Westliche Paradies des Amida-Buddhismus). Eine Waldquelle wird Segai-no-izumi genannt. Am Ufer des Sees steht auf einem Felsen eine Gyoran Kannon mit Fischernetz in der Hand. Ein uralter Kirschbaum in der Nähe des Glockenturmes heißt Saigyo-Sakura, weil er auf einen von Saigyo Hoshi gepflanzten Baum zurückgeht, freilich nicht mehr der ursprüngliche Baum, sondern der Nach-Nachfolger. Zeami Motokiyo (ca. 1363 - ca. 1443) schrieb ein Stück für das Noh-Theater mit dem Titel "Saigyo-Sakura", das genau diesen Mönch und seinen Kirschbaum zum Thema hat.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung
auf google maps:
https://www.google.de/maps/@34.9604788,135.6522717,18.75z - https://www.google.de/maps/@34.9605501,135.6515801,108m/data=!3m1!1e3
Ian Littlewood, Ayumi Oe Littlewood: Kyoto Without Crowds, A
Guide to the City's Most Peaceful Temples and Gardens, 264 S.,
CreateSpace Independent Publishing Platform, 1. Auflage 2018,
ISBN-10: 1978158998, ISBN-13: 978-1978158993, S. 175-176
auf JPManual: http://jpmanual.com/en/shojiji
auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report417.html
auf Japan Hoppers: https://www.japanhoppers.com/de/kansai/kyoto/kanko/674/
auf Japan Travel: https://en.japantravel.com/kyoto/shojiji-temple-oharano/6701
auf Japan-Kyoto: https://japan-kyoto.de/shojiji-tempel-westen-kyoto/
auf Tale of Genji: http://www.taleofgenji.org/shojiji.html
bei Damien Douxchamps: https://damien.douxchamps.net/photo/japan/kansai/kyoto/nishikyo/shoji-ji/
auf Japan Visitor: https://www.japanvisitor.com/kyoto/oharano
bei Asano Noboru: http://kyoto.asanoxn.com/places/nishiyama/shojiji.htm
Webseite des Tempels: http://www.shoujiji.jp/
Saigyo: https://en.wikipedia.org/wiki/Saigy%C5%8D
Zeami: https://en.wikipedia.org/wiki/Zeami_Motokiyo
En no Gyoja: https://en.wikipedia.org/wiki/En_no_Gy%C5%8Dja
Shugendo: https://en.wikipedia.org/wiki/Shugend%C5%8D
Saicho: https://en.wikipedia.org/wiki/Saich%C5%8D
Andere
Artikel über Japan lesen
Andere
Länder-Essays lesen
Home
©
Copyright bzw. Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard
Peter 2018
Impressum