Bernhard
Peter
Kyoto,
Chishaku-in, Teil (1): Beschreibung, Tore und Kuri
Lage und
Erreichbarkeit
Der Tempel Chishaku-in liegt im Stadtbezirk Higashiyama, östlich
des Sanjusangendo, südöstlich des Nationalmuseums und südlich
des Kiyomizudera (Adresse: 964, Higashikawaracho, Higashiyama-ku
Kyoto-shi, Kyoto, 605-0951, Japan). Das von den Tempelgebäuden
eingenommene Areal mißt ca. 230 m in West-Ost-Richtung und 200 m
in Nord-Süd-Richtung. Der Zugang erfolgt auf der Westseite von
der Higashi Oji Dori aus. Im Osten des Tempelareals liegen
ein weitläufiger Friedhof und ein Wohngebiet, im Norden der
Shinto-Schrein Imahie Jingu, begleitet von kleineren Schreinen
wie dem Yamaguchi-Inari-Schrein, dem Atagoakiba-Schrein oder dem
Tobiumeten-mangu. Den dreieckigen Zwickel im Süden zwischen
Tempelgelände und Eisenbahnstrecke füllt ein Wohngebiet.
Am leichtesten läßt sich der Tempel mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Bahnhof Keihan Shichijo aus erreichen, von dort sind es 600 m Fußweg oder 10 Minuten über die Shichijo Dori. Vom Hauptbahnhof JR Kyoto aus sind es hingegen 1,7 km oder eine knappe halbe Stunde. Machbar, aber besser nimmt man einen JR-Zug der Nara Line und steigt im nächsten Bahnhof, Tofukuji, um in die Keihan Line. Mit dem Bus kann man ab Bahnhof (Kyoto eki) den City Bus 206 oder 208 oder den Raku 100 nehmen, Haltestelle die nächste hinter dem Sanjusangen-do, Higashiyama-Shichijo oder Higashiyama-Nanajo, liegt quasi vor der Haustür. Der Tempel wird nicht von Touristengruppen aufgesucht und ist sehr entspanntes Programm abseits der üblichen Besucherrouten. Wer einen wunderschönen Garten, eine schöne Atmosphäre und viele bunte Fusuma sucht, ohne unbedingt kunsthistorische Schwergewichte haben zu wollen, ist hier goldrichtig. Zur Entspannung nach den hochkarätigen Schätzen im Sanjusangen-do bietet sich der nahe Tempelbereich für eine lockere, aber nicht langweilige Pause in perfekter Weise an. Es ist ein großer Tempel mit vielen Sehenswürdigkeiten und einer langen Geschichte, auch wenn die Gebäude selbst relativ neu sind.
Geschichte
und Bedeutung
Die Wurzeln des Tempels werden durch seinen alternativen Namen
deutlich: Negoro-ji. Begonnen hat der Chishaku-in in seiner
Geschichte als Subtempel des Negorosan Daidenpo-in in der Provinz
Kii, heute Präfektur Wakayama. Der Haupttempel war eine
Gründung des Jahres 1130, von dem Priester Kakuban (1095-1144),
dem zeitweisen Oberhaupt des Kongobu-ji und damit de facto des
ganzen Koyasan. Kakuban (seit 1690 mit dem postum verliehenen
Ehrentitel Kogyo Daishi, ungefähr "großer Lehrer der
blühenden Lehre") war jedoch ein Reformer. Er wandte sich
gegen den Lebenswandel und den Verfall der Disziplin auf dem
Koyasan, allerdings bewirkte er letztlich ein Schisma in Kogi
Shingon-shu (alte Shingon-Schule) und Shingi Shingon-shu (neue
Shingon-Schule). Denn nachdem sich Differenzen mit einem anderen
Tempel des Koyasan ergeben hatten und er die Leitung wieder
abgegeben hatte, zog er sich zunächst in den Mitsugon-in zurück
und verfaßte Reformschriften. Der Streit war jedoch nicht vom
Tisch, und 1139 zündete die Gegenpartei ihm den Daidenpo-in und
damit auch seinen Mitsugon-in an. Daraufhin zog man auf den 25 km
entfernten Negorosan um. 1288 wurden unter seinen Nachfolgern die
beiden Tempel Daidenpo-in und Mitsugon-in auch formal auf den
Negorosan überführt, wodurch die Spaltung vollendet wurde.
Der Muttertempel Daidenpo-in geriet jedoch aufgrund seiner Militarisierung in Opposition zu Toyotomi Hideyoshi und wurde 1585 bei der Belagerung des Negorosan, der sich mittlerweile zu einer eigenen Tempelstadt mit ca. 2000 Gebäuden entwickelt hatte (heute auf dem Gebiet der Stadt Iwade), vollständig niedergebrannt, sein Subtempel Chishaku-in ebenso. Erst Tokugawa Ieyasu ließ den Tempel neu aufleben und gab dem damaligen Abt des Chishaku-in, dem zum Koyasan geflohenen Genyu (1529-1605), 1601 ein Stück Land in Kyoto.
An der Stelle des heutigen Chishaku-in befand sich zuerst ein Tempel namens Shounzen-ji, den Toyotomi Hideyoshi für seinen 1591 im Alter von nur drei Jahren verstorbenen Sohn Sutemaru errichten ließ. Tokugawa Ieyasu gab nun 1615 diesen dem bisherigen Land benachbarten Tempel an den Priester des zerstörten Chishaku-in, Umkehr der Geschichte. 1674 wurde dem Tempel weiteres Land geschenkt, so daß er expandieren konnte. Der Tempel brannte 1682, noch einmal 1882, und wurde, obwohl die Stadt 1945 verschont wurde, 1947 erneut durch ein Feuer verwüstet, ebenso der berühmte Garten, von dem nur die Grundstruktur und die Steine übrigblieben.
Der Chishaku-in ist ein Tempel des esoterischen Shingon-Buddhismus. Er ist der Haupttempel des tantrischen Chizan-Zweiges (auch Chisan, Shingon-shu Chizan-ha), zu der in Japan ca. 3000 Tempel gehören, darunter auch der 940 gegründete Naritasan Shinsho-ji in Narita bei Tokyo. Im Inneren der Haupthalle wird eine Figur des Dainichi Buddha verehrt, des kosmischen Buddhas. Dieser Buddha wird "kosmisch" genannt, weil er nicht aus einem Menschen hervorging, sondern immer eins war mit dem universalen Dharma. Dainichi Buddha (Dainichi Nyorai) ist der wichtigste Buddha für den esoterischen Buddhismus und daher typischerweise bei Tempeln der Shingon-Richtung und manchmal auch bei denen der Tendai-Richtung anzutreffen. "Dainichi" bedeutet wörtlich "große Sonne" oder "großes Licht"; dieser Name übersetzt die Sanskrit-Bezeichnung Mahavairocana. Typisch ist die Darstellung mit einer Krone. Entsprechend trägt das Goshuin dieses Tempels in schwarzer Tinte (Sumigaki) den Wortlaut "Dainichi Nyorai" neben den üblichen Inhalten.
Der Tempel ist Bestandteil einer Pilgerroute, des Kyoto Ju-san Butsu, "die 13 Buddhas in Kyoto". Auf dieser Route werden insgesamt 13 Gottheiten des Shingon-Buddhismus besucht, in jedem Tempel eine andere, Buddhas und Bodhisattvas. Der Chishaku-in ist die erste Station dieser Pilgerroute; hier wird aber nicht der Dainichi Buddha besucht, sondern Fudo Myo-o. Dainichi wird im To-ji besucht, der zwölften Station der Route. Nach dem Chishaku-in geht es zum Seiryo-ji in Arashiyama, wo ein Shaka Nyorai verehrt wird. Danach werden Verehrungsstätten für Monju Bosatsu im Reiun-in, für Fugen Bosatsu im Daikomyo-ji, für Jizo Bosatsu im Daizen-ji, für Miroku Bosatsu im Sennyu-ji, für Yakushi Nyorai im Inabayakushi-ji (Byodo-ji), für Kannon Bosatsu im Senbon Shakado (Daiho onji), für Seishi Bosatsu im Ninna-ji, für Amida Nyorai im Hokongo-in und für Ashuku Nyorai im Hokan-ji (Yasaka-Pagode) besucht. Nach dem To-ji und seinem Dainichi Nyorai endet die Route am Horin-ji in Arashiyama mit dem Kokuzo Bosatsu.
Der Chishaku-in ist weiterhin eine Station auf einem anderen Pilgerweg, und zwar die 20. Station auf dem Weg der 36 Fudo-Tempel in der Region Kinki. Diese Route beginnt am Tempel Shi-tenno-ji in Osaka und endet am Nan-in (Minami-in) auf dem Koyasan. Bevor es zum Chishaku-in geht, besucht der Pilger den Manshu-in Monzeki (17. Station), danach den Shogo-in Monzeki (18. Station), danach geht es weiter zum Shoren-in Monzeki (19. Station), und dann hierhin. In der Präfektur Osaka werden 12 Tempel besucht, in der Präfektur Kyoto 11, 4 in der Präfektur Hyogo und je 3 in den Präfekturen Nara, Shiga und Wakayama. Diese Route wurde erst im Jahre 1979 von Yoshiharu Shimoyasuba etabliert, einem engagierten Laien, der alte Pilgerrouten wieder zum Leben erweckte und neue Pilgerrouten ins Leben rief.
Am 15.6. wird jährlich der Geburtstag von Kukai gefeiert. Das ist hier eine äußerst farbenfrohe Veranstaltung mit Mönchen in prächtigen Roben, ein Fest für die Augen. Bei diesem Fest wird ein großes Feuer entzündet, in dem Votivtafeln aus Holz den Flammen übergeben werden. Reinigender Rauch wird in großen Mengen erzeugt. Wer um diese Zeit in Kyoto ist, sollte sich das Fest auf keinen Fall entgehen lassen.
Struktur
der Anlage und Beschreibung
Der nördliche Zugangsweg zum
Tempel aus westlicher Richtung führt durch das So-mon und dann
zwischen zwei Mauern hindurch. Der südlichere Weg, der reguläre
Eingang für Besucher, beginnt direkt an der Hauptstraße und
einem kurz nach dem Ende der Abschlußmauer aufgestellten Tor aus
drei massiven, teils beschrifteten Balken, ist breit und wird von
einem niedrigen Bambusgeländer gesäumt; er führt mehrfach
abknickend durch einen weitläufigen Parkgarten zu den
Hauptgebäuden. Nördlich des Zuweges steht das kleine moderne
Gebäude mit dem Tempelbüro, wo Goshuin gewährt und
Devotionalien verkauft werden. Der ganze Bereich um die
Haupthalle kann ganz frei erforscht werden. Erst Kodo, Garten und
Innenräume kosten Eintritt.
Die eingeschossige Haupthalle (Kondo) mit Irimoya-Dach wurde 1975 errichtet. Anlaß war der 1200. Geburtstag des Begründers der Shingon-Schule, Kobo-Daishi Kukai (774-835). Ringsum wird sie meist von farbigen Tüchern umspannt. Diese Tücher mit Streifen in Blau, Grün, Gelb, Rot und Weiß werden Goshikimaku genannt, Vorhang (maku) mit fünf (go) Farben. Sie haben Ähnlichkeit mit der buddhistischen Flagge, die 1889 auch in Japan eingeführt wurde, sind aber entgegen der dort üblichen Reihenfolge modifiziert. Bei der Flagge des Buddhismus ist die Reihenfolge Blau, Gelb, Rot, Weiß, Orange üblich, dann ein Streifen mit der Reihenfolge noch einmal quer, mit Blau oben beginnend. Beim traditionellen, älteren Goshikimaku sind die Farben die zuerst genannten. Die Vorhänge sind entlang der Streifen vertikal ein Stück weit eingeschnitten.
Der Vorgängerbau dieser Haupthalle wurde 1701-1705 unter Abt Senkai errichtet. Keishoin, die Mutter von Tokugawa Tsunayoshi, dem 5. Shogun der Edo-Zeit, hatte diesen Bau mit einer äußerst großzügigen Spende ermöglicht. Diese alte Halle brannte 1882 ab.
In der Halle Myo-o-den, südlich der Haupthalle gelegen, wird Fudo Myo-o (Acala) verehrt. Deshalb wird die Halle auch Fudo-do genannt. Diese Halle stammt ursprünglich aus dem Daiun-in (südlich des Maruyama-Parks, mit dem "komischen Turm", Shijo Teramachi) und war dort die Haupthalle, ehe sie hierhin versetzt wurde. Früher stand hier der Hojo-den, der seit dem Brand von 1882 als Ersatz-Haupthalle diente. Aber auch diese Halle brannte 1947 ab. Nun stellte man die Halle aus dem Daiun-in auf; sie sollte die Haupthalle ersetzen, deshalb wurde auch zunächst der Platz der alten Haupthalle gewählt. Nachdem man die neue Haupthalle erbaut hatte, wurde die Halle aus dem Daiun-in im Jahre 1992 als Myo-o-den an den heutigen Standort versetzt. Links neben der zur Halle hochführenden Treppe befindet sich ein kleiner Wasserlauf mit Lotuspflanzen. Rechterhand steht im Süden ein moderner Großbau (Verwaltung, Shumucho).
Eine ziegelgedeckte Halle mit Karahafu über dem Vordach ist der Daishi-do, die 1789 in der Edo-Zeit erbaute Gründerhalle, in der Kukai (Kobo-Daishi) verehrt wird. Sie steht nördlich der Haupthalle und ist mit dem Eingang nach Süden orientiert. Zur Bauzeit war der 24. Abt, Taitsu, im Amt. Möglich machten den Bau der Halle großzügige Spenden des Mönchs Shinyu vom Tempel Hoji-in in Asakusa (Tokyo), des Mönchs Taitsu vom Tempel Atago Enpuku-ji Temple und des Mönchs Junga vom Tempel Shinpuku-ji. Sechs Steinlaternen, die beiden letzten auf mächtigen Stufensockeln, flankieren den Zuweg.
Auf dem Gelände sind mehrere Figuren zur Verehrung aufgestellt: Vor einer Mauer steht eine Bronze-Statue des Shingon-Begründers, mit umgedreht schüsselförmigem Hut und Wanderstab. Auf einem steinernen Sockel steht eine moderne Bronzefigur für Nanka Genko.
Der Glockenturm (Shoro) befindet sich isoliert im Park südlich des Zuweges zur Haupthalle. Er ist sehr neu und stammt aus dem Jahr 1998.
Im Nordwesten des Areals befindet sich ein durch Mauern und Tore abgetrennter Bereich; das ist der museale Bereich, für den Eintritt erhoben wird. Kurz bevor das Tor (ein Kara-mon) zu diesem Bereich in der Südmauer erreicht wird, liegt rechterhand das Schatzhaus mit der überdachten Treppe an der westlichen Schmalseite. Hier im Shuzoko ("Lagerraum", auch: Homotsu-den) werden mehrere als Nationalschatz eingestufte, Momoyama-zeitliche Malereien (Shoheki-ga) von Hasegawa Tohaku aufbewahrt. Zu diesen Bildern gehören die Motive "Kirschblüten", "Ahornbaum", "Kiefer mit Herbstblumen" etc. Die Shoheki-ga und Fusuma-e stammen noch aus dem Kyakuden des Vorgängertempels, dem Shounzen-ji. Es ist aufgrund mehrerer Brände im Laufe der Tempelgeschichte jedoch nur noch die Hälfte des einstigen Bestandes vorhanden.
Wenn man das kupfergedeckte Tor im Karamon-Stil durchschreitet, gelangt man geradewegs zum 1992-1995 errichteten Kodo (Koudou, Lehrhalle). Diese Halle spielt eine wichtige Rolle für die täglichen Rituale der Mönche. Sie wurde aus Anlaß des 850. Todesjahres des Mönches Kogyo Daishi (1095-1143) errichtet, der auch unter dem Namen Kakuban bekannt ist (s. o. beim Negoro-ji). Auf den Fusuma des Kodo befinden sich seit 2008 moderne Tusche-Malereien des Künstlers Toshio Tabuchi (1941-). Es ist eine großartige und qualitätvolle Gruppe von insgesamt 60 Schiebetüren für fünf der insgesamt sechs Räume dieser Halle, Taizo-no-ma (Thema: Frühling, austreibende Weide und blühender Kirschbaum), Kongo-no-ma (Thema: Sommer, Baum und Bambus), Chie-no-ma (Thema: Herbst, Gräser und fruchttragende Bäume), Daihi-no-ma (Thema: Winter, einsame Bäume im Schnee) und in der Mitte Fuji-no-ma (Thema: Sonnenaufgang und Sonnenuntergang). Im Uhrzeigersinn kann der Besucher so durch die vier Jahreszeiten wandeln und die Zyklen erleben, den täglichen in der Mitte und den jährlichen außenherum, und in übertragener Erweiterung den persönlichen Zyklus des Lebens. So wird die Gestaltung der Räume zu einem Zyklus der Zeiten, von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Cave: Photoverbot.
Die Ursprünge dieser Halle Kodo waren ein Hojo (Abtsresidenz). Als Tokugawa Ieyasu dem Tempel ein neues Zuhause gab, gab er ihm die Hatto-Halle des ehemaligen Shoun-ji als Hojo. Diese Halle brannte jedoch 1682 ab. 1684 bekam der Tempel Teile eines Residenzbaus der Kaiserin Tofukumon-in. Diese nächste Halle brannte dann 1947 ab.
Im Norden des Kodo liegt der O-Shoin (die große Studierhalle, auch Dai-Shoin genannt), der senkrecht zu ersterem steht und kleiner von der Grundfläche ist. An der Westseite ist der O-Shoin durch zwei gedeckte Galerien mit anderen Gebäuden verbunden; zwischen beiden Galerien befindet sich ein Trockengarten. Die nördliche Galerie führt zum Dai-Genkan, dem wie ein Hauptverteiler fungierenden Eingangsgebäude, vor dem im Westen ein großer Karesansui-Garten liegt, nur durch eine Mauer vom Nordzugang abgetrennt. Noch weiter im Norden liegt der Kuri = Küchenbau (heute Verwaltung, Homusho), von dem ein Galeriegang nach Osten zum Shinden führt, der nördlich des O-Shoin quer zu diesem steht. Der O-Shoin ist frei zugänglich, der Shinden und der Kuri sind es nicht.
Nordwestlich vom Kuri findet man das Kita-mon, das Nordtor zur Straße hin. Auf der Höhe zwischen Kuri und Dai-Genkan steht das Chu-mon, das mittlere Tor. Geht man vom Dai-Genkan nach Westen, kommt man dort zum So-mon, zu dem eine kleine Treppe von der Higashi Oji Dori aus hinaufführt. Wenn man vom Sanjusangendo aus über die Shichijo Dori kommt, läuft man genau auf das So-mon zu. Dessen runde Abschlüsse der Dachziegel tragen bereits das Kamon (Wappensymbol) des Tempels, eine fünfblättrige Blüte mit ebenso vielen Staubblättern, das Ganze in leicht fünfeckiger Grundform. Auch auf den Tüchern, die meistens Tore und Halleneingänge vorhangartig verhängen, ist dieses an eine Glockenblume erinnernde Kamon abgebildet.
Zurück zum O-Shoin: An seiner Südostecke ist ein Teehaus (Chashitsu) angebaut, nahe einer dreiteiligen Brücke über den Teich. Der Garten (Meisho teien; Meisho = Ort von landschaftlicher Schönheit, Teien = Garten) vor dem O-Shoin, von dem gesagt wird, er sei von Kobori Enshu angelegt und besonders von Sen no Rikyu wertgeschätzt (aber nicht gestaltet) worden, ist als nationale Stätte besonderer landschaftlicher Schönheit klassifiziert. Seine Wurzeln liegen im Shounzen-ji, dem Vorgängertempel. Im Jahre 1674 wurde der Garten 1674 wiederhergestellt, nachdem der Tempel erweitert worden war. Er galt seinerzeit als einer der besten und schönsten Gärten im ganzen Bereich Higashiyama. Der 7. Abt, Unsho, kümmerte sich besonders um den Garten und ließ ihn zu einem Meisterwerk der Gestaltung werden. 1947 wurde er bei einem Brand zerstört und danach auf erhaltenem Layout wiederhergestellt. Die kugelig geschnittenen Büsche, die unzähligen Azaleen und Felsen bauen sich jenseits des von Steinbrücken (Ishibashi) überspannten Gartenteichs malerisch an einem künstlichen Hügel (Tsukiyama) auf und inszenieren eine Landschaft wie aus einer chinesischen Tuschemalerei. Dabei ist der Hügel, zu Zeiten seiner Entstehung künstlerische Avantgarde, ein Abbild des Lu-shan (jp. Rozan) in der heutigen chinesischen Provinz Jiangxi, und der See entspricht dem Chang Jiang. Die Veranda des O-Shoin kommt dem Rand des Teiches so nahe, daß der gewollte Eindruck eines Tsuridono entsteht, eines Pavillons zum Fischen. Dieses Gestaltungselement entstand mit dem Stil Shinden-Zukuri in der Heian-Zeit.
Der Garten wurde ab 2009 von der Firma Ueyakato Landscape restauriert; als Grundlage der Wiederherstellung diente eine Darstellung aus der Edo-Zeit, das 1799 entstandene Gemälde "Miyako Rinsen Meisho-zue". Dabei wurden vor allem die Ufer des Teiches restauriert, indem alle Steine einzeln numeriert, abgebaut und nach Festigung wieder exakt in der gleichen Lage eingebaut wurden. Die Verschattung durch zu hoch gewordene Bäume wurde aufgehoben. Eine flächig zusammengewachsene Azaleenhecke am jenseitigen Teichufer wurde so zurückgeschnitten, daß wieder einzelne kugelige Büsche unterscheidbar wurden.
Im Innern des O-Shoin schmückt eine moderne Replik des Shoheki-ga von Hasegawa Tohaku (1539-1610) und seinem Sohn Hasegawa Kyuzo die Rückwand eines Raumes, blühende Bäume auf Goldfolie, begonnen vom Sohn, nach dessen Tod mit 25 Jahren vom Vater vollendet. Das Original befindet sich im Schatzhaus. Der Vergleich zeigt, wie viel bunter und flacher die Kopien sind; die musealen Originale haben so viel mehr Tiefe und Leben. Außer diesem Hauptblickfang sind noch etliche weitere Fusuma und Shoheki-ga in den Räumen des O-Shoin ausgestellt.
Einige bemalte Fusuma (Fusuma-e) sind bemerkenswert: Insho Domoto (Inshou Doumoto, 25.12.1891-5.9.1975), ein Nihonga-Künstler, erhielt vom Kloster die Erlaubnis, die dem Garten zugewandten neuen Fusuma (Schiebetüren) zu bemalen. Er wich dabei vom traditionellen, klassischen Dekorationsstil ab. Auf den Fusuma befindet sich ein Bild mit zwei Frauen beim Tee aus dem Jahre 1958, die linke Frau im Kimono, die rechte in westlicher Kleidung.
Nördlich des Kondo und östlich des Daishido befindet sich eine weitere Gebäudegruppe. In der Nähe der Nordostecke des Kondo befindet sich der Komeiden. Im Norden davon steht ein langer, schmaler Querriegel. Dahinter liegt als Hauptgebäude eine 5 x 6 Ken große Halle, der Edo-zeitliche, im Jahre 1667 errichtete Kaisan-do oder Mitsugon-do, umgeben von etlichen kleineren Gebäuden, darunter auch ein paar Shinto-Schreine, ein weiterer Glockenturm, ein feuersicheres Lagerhaus etc. Der Mitsugon-do, in dem eine Statue des Kogyo Daishi verehrt wird, des Erneuerers der Shingon-Schule, erinnert mit seinem Namen an den Tempel Mitsugon-in, in dem Kakuban gelebt hat und in der er eine Klageschrift über den Zustand der Shingon-Schule verfaßt hatte. Diese Halle wurde unter Abt Unsho errichtet, dem 7. Abt des Tempels. Er selbst kalligraphierte im Jahre 1672 die über dem Eingang angebrachte Schrifttafel mit den Zeichen "Mitsugon-do". Hier stehen am Zuweg zum Kaisan-do auch eine Bronzestatue von Kogyo Daishi (Kogyo-daishi-zo) und Steinlaternen. An der Ostseite steht eine interessante shintoistische Gruppe, bestehend aus einem Torii im Süden, einem Haiden in der Mitte und einer Halle für drei innen aufgestellte Einzelschreine im Norden. Am weg zum Daishido stehen drei Paare von Steinlaternen und zwei Statuen von Kobo Daishi (Kobo-daishi-zo, links vom Weg) und Kenji Daishi (Ken-ji daishi-zo, rechts vom Weg).
Der Chishaku-in bietet die Möglichkeit der Übernachtung in seiner Tempelherberge (Shukubo), dem modernen Chishaku-in Kaikan, im Südwesteck des Geländes, an der Einmündung der Hiyoshi Minami Michi in die Higashi Oji Dori gelegen. Mit der Übernachtung verbunden ist die Möglichkeit (und Erwartung), an der um 6 Uhr morgens abgehaltenen Andacht mit Sutra-Lesung teilzunehmen. Bedingung zum Übernachten: Ausreichende japanische Sprachkenntnisse oder Begleitung mit solchen.
So-mon
Kita-mon
Kuri
Kuri
Dai-Genkan mit Kamon des Tempels
Dai-Genkan
Kodo (Lehrhalle) von Südwesten jenseits der Mauer gesehen
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf google maps:
https://www.google.de/maps/@34.9881824,135.7760569,18.5z - https://www.google.de/maps/@34.9885831,135.7759337,250m/data=!3m1!1e3
auf Wikipedia: https://en.wikipedia.org/wiki/Chishaku-in
Shingon-shu Chizan-ha: https://en.wikipedia.org/wiki/Shingon-sh%C5%AB_Chizan-ha
Stephen Mansfield: Chishaku-in: a Kyoto garden of deep repose,
online: https://www.japantimes.co.jp/life/2014/03/29/lifestyle/chishaku-in-a-kyoto-garden-of-deep-repose/
Webseite des Tempels: http://www.chisan.or.jp/ - http://www.chisan.or.jp/english/
Insho Domoto: https://en.wikipedia.org/wiki/Insh%C5%8D_D%C5%8Dmoto
Dainichi Nyorai: https://www.univie.ac.at/rel_jap/an/Ikonographie/Dainichi
auf Kyotoholic: http://kyotoholic.com/album/e/chishakuin.html
auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report179.html
auf JPManual: http://jpmanual.com/en/chishakuin
auf Japan-Kyoto: https://japan-kyoto.de/tempel-chishakuin-kyoto/
auf Kyoto Asanoxn von Asano Noboru: http://kyoto.asanoxn.com/places/higashiyama_sth/chishakuin.htm
auf Tale of Genji: http://www.taleofgenji.org/chishakuin.html
Kyoto Jusan Butsu: http://www.taleofgenji.org/kyoto_jusan_butsu_pilgrimage.html - https://en.wikipedia.org/wiki/Thirteen_Buddhist_Sites_of_Kyoto - https://en.wikipedia.org/wiki/Thirteen_Buddhas - http://kyoto.13butsu.org/ - https://www.jisyameguri.com/junrei/kyoto13/
Restaurierung des Gartens: http://ueyakato.jp/en/gardens/chisyakuin/ - https://ueyakato.jp/en/heritageworks/chisyakuin/
Kakuban: https://de.wikipedia.org/wiki/Kakuban
Negoro-ji: https://de.wikipedia.org/wiki/Negoro-ji
Ian Littlewood, Ayumi Oe Littlewood: Kyoto Without Crowds, A
Guide to the City's Most Peaceful Temples and Gardens, 264 S.,
CreateSpace Independent Publishing Platform, 1. Auflage 2018,
ISBN-10: 1978158998, ISBN-13: 978-1978158993, S. 119-122
Fudo-Pilgerweg: http://www.kinki36fudo.org/index.html
Der Chishaku-in als Fudo-Pilgertempel: http://www.kinki36fudo.org/20.html
Chishaku-in, Teil (2): Shoro, Kondo und Myooden - Chishaku-in, Teil (3): Daishido, Mitsugondo und Nordostbereich - Chishaku-in, Teil (4): Kodo, O-Shoin, Shinden und Garten
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