Bernhard
Peter
Sprache:
Verben (2): Verbklassen und Flexionsformen
verschiedene
Formen von Verben (Doushi)
Im ersten Kapitel stand im
Vordergrund, möglichst unkompliziert möglichst viel erreichen
zu können. Dort wurde einfach nur der grundlegende Umgang mit
Verben dargestellt samt wichtigen Flexionsformen und Anhängen.
Doch warum das alles genau so ist, verdient einen genaueren
Blick, deshalb geht es in diesem Kapitel um die systematische
Betrachtung von Verben und Vertiefung der zugrundeliegenden
Grammatik.
Der Reisende braucht Verben eigentlich immer nur in der Masu-Form "im täglichen Betrieb" (dazu unten mehr). Doch das ist nur eine der vielen möglichen Formen, und es ist die Höflichkeitsform, nicht die Grundform. Die Grundform sagt genau das Gleiche aus, nur ist sie neutral, nicht höflich. In der Grundform reden enge Freunde miteinander. Die Wörterbuchform ist also grundsätzlich nicht höflich. Für den Reisenden ist jedoch immer die höfliche Form mit -masu angemessen, deshalb ist die Bildung derselben ein ganz wichtiger Punkt. Wir regeln im Deutschen die Höflichkeitssprache durch die Anrede ("Sie", "Ihnen"), und das Verb folgt dieser Form. Daß das Verb im Japanischen nicht einer grammatikalischen Person folgen kann, wurde dargelegt. Deshalb wird das Verb an sich in eine höfliche Form gebracht, in die masu-Form.
Die Wörterbuchform
lautet z. B.:
|
Die Höflichkeitsform
lautet z. B.:
|
Die Grundform ist jedoch in den Lexika gelistet, deshalb nennt man sie auch die Wörterbuchform. Vielfach wird sie mit dem Wort "Infinitiv" übersetzt - doch eigentlich ist das falsch, denn 1.) im Japanischen gibt es keinen Infinitiv im Sinne einer nicht-flektierten Grundform wie "essen", und 2.) stimmt die Funktion nicht mit der eines Infinitivs überein, denn die Grundform eines japanischen Verbs stellt einen vollständigen Satz dar, der deutsche Infinitiv aber nicht. Der deutsche Infinitiv "essen" ist kein vollständiger Satz, die Grundform "taberu" hingegen bedeutet z. B. "er ißt.", was ein einfachstmöglicher, nicht höflicher, aber vollständiger Satz ist. Ein solcher Einwortsatz wie "taberu." wäre im Japanischen folglich korrekt. Alle Satzteile, die aus dem Kontext klar sind, können weggelassen werden (Sprachökonomie). Im Deutschen ist das anders, je nach Prädikat ist eine unterschiedliche Mindestanzahl von Satzgliedern erforderlich.
Wer sich mit japanischen Verben befaßt, erlebt ein paar Überraschungen im Vergleich zur gewohnten (deutschen) Grammatik:
Verben
(Doushi), Joshi und Jodoushi
Verben heißen Doushi.
Allerdings besteht keine 100%ige Übereinstimmung zwischen Doushi
und Verben, weil es auch einige Doushi gibt, die eine Eigenschaft
beschreiben. Japanische Verben kann man sich wie einen Güterzug
vorstellen: Der Verbstamm ist die Lokomotive. Da werden hinten
bestimmte Waggons = Informationen angehängt. Diese brauchen die
richtige Kupplung am anderen Ende, damit das auch klappt. Diese
richtigen Kupplungen erzeugen wir durch Verbflexion. Die Funktion
der Flexionsformen japanischer Verben ist eine syntaktische. Sie
geben also nicht Tempus, Numerus oder Person an, sondern, ob der
Satz hier endet oder weitergeht, ob ein Nomen näher beschrieben
wird oder ob es sich um einen Befehl handelt. An diese
so vorbereitete "Lokomotive" können nun verschiedene
und sogar mehrere Endungen ("Waggons") hinten
angehängt werden.
Diese Endungen (Suffixe) heißen Jodoushi. Sie heißen so, weil sie an ein Doushi angehängt werden, um seine Bedeutung zu modifizieren, z. B. zu verneinen oder höflich zu machen. Sie sind selbst wiederum flektierbar. Jodoushi dürfen nicht mit Joshi verwechselt werden, das sind die nach Nomen stehenden Partikeln. So kann man auch verschiedene Waggons hintereinander koppeln, einen für die Vergangenheit, einen für die Verneinung, einen für die Vermutung und vielleicht noch einen für die Höflichkeit. Wenn man beispielsweise ausdrücken möchte, daß jemand jemanden zum Essen veranlaßt zu haben scheint, wird daraus: tabe-sase-ta-rashii-desu, mit -sase für den Kausativ, -ta für die Vergangenheit, -rashii für die Vermutung und -desu für die Höflichkeit. Über solche Endungen ("Waggons") kann man sogar die Einstellung des Sprechers zum Gesagten ausdrücken, z. B. wie er selbst die Information einschätzt, ob er etwas nur vermutet, ob er davon ausgeht, daß der Adressat seiner Worte mit ihm einer Meinung ist, daß das Gesagte für ihn unangenehm ist oder ob das Berichtete für ihn unerwartet kommt etc. Es sind unendlich viele modulierende Begleitinformationen, die über diese Anhängsel dem Verb mitgegeben werden können.
Hier wird der Unterschied zwischen Joshi und Jodoushi am besten erklärbar: Joshi = Partikeln sind nicht flektierbar. Sie führen zum Kettenabbruch, es kann kein Waggon mehr angehängt werden. Joshi führen zu einem Agglutinations-Stop. Jodoushi hingegen werden angehängt, selber flektiert und koppeln weitere Elemente hinten an. Den Begriff "Jodoushi" kann man mit "Hilfsverb" übersetzen, jo = helfen, doushi = Verb. Sie haben aber nichts mit deutschen Hilfsverben wie werden, müssen, sollen, wollen etc. zu tun. Jodoushi sind vielmehr nichtselbständige Elemente, die alleine nicht lebensfähig sind, sondern nur durch Anhängen an ein Verb oder an die Copula "desu" ihre Existenzberechtigung bekommen. Sie variieren die Bedeutung des Verbs. Typische Jodoushi sind
Joshi hingegen sind nicht flektierbare Anhängsel. Gleich den Jodoushi erfordern sie die Vorbereitung der Kupplung durch Flexion des vorangehenden Elements. Anders als die Jodoushi sind sie selbst nicht flektierbar, und deshalb geht es danach nicht weiter: Man kann nichts an Joshi anhängen.
Das
Phänomen der Flexionsformen von Verben (Doushi)
In der eingangs gezeigten
Tabelle fällt auf, daß die Grundform immer auf -u
endet. Weiterhin fällt auf, daß der letzte Teil der
Grundform wegfällt und in der masu-Form durch etwas anderes
ersetzt wird, und wie das genau geht, ist unterschiedlich: Mal
wird der letzte Vokal beibehalten, mal ändert er sich, mal wird
noch etwas eingeschoben, mal wird ein Konsonant noch geändert
und an den neuen Vokal angepaßt. Im Fazit stellen wir fest, daß
sich verschiedene Verben unterschiedlich verändern, wenn sie in
die masu-Form überführt werden. Es gibt aber nicht nur die
Endung -masu, sondern viele andere Endungen, wie z. B. die
neutrale Verneinungsendung -nai. Und da wiederum stellen wir
fest, daß eine andere Endung eine andere Veränderung der
Grundform nach sich zieht. Beispiele:
Die Wörterbuchform
lautet z. B.:
|
Die Höflichkeitsform
lautet z. B.:
|
Die neutrale
Verneinungsform lautet z. B.:
|
Die höfliche
Verneinungsform lautet z. B.:
|
Wir sehen, wie stark sich der Stamm hinten vokalisch und sogar konsonantisch verändern kann. In Hiragana geschrieben sieht es sogar noch schlimmer aus, weil für die ganze Silbe ein neues Zeichen ins Spiel kommt, wenn der Vokal geändert wird. Geschrieben haben die verschiedenen Formen ein völlig unterschiedliches Aussehen. In zweisilbigen Grundformen bleibt oft nur das erste Hiragana-Zeichen gleich. Bei den Verben suru und kuru ist sogar kein einziges Zeichen identisch mit denen der Grundform, in Hiragana geschrieben. So ganz ohne Erklärungen betrachtet, sieht das nach einer ziemlichen Willkür aus - ist es aber nicht. Dieses Kapitel will erklären, warum das alles streng logisch ist. Man muß es nur systematisch angehen, dann erscheint das japanische Flexionssystem viel ausnahmeärmer als die Konjugation in europäischen Sprachen. Und wir müssen uns an viele neue und für uns erst einmal seltsame Funktionen der Endungen gewöhnen. Dazu müssen wir folgende fundamentale Grundsätze verinnerlichen:
Übrigens haben nicht nur Verben Flexionsformen: Auch sehr viele Anhängsel an Verben und auch Adjektive sind flektierbar und können die im folgenden beschriebenen Formen annehmen. Es sei auf die Kapitel zu den i- und den na-Adjektiven verwiesen, wo ebenfalls die Flexionsformen die Basis der Gestaltung bilden. Die japanische Sprache ist also nicht nur in Bezug auf die Verben, sondern insgesamt und auf fundamemntale Weise vom Flexionssystem durchdrungen.
Die sieben
Flexionsformen von Verben (Doushi)
Insgesamt werden sieben
verschiedene Flexionsformen unterschieden. Diese Formen
haben nichts mit unserer Konjugation zu tun, weil sie keine
Personenangaben enthalten und keine Mengenangaben und auch keine
Tempusangaben. Flexionsformen sind eine Vorbereitung des
Stammes zur Ankopplung von Endungen, damit diese passen. Die
Funktion der Flexionsformen japanischer Verben ist eine
syntaktische. Sie geben an, ob der Satz hier endet oder
weitergeht, ob ein Nomen näher beschrieben wird oder ob es sich
um einen Befehl handelt. Die sieben Flexionsformen
tragen folgende Namen:
Im einzelnen haben diese sieben Flexionsformen folgende Bedeutungen, gezeigt am Verb hanasu = sprechen:
MZ Mizenkei = Verneinungsforn = Indefinitform. Der Name bedeutet mizen = noch nicht eingetreten und kei = Form. Charakteristika: 1) die MZ kann NICHT alleine für sich stehen. Keine eigenständige Funktion möglich, dient nur zum Anhängen. 2.) Die MZ ist für zwei Arten von Anhängseln da, a) für Suffixe, die ausdrücken, daß man die beschriebene Handlung NICHT tut, und b) für solche, die ausdrücken, daß man (also das Subjekt) die beschriebene Handlung NICHT SELBST tut. Deshalb benutzt man die MZ für die Verneinung mit -nai etc., weiterhin für Ausdrücke, die die Handlung ausschließen oder nicht stattfinden lassen. Beispiele: hanasa-nai = nicht sprechen, hanasa-na-katta = nicht gesprochen haben, hanasa-semasen = laß mich nicht reden, hanasa-semasu = laß mich sprechen. Auch für Konstruktionen wie "ohne zu sprechen" oder "anstatt zu sprechen" = hanasa-zu-ni wird die MZ als Basis benutzt. Auch Passiv und Kausativ benutzen die MZ als Ausgangsform.
RY Renyoukei = Anschlußform = das ist nach der Grundform die wichtigste Form für den Alltagsgebrauch, weil man hier fast alles ankuppelt, was geht. Der Name bedeutet: Renyou = zum Verbinden benutzt, kei = Form. Charakteristika: 1.) die RY kann alleine für sich stehen. 2.) Die Funktion der RY ist es, zu zeigen, daß der Satz weitergeht und eben nicht mit dem Verb zu Ende ist. Die RY führt also den Satz weiter. Wenn man die RY benutzt, spricht man symbolisch ein Komma, und danach geht es weiter. Deshalb ist die RY die wichtigste Form, um Endungen anzuhängen. Insbesondere die höfliche masu-Form und die Endungen gehobener Schriftsprache benötigen die RY, um daran anzudocken. Die meisten Jodoushi benötigen die RY, um angehängt werden zu können. Oder sagen wir salopp: Wenn man irgendwas anhäöngen will und die RY verwendet, liegt man zu 2/3 richtig. Beispiel: Hanashi = sprechen, aber wie genau, das kommt gleich dahinter, z. B. hanashi-masu = höflich sprechen, oder hanashi-masen - höflich nicht sprechen. was dahinter folgt, ist also selber wieder veränderlich, und das bildet dann den Abschluß des Satzes.
SS Shuushikei = Endform = Grundform = Wörterbuchform. Wichtigste Charakteristika: 1.) die SS kann kann alleine für sich stehen und einen vollständigen Einwortsatz bilden. 2.) Die Funktion der SS ist es, zu zeigen, daß hermit der Satz zu Ende ist, daß dieses Verb den Satz beendet. Wenn man die SS benutzt, spricht man symbolisch den Punkt am Ende des Satzes mit. Davon leitet sich auch der Name ab: shuu = enden, shi = aufhören und kei = Form. Im Normalfall endet jeder Satz also mit einer SS am letzten flektierbaren Element. Oder anders herum ausgedrückt: Damit ein Satz grammatikalisch korrekt abgeschlossen wird, muß das letzte, hinterste flektierbare Element in der SS stehen. Beispiel: Hanasu. = Er spricht.
RT Rentaikei = Attributform = in 99% aller Fälle identisch mit der SS, also der Grundform. Charakteristika: 1.) die RT kann alleine für sich stehen. 2.) Die Funktion der RT ist es, mit dem Verb ein danach folgendes Substantiv zu beschreiben. Man benutzt sie, wenn man ein Partizip als Attribut einsetzt, z. B. in Relativsätzen. Die RT gibt an, daß der Satz dahinter weitergeht, und daß ein Nomen folgt, dessen Tätigkeit das Verb beschreibt. Beispiel: Hanasu hito = ein sprechender Mensch.
IZ Izenkei = Charakteristika: 1) die IZ kann NICHT alleine für sich stehen. Keine eigenständige Funktion möglich, dient nur zum Anhängen. 2.) Die IZ hat nur zwei Funktionen: a) für die Wenn-Form (Konditional) wird -ba angehängt, Beispiel: hanase-ba = wenn ich spreche, oder hanase-nakere-ba = wenn du nicht sprechen kannst, b) für die Können-Form (Potential) wird -ru (neutral) oder -masu (höflich) angehängt, Beispiel: hanase-ru = ich kann sprechen, hanase-masu = ich kann sprechen, höflich, hanase-masen = ich kann nicht sprechen, höflich. Die Verwendung der IZ ist auf diese beiden Anwendungen beschränkt.
MR Meireikei = Befehlsform eines Verbs. Charakteristika: 1.) die MR kann alleine für sich stehen. 2.) Die Funktion der MR ist es, dem Verb eine befehlende Wirkung zu geben. Insbesondere für sich alleine oder am Satzende ist das ein nicht höflicher, sehr direkter Befehl (den man in dieser Form besser nie verwendet). Beispiel: Hanase! = Rede schon endlich! Oder sinngemäß: Rede gefälligst, mach das Maul auf! So ähnlich grob wäre das für japanische Ohren.
SR Suiryoukei = Vermutungsform (Präsumptiv) eines Verbs und Wollensform eines Verbs (Volitional). Ein anderer Name ist Dubitativform. Benutzt wird sie für Vermutung, Vorschlag oder Willensäußerung, typischerweise für ein "laßt uns sprechen!". Charakteristika: 1) die SR kann NICHT alleine für sich stehen. Keine eigenständige Funktion möglich, dient nur zum Anhängen. 2.) Die SR hat nur eine einzige Funktion, nämlich "u" angehängt zu bekommen. Weil die SR immer auf -o endet, ergibt sich damit als einzige grammatikalisch verwendete Form die Endung -ou, also langes "o". Beispiel: hanaso-u = vermutlich sprechen. Das wäre die neutrale Variante, höflich wäre das hanashi-mashou, also wird die SR nach hinten verlagert an das masu, das nun selber flektiert wird, während vorne die RY von hanasu steht. Je nach Kontext würde das auch bedeuten: Laß uns sprechen.
Fazit: Wir haben 7 Flexionsformen. Alle sind syntaktischer Natur. Vier davon (RY, SS, RT und MR) können für sich alleine stehen und anzeigen, welche Funktion das Verb in Bezug auf die Syntax des Satzes hat (Satzende, Satz-Weiterführen, Substantiv beschreiben, Befehl), die drei anderen (MZ, IZ und SR) nicht. Sechs Formen, alle außer der Befehlsform, haben die Aufgabe, Docking-Station für nachfolgende Suffixe zu sein (und da gibt es Hunderte...). Von der Art des Suffixes hängt es ab, was für ein Docking-Partner benötigt wird. Für die Praxis am wichtigsten sind die RY für die masu-Form und die MZ für die Verneinung mit -nai. Die Grundform sollte man kennen, sobald man Nachschlagewerke benutzt. Alle anderen Formen sind zunächst einmal "höhere Weihen", denn wer -ba (erfordert IZ) für eine Wenn-Form oder -u (erfordert SR) für eine Vermutungsform verwenden möchte, darf sich getrost zu den Fortgeschrittenen zählen.
Die Quellenlage ist gemischt und nicht einheitlich. Manchmal finden sich in Grammatik-Werken für die Fomen 5 und 7 abweichende Bezeichnungen, so wird mit der Kateikei (katei bedeutet Hypothese oder Vermutung, kei = Form) eine Konditionalform und mit der Ikoukei eine Absichtsform anstelle von Izenkei und Suiryoukei formuliert. Inhaltlich ist dasselbe gemeint. Die Suiryoukei wird auch mal als Shikoukei (Intentionalform) präsentiert.
Die siebte und letzte Flexionsform, die Suiryoukei, gibt es erst mit dem modernen Japanisch; im klassischen Japanisch gab es sie nicht, da gab es auch nur sechs Flexionsformen.
Es gibt eine zweite Form der RY Renyoukei, die entweder als RY* oder als Onbinkei bezeichnet wird. Für die einen ist es eine Untereinheit der RY, für die anderen ist es ein separater Fall. Der Name leitet sich ab von onbin = Lautverschiebung und kei = Form. Diese Form ist erst im modernen Japanisch nach 1945 entstanden.
Das heißt, wir haben in der Literatur mehrere Schemata, von 6 Formen im klassischen alten Japanisch bis zu maximal acht, wenn wir die im modernen Japanisch hinzugekommenen Suiryoukei und Onbinkei dazurechnen, oder doch nur sieben, wenn wir die Onbinkei nicht als eigenständige Form führen, sondern als Parallelform der Renyoukei. Manche sehen auch nicht den funktionellen Unterschied zwischen Shuushikeii und Rentaikei, weil sie in 99% der Fälle phänotypisch gleich sind. Dazu kommen noch mehrere Bezeichnungen für einzelne Fälle. Das heißt, wir sind von Einigkeit in den Quellen weit entfernt. Manche Grammatiken machen es sich auch ganz einfach und sagen, daß diese theoretischen Modelle keine Rolle in der Praxis spielen. Wir folgen hier dem eingangs vorgestellten Schema, weil es am logischsten die Formenbildung erläutert.
Die vier
Verbklassen
Insgesamt werden vier
verschiedene Verbklassen unterschieden.
Alternativ verbuchen manche Grammatikwerke die Verben "suru" und "kuru" unter "unregelmäßige Verben" (fukisoku doushi) und unterscheiden damit nur drei Verbklassen. Warum das unangemessen ist und warum wir dem hier nicht folgen, wird im Kapitel zu den Suru-Verben erläutert. Manche Grammatik-Werke splitten die einstufigen Verben noch einmal auf, was aber, wie unten erläutert wird, nicht hilfreich ist und nichts bringt. Auch diesem Ansatz folgen wir hier nicht. Deshalb werden hier die japanischen Verben nicht in drei und nicht in fünf, sondern in genau vier Klassen eingeteilt.
Zu welcher Verbklasse gehört ein Verb? Im Grunde ist das ganz einfach mit folgendem Entscheidungsbaum:
In Wörterbüchern werden einstufige Verben mit dem Zahl-Kanji ICHI/hito(tsu) gekennzeichnet; analog ist die Kennzeichnung für fünfstufige Verben das Zahl-Kanji GO/itsu(tsu).
Anmerkung zu den fünfstufigen Verben: Es gibt ein paar Unterschiede zwischen klassischem Japanisch und modernem Japanisch. Dazu gehört, daß sich erst im modernen Japanisch die fünfte Flektionsstufe mit der Absichts-/Aufforderungsform entwickelt hatte. Im alten, klassischen japanisch bekamen diese Verben nie die Endung -o. Deshalb wird diese Verbgruppe in ganz alten Einteilungen, die sich am klassischen Japanisch orientieren, auch als "vierstufig flektierende Verben" bezeichnet. Das ist durch die Ingebrauchnahme der -o-Endung durch den tatsächlichen Sprachgebrauch überholt, und sie werden heute als fünfstufig bezeichnet. Dies nur als Info, was diese veraltete Bezeichnung ausdrückt, nämlich das Gleiche.
Flexion
von Jodoushi: Die Formen von -masu
Jodoushi sind die
flektierbaren Anhängsel von Verben. Jede Höflichkeitsform
benutzt die Endung -masu, deshalb ist sie eine der
wichtigsten Jodoushi überhaupt. Die Basis des
Anhängens von -masu bildet immer die RY Renyoukei =
Anschlußform. Im Deutschen wird das Problem der
Höflichkeitsebene durch die Wahl der Person und entsprechende
Anpasssung des Verbs an diese geregelt. Das geht im Japanischen
nicht. Im Gegenteil, man verwendet im japanischen so wenig
Pronomen wie nur möglich. Umgekehrt ist es im Deutschen
unnterscheidbar, was der Japaner macht: Unter Freunden heißt
"ich spreche" hanasu, unter Fremden aber heißt
"ich spreche" hanashimasu. Dieses -masu setzt ein
beliebiges Verb in die höfliche Form. Diese Höflichkeit
gibt es nur am Ende eines Satzes, nicht in der Mitte.
"Masu" kann grundsätzlich nur an Verben angehängt
werden, nie an Adjektive. Das Jodoushi "-masu"
ist selber flektierbar:
Was brauchen wir davon und warum?
Wir haben oben die positive Gegenwart, die negative Gegenwart und die positive Vergangenheit, jeweils höflich. Als nächstes wollen wir uns der negativen Vergangenheit zuwenden, denn die Bildung ist etwas kompliziert. Natürlich merkt man sich am besten einfach, daß sie "-masen deshita" heißt. Aber warum bloß? Wir wollen doch verstehen,. wie es zu dieser Konstruktion kommt, die wir lernen. Wir müßten dazu das Vergangenheitsmerkmal "ta" mit dem Verneinungsmerkmal "n" kombinieren. "ta" erfordert die RY, "n" erfordert die MZ. Also Verb + die MZ von "masu" + die RY von "n" + "ta". Also "-mase-n" und weiter mit "-ta". Problem: "n" hat nur zwei Formen, die SS und die RT. Beide lauten "n". "n" hat keine RY, folglich können wir auch kein "ta" anhängen. Die Lücke zwischen "-masen" und "-ta" ist nicht überbrückbar und bleibt. Aber "-ta" können wir auch nicht alleine stehen lassen.
Was tun wir allgemein im Japanischen, wenn es irgendwo nicht weitergeht und wir irgendeinen Abschluß brauchen? Wir nehmen die Copula "desu". Das ist unsere Standardmethode, irgendwas im Satz ordentlich zum Abschluß zu bringen, wenn es anders nicht geht. Und von "desu" können wir eine RY bilden, hurra! Sie lautet "deshi". Und da kann man endlich das "-ta" für die Vergangenheit dranhängen zu "deshita". Aus "-mase + -n + unüberbrückbare Lücke + deshi + -ta" setzt sich das "masen deshita" zusammen. Das "desu" ist hier nur Träger von "-ta", weil "-ta" die RY benötigt, die es von "-n" nicht gibt. Und ehe es einen Kettenabbruch des Satzes mit Knoten in der Zunge wegen nicht vorhandener Grammatik gibt, wird "desu" eingeschoben. Irgendwie müssen wir den Satz ja logisch korrekt zum Ende kommen lassen, deshalb dieser Griff in die Trickkiste. Also ist die Form für "ich habe nicht gesprochen" nun "hanashimasen deshita".
Zur Übesicht noch einmal die vier wichtigsten Formen von "-masu":
positiv | negativ | |
Gegenwart | -masu | -masen |
Vergangenheit | -mashita | -masen deshita |
Mit unserem Beispielverb "hanasu", von dem die RY gebildet wird, um überhaupt "-.masu" ankoppeln zu können:
positiv | negativ | |
Gegenwart | hanashimasu ich spreche |
hanashimasen ich spreche nicht |
Vergangenheit | hanashimashita ich habe gesprochen |
hanashimasen deshita ich habe ncht gesprochen |
Literatur,
Links und Quellen:
Martin und Maho Clauß:
Japanisch Schritt für Schritt, Band 1, der Sprachkurs für
Unterricht und Selbststudium, Book on Demands, 2014, ISBN:
978-3-7322-9974-4
Herbert Zachert: Japanische Umgangssprache, 4. Auflage, Otto
Harrassowitz Verlag Wiesbaden, 1976, ISBN 3-447-01814-3
Detlef Foljanty, Hiroomi Fukuzawa: Japanisch intensiv I: Ein
Lernbuch mit Lösungen, H. Buske, 3., bearbeitete Auflage 1998,
unveränderter Print-on-Demand-Nachdruck Books on Demand 2021,
599 S., ISBN-10: 3967691152, ISBN-13: 978-3967691153
Grundkurs Japanisch, Video-Sprachkurs von Dominik Wallner: A1 Was
ist Verbflexion? https://www.youtube.com/watch?v=7W_P99Qo9SE - A2 Die sieben Flexionsformen https://www.youtube.com/watch?v=mKC870151LE - A3 Die Verbklassen https://www.youtube.com/watch?v=GTPzs4deOAM - A4 Flexion von 5-stufigen Verben https://www.youtube.com/watch?v=rBQVZWXKdnQ - A5 Beispiele für die Flexion 5-stufiger Verben https://www.youtube.com/watch?v=zXlMzntfVXk - A6 Flexion von 1-stufigen Verben https://www.youtube.com/watch?v=W28MyeqG_WY - A7 Flexion von suru-Verben https://www.youtube.com/watch?v=M9sVfXDaPQA - A8 Flexion von kuru https://www.youtube.com/watch?v=AmwTQIU9xYo - A9 Agglutination https://www.youtube.com/watch?v=7MFuMlyE2kU - A10 jodoushi versus joshi https://www.youtube.com/watch?v=F4Cz5h4ab-8 - A11 Finalpartikeln https://www.youtube.com/watch?v=hNnl00cYIGQ - A12 -masu und seine Formen https://www.youtube.com/watch?v=83yjEphaAi0 - A13 Transitiv vs. intransitiv https://www.youtube.com/watch?v=1fA611j-KG0
Dominik Wallner: Einführung in die japanische Grammatik,
Skriptum, Heidelberg 2008, online unter https://www.zo.uni-heidelberg.de/md/zo/japanologie/studium/japanische_grammatik.pdf
Verben und Flexion: https://konjugator.reverso.net/konjugation-regeln-vorlage-japanisch-infos.html
Suru-Verben: https://www.imabi.net/suruverbs.htm
Suru-Verben: https://app.memrise.com/course/1052801/japanische-verben-kennenlernen/18/
Verben auf Wadoku: https://www.wadoku.de/wiki/display/WAD/3.+Verben
Grundform auf Wadoku: https://www.wadoku.de/wiki/pages/viewpage.action?pageId=537
Verneinungsform auf Wadoku: https://www.wadoku.de/wiki/pages/viewpage.action?pageId=541
Anschlußform auf Wadoku: https://www.wadoku.de/wiki/pages/viewpage.action?pageId=566
Attributivform auf Wadoku: https://www.wadoku.de/wiki/pages/viewpage.action?pageId=574
Konditionalform auf Wadoku: https://www.wadoku.de/wiki/pages/viewpage.action?pageId=575
Befehlsform auf Wadoku: https://www.wadoku.de/wiki/pages/viewpage.action?pageId=584
Absichtsform auf Wadoku: https://www.wadoku.de/wiki/pages/viewpage.action?pageId=586
Verblisten: https://miruko.de/sprache/japanische-verben-liste/
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