Bernhard Peter
Shinto-Schreine: Kyoto, Nonomiya jinja


Lage und Erreichbarkeit, Touristisches
Der Nonomiya-jinja (wörtlich: der "Schrein in den Feldern") liegt im Stadtteil Arashiyama mitten im östlichen Teil des Bambuswaldes (Adresse: 1 Saganonomiyacho, Ukyo-ku, Kyoto, 616-8375). Dieser Shinto-Schrein ist nördlich des Tenryu-ji und südlich der Bahntrasse der Sagano Line an einer Abzweigung vom Hauptweg durch den Bambuswald im Kameyama Park zu finden. Wohl kaum jemand wird allein wegen dieses kleinen Schreins anreisen, deshalb wird er meist im Kontext mitgenommen und als kurzer Zwischenhalt aufgesucht, wenn man vom Tenryu-ji entweder nach Nordwesten in Richtung Nison-in bzw. Jojakko-ji oder nach Norden in Richtung Seiryou-ji bzw. Daikaku-ji geht. Der Bambuswald ist total von Touristen überlaufen, dieser Schrein ist es daher auch. Und seit Touristen mitbekommen haben, daß dieser Schrein für Ehewünsche zuständig ist, mangelt es nicht an Angebern, die hier theatralisch vor ihrer Freundin auf die Knie fallen, während Handykameras alles aufzeichnen. Heißt - die Stimmung ist hier so religiös wie auf einer Kirmes. Bei den aufgehängten Ema dominieren nichtjapanische Beschriftungen mit Wünschen. Es ist kaum vorstellbar, daß diese von Touristen geflutete Kleinigkeit von Schrein im Grunde ein sehr alter, früher einmal eng mit dem Kaiserhaus verbundener Schrein mit einer einzigartigen Bestimmung war, davon ist heute nichts zu spüren. Ab und zu kommen auch japanische junge Frauen, die hier ihrem Partnerwunsch nachhelfen möchten, aber der Großteil sind lärmende Touristen. Also ein kurzer Blick, und dann auf zu stimmungsvolleren Stätten.


Geschichte und Bedeutung
Dieser Schrein wurde ursprünglich errichtet, damit sich die zukünftigen Priesterinnen des Ise-jingu, die als Prinzessinnen der kaiserlichen Familie entstammten, hier bestimmten Reinigungsritualen unterziehen konnten. Unverheiratete Kaiserstöchter bzw. unvermählte weibliche Verwandte des Kaisers (Saiguu, auch: Saio, oder: Itsuki no miko) waren für diese Aufgabe prädestiniert. Der Aufenthalt hier dauerte ca. 1 Jahr, manchmal auch bis zu 3 Jahren. Wenn die Zeit der Abreise kam, wurde eine rituelle Reinigung am Katsura-Fluß durchgeführt, dann kam es noch einmal zu einer Verabschiedung im Kaiserpalast, und dann ging es unaufhaltsam nach Ise, eine ca. 6 Tage dauernde Reise, wobei die Reisegruppe mit allen Begleitern mehrere hundert Personen groß war. Weil die betroffene Person dann ins ferne Ise ziehen mußte und dort bleiben mußten, um Zeremonien durchzuführen und Opfer darzubringen, bis der Kaiser entweder abdankte oder starb, haftet diesem Schrein die Aura von Abschied und Traurigkeit an. Denn de facto war es in den meisten Fällen eine Reise ohne Wiederkehr. Einzige Hoffnung war ein Wechsel auf dem Thron: Der neue Kaiser wählte wiederum neue Saiguu aus, die nach den gleichen Reinigungszeremonien die anderen, vorherigen ablösten. Diesen Brauch gab es seit der Heian-Zeit, und der Schrein wurde das erste Mal um 800 erbaut. Die erste Saiguu, die so auf den Weg nach Ise gebracht wurde, war eine Tochter des Kaisers Saga. Zuerst wurde jedesmal ein neuer Nonomiya-Schrein an einer neu bestimmten Stelle errichtet. Der alte Schrein wurde nach Ankunft der Prinzessin in Ise abgebaut und verbrannt. Deshalb ist der jeweilige Standort auch nicht bekannt; ab der Heian-Zeit war es aber meistens in Sagano. Erst später wurde er eine dauerhafte Institution in Sagano.

Der Schrein wird bereits im Genji Monogatari (Geschichte des Prinzen Genji) im frühen 11. Jh. beschrieben (10. Kapitel), denn hier trifft der Prinz Genji die Frau Rokujou, deren Tochter als Ise-Priesterin vorgesehen ist und hier ihre Vorbereitungszeit hat. Genji will hier am Schrein seine Affäre mit der Mutter erneuern, und diese ist hin- und hergerissen zwischen ihrer Rolle als Geliebte und ihrer Rolle als Mutter der zukünftigen Priesterin. Es wurde ein bittersüßer Abschied für immer, denn sie begleitete ihre Tochter nach Ise. Auch wenn dieser Schrein auf den ersten Blick unscheinbar ist und auch seit dem 19. Jh. als Son-sha (Dorfschrein) klassifiziert wurde, so gewinnt er doch Bedeutung durch seine lange Geschichte und durch die Verbindung zum Ise-Schrein, einem der wichtigsten und höchstangesehenen des Landes. Es gibt auch ein Noh-Stück des Namens Nonomiya (Zeami: "der Schrein in den Feldern"), das an die Geschichte anknüpft.

Mit den Verwandten des Kaisers Go-Daigo endete der Saiguu-Brauch im 14. Jh.; es war die Zeit der Spaltung des kaiserlichen Hofes, und man hatte andere Sorgen, so gab man den Brauch der Saiguu auf. Der Schrein paßte sich an und wurde zur Verehrungsstätte von Amaterasu Omikami, in Analogie zum Ise jingu, wo ebenfalls die Sonnengöttin verehrt wird. Es wurde mit dem Nonomiya-dera ein Nonnenkloster errichtet, und der Schrein wurde zum Wächterschrein des Tempels. Während des Onin-Krieges (1467-1477) wurde der Schrein zerstört. Unter Kaiser Go-Nara (1497-1557) und Kaiser Nakamikado (1709-1737) wurde der Schrein jeweils wiederbelebt, der seine enge Bindung an das Kaiserhaus beibehielt. Die beiden genannten Kaiser übertrugen dem kaiserlichen Tempel Daikaku-ji in Arashiyama die Aufgabe, den Schrein zu unterhalten. Dennoch nahm der Schrein an Bedeutung und Größe immer mehr ab. Erst 1873 wurde der Schrein zum Dorfschrein herabgestuft. 1994 erhielt der Schrein neuen Aufschwung durch den Besuch des kaiserlichen Prinzen Akishino, und auch heute kümmert sich die kaiserliche Familie um den Unterhalt des Schreins.


Schreinfeste und Veranstaltungen
Im Oktober eines jeden Jahres findet seit 1999 ein Schreinfest zum Gedenken an die früheren Prinzessinnen statt. Mit einer Prozession namens Saiguu Gyouretsu und der Itsuki-no-miya-Parade spielt man das heute nach, wie die Prinzessinnen zum Fluß an der Togetsukyo-bashi zogen und dort rituell gereinigt wurden; die Reinigungszeremonie wird Gyokei-no-gi genannt. Diese Prozession war nach ca. 600jähriger Pause zum Gedenken wiederbelebt worden. Ansonsten feiert man am Schrein am 3.2. Setsubun, am 15.5. Saga Matsuri Shinkousai, am 22.5. Saga Matsuri Kankousai, am 30.6. Nagoshi no harae (Sommer-Reinigungs-Ritual), am 8.11. Momiji Matsuri und im Dezember Arashiyama Hanatouro.


Rundgang und Beschreibung
Die Gebäude sind eingebettet in eine idyllische Lichtung mit Moosteppichen unter alten großen Bäumen, und um alles herum wächst der Bambus (Chikurin = Bambuswald). Der Moosteppich ist insbesondere im Nordbereich sehr ausgeprägt und bildet dicke, leuchtend grüne Polster; eine winzige Brücke überspannt eine feuchte Senke, was wie ein Miniatur-Landschaftsgarten wirkt. Rechts des Weges (im Osten) liegt das Schreinbüro. Links des Weges (im Westen) gibt ein ungewöhnliches schwarzbraunes Holz-Torii (Kuro-ki-torii, kuro = schwarz, ki = Holz, Baum) aus nicht entrindeten Eichenstämmen mit Shimenawa den Weg frei zu einem kleinen Platz, der von mehreren kleinen Schreinen und zahlreichen Ema-Ständern eingefaßt wird. Dieses Torii in altertümlichem Stil wurde früher alle 5 Jahre neu errichtet. Mittlerweile ist es eine haltbarere Imitation mit einem Kern aus Eisenrohren. Umgeben wird das Schreingelände von einem Bambus-Reisigzaun (Koshiba-gaki), was dem Ganzen einen sehr rustikalen Charme verleiht.

Insgesamt gibt es einen Hauptschrein in der Mitte und mehrere flankierende Nebenschreine. Im Hauptschrein wird die Gottheit Nonomiya Oukami verehrt, gleichzusetzen mit der Sonnengöttin Amaterasu. In einem Nebenschrein rechterhand mit vielen roten Laternen wird die Gottheit Atago-daijin verehrt, die Schutz vor Feuer verspricht; Atago ist ein naher Berg mit eigenem Schrein. An weiteren Nebenschreinen linkerhand werden gleich vier Götter verehrt, Shiramine Benzaiten als Beschützerin der Künste an dem linken Nebenschrein mit vielen roten Laternen, Shirafuku Inari Daimyoujin als Gottheit der guten Geschäfte, des Kindersegens und der leichten Geburt in einem eigenen Schrein mit zinnoberrotem Torii davor, Ooyama Benzaiten für Wohlstand und glückliche Reise, also auch als Schutzgottheit im Straßenverkehr, mit einem eigenen zinnoberroten Torii vor dem Schrein, und schließlich Nonomiya Daikokuten als Schutzgottheit der Ehe mit einem eigenen kleinen Schrein auf einem Steinpodest. Des letztgenannten Schrein ist durch zwei aufgehängte Masken kenntlich gemacht. Benzaiten und Daikokuten sind beide Vertreter der insgesamt sieben Glücksgötter. Neben dem Verehrungsort für die letztgenannte Gottheit befindet sich ein Schildkrötenstein (Kame-ishi), von dem der Volksglaube sagt, daß Reiben dieses Steines zusammen mit einem entsprechenden Gebet dafür sorgt, daß der Wunsch innerhalb eines Jahres in Erfüllung geht. Der Stein wird auch Kami-ishi genannt, Götterstein.

Bei den Ema ist eine beliebte Sorte in Form eines Haselwurz-Blattes (Aoi), natürlich wegen der Ähnlichkeit mit der Herzform. Auf diesen Votivtäfelchen werden Partnerwünsche und unerfüllte Liebeswünsche notiert. Vielleicht liest es ja der Traumpartner. Für die Schreinverwaltung ist es jedenfalls ein lukratives Geschäft, denn so ein Liebes-Ema kostet 1200 Yen, also knapp 10 €. Andere Ema in der klassischen Form (rechteckig mit flachem Giebel) tragen Motive Heian-zeitlicher Prinzessinnen vor einem zweirädrigen Wagen im Bambuswald oder vor diesem Schrein. Mit dem Design Heian-zeitlicher Adeliger gibt es auch Miyabi-omamori zu kaufen, Amulette für Glück und günstiges Schicksal, für 1500 Yen das Stück. Happig, aber billiger als der falsche Mann. Die meisten hier verkauften Amulette (Omamori) sind für Fraueninteressen, Enmusubi (für eine glückliche Beziehung), Kosazuke (für erfolgreiche Empfängnis), Anzan (für eine leichte Geburt) etc. sind im Angebot.


Photos aus dem Nomomiya jinja

Tafel oben am Torii: "Shirafuku Inari Daimyoujin"

auf den Laternen: "Shirafuku Inari Daimyoujin"

Schild: "Oyama-Benzaiten", "Sicherheit beim Transport", "verlorenes Glück, viel Glück"

ein interessanter Mikoshi (Tragschrein), völlig anders als die üblichen

überschrieben mit: "einfache Geburt"

links am Rand: "Nomomiya-Schrein", zweite Spalte links: "Kyoto Sagano", rechts oben: "Segen"

Rechte Spalte, hoch: "Liebeserfüllung", linke Spalte, tief: "Nonomiya-Schrein"


Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@35.0178257,135.6744847,19.33z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@35.0178286,135.6743941,95m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Webseite des Nonomiya-Schreines:
http://nonomiya.com/ - http://www.nonomiya.com/eng.html
Nonomiya-Schrein auf Kyotofukoh:
https://kyotofukoh.jp/report386.html
Nonomiya-Schrein auf Discover Kyoto:
https://www.discoverkyoto.com/places-go/nonomiya-jinja/
Nonomiya-Schrein auf Wikipedia:
https://en.wikipedia.org/wiki/Nonomiya_Shrine
Nonomiya-Schrein auf Sharing Kyoto:
https://sharing-kyoto.com/see_Nonomiya-Shrine/story
Nonomiya-Schrein auf Japan Travel:
https://en.japantravel.com/kyoto/nonomiya-jinja-shrine-arashiyama/17085
Nonomiya-Schrein auf Tourist Guide:
https://www.tourist-guide.net/kyoto/archives/512?lang=e
Nonomiya-Schrein auf Japan Experience:
https://www.japan-experience.com/all-about-japan/kyoto/temples-shrines/nonomiya-shrine
Nonomiya-Schrein bei Damien Douxchamps:
https://damien.douxchamps.net/photo/japan/kyoto/arashiyama/nonomiya-jinja/
Nonomiya-Schrein auf Japanese Wiki:
https://www.japanesewiki.com/shrines/Nonomiya-jinja%20Shrine.html
Nonomiya-Schrein auf Going Gaijin:
https://goinggaijin.com/2020/09/13/nonomiya-jinja/
Nonomiya-Schrein auf Zipang-Guide:
http://www.zipangguide.com/en/travel/sight/kyoto/nonomiya_temple.html
Nonomiya-Schrein auf Green Shinto:
https://www.greenshinto.com/2011/12/11/nonomiya-shrine-kyoto/


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