Bernhard Peter
Shinto-Schreine: Kyoto, Matsunoo-Taisha


Lage und Erreichbarkeit, Touristisches
Der Großschrein Matsunoo Taisha (offizieller Name, lokal auch kurz: Matsuo Taisha oder Matsuo-san) liegt im Stadtteil Arashiyama im Nordwesten der Stadt Kyoto (Adresse: 3 Arashiyama Miyamachi, Nishikyo-ku, Kyoto, 616-0024). Von den Sehenswürdigkeiten in Arashiyama gehört dieser Schrein zu den südlichsten, im Stadtviertel südwestlich des Katsura-Flusses gelegen, am äußersten westlichen Ende der Shijou-dori. Wer von den Tempeln nördlich des Flusses kommt, geht über die Brücke Togetsukyo-bashi, biegt aber nicht nach rechts ab in Richtung Affenberg, sondern nach links zum Bahnhof der Hankyu-Bahn. Vom Endbahnhof der Hankyu-Arashiyama-Line aus fährt man genau eine Station nach Süden bis zum Bahnhof Matsuo-Taisha und geht von dort 200 m nach Westen bis zum Schrein-Tor. Wer den Weg zu Fuß machen möchte, ist ab Brückenkopf der Togetsukyo-bashi 1,6 km oder 25 min. entlang des Hügelfußes unterwegs durch ein weitgehend von Wohnhäusern geprägtes Quartier. 

Wer von der Innenstadt aus anreist, z. B. dem JR Hauptbahnhof, nimmt die U-Bahn der Karasuma Line, steigt am besten am Bahnhof Shijou aus, geht hinüber zum Bahnhof Karasuma der Hankyu-Kyoto-Line in Richtung Osaka, steigt in Katsura um in die Hankyu-Arashiyama-Line und steigt an der Haltestelle Matsuo-Taisha aus. Insgesamt kann man das in einer halben Stunde schaffen. Wer es einfacher und als JR-Paß-Besitzer billiger haben möchte, fährt vom Hauptbahnhof mit JR und der San-in-Line in Richtung Sonobe bis Saga Arashiyama, läuft südwärts bis zum Nordufer des Katsura-Flusses, nimmt an der Bushaltestelle Arashiyama (südlich des Tempels Rinsen-ji, bei den großen Parkplätzen an der Uferstraße) den Bus Nr. 73 und steigt an der Haltestelle Matsuo Taisha-mae aus. Von der Haltestelle aus läuft man 200 m nach Westen. Vom Bahnhof Kyoto aus kann man auch die Buslinien 71 (ab Hachijoguchi-Ausgang) und 28 (ab Kyoto Eki-mae) bis zur Haltestelle Matsunoo-taisha-mae nehmen. Es ergeben sich mehrere sinnvolle Kombinationsmöglichkeiten, entweder mit den Tempeln von Arashiyama nördlich des Flusses, oder mit der Villa Katsura, oder mit dem Umenomiya Taisha auf der anderen Seite des Katsura-gawa jenseits der Brücke Matsuo-bashi. Theoretisch kann man den Schrein auch mit einem Besuch des 800 m entfernten Kokedera kombinieren, doch das ist etwas aufwendig aufgrund der speziellen Besuchsregeln und nicht spontan möglich.

Der Matsunoo Taisha ist ein belebter und bei Einheimischen beliebter Schrein voller Leben, aber fast touristenfrei, weil er weit abseits der touristischen Hauptrouten und abseits ausgetretener Pfade liegt, also genau das hat, was man sich wünscht: lebendige Authentizität. Das Gelände ist frei zugänglich; der Teil mit dem Museum und zwei Gärten ist eintrittspflichtig (500 Yen), lohnt aber, weil sowohl der Statuenbestand für einen Schrein ungewöhnlich und hochkarätig ist als auch die Gärten Vorzeigeprojekte moderner Gartenkunst sind und ebenfalls für einen Shinto-Schrein eine Besonderheit sind. Berühmt ist das Schreingelände für die Blüte der Kerrien (Yamabuki, Kerria japonica) im Frühjahr, denn hier wachsen über 3000 Pflanzen, die das Gelände dann in ein gelbes Blütenmeer verwandeln. Der Schrein verkauft u. a. auch Glücksbringer in Form einer gelben Kerrienblüte. Man kann auch Glücksbringer ergattern, indem man mit Pfeil und Bogen in leere Sake-Fässer (taru) schießt - und trifft. Es ist eine Art der Zukunftsvorhersage: Je näher man am Zentrum trifft, desto günstiger ist die Vorhersage. Der Schrein bietet ferner eine besondere Form von Ema (Votivtäfelchen aus Holz) an, sie werden Kigan shamoji genannt und haben die Form von flachen Reis-Paddeln.


Geschichte und Bedeutung
Dieser Schrein ist einer der ältesten in Kyoto. Seine Gründung erfolgte im Jahr 701, Anlaß war eine von der Familie Hata als heilig betrachtete Quelle. Diese Familie stammte vermutlich ursprünglich aus China (das wird daraus geschlossen, daß der Name mit den Kanji für Qin China geschrieben wird, ist aber letztlich nicht bewiesen) und wanderte über Korea erst nach Kyushu, dann nach Nara und dann in die Gegend des späteren Kyoto ein. Im 3. und 4. Jh. gab es mehrere von China und Korea ausgehende Migrationswellen nach Japan, die aufgrund ihres Technologietransfers essentiell für die nachfolgende Entwicklung Japans und den Aufstieg der Herrscher von Yamato waren. Die Familie Hata war schon damals im Bereich der Sake-Herstellung aktiv. Aus derselben Familie gründete übrigens Hata-no-Irogu im Jahr 711 den Fushimi Inari-Schrein. Angeblich sah einer dieser Familie an der Stelle des späteren Matsunoo-Schreines eine Schildkröte unter dem Wasserfall der Quelle baden, und daraufhin gründete das damalige Familienoberhaupt, Hata-no-Imikitori, einen Schrein. Der Gott des Berges wurde von der Familie als Ujigami, als Schutzgottheit, übernommen. Diese Gründungslegende erklärt auch das auffällig häufige Auftreten von Schildkrötenskulpturen auf dem Schreingelände. Hinter dem Schrein befindet sich auf dem 223 m hohen Berg Matsuo nahe dem Gipfel ein riesiger Fels, der zuvor seit der Jomon-Zeit als Göttersitz, als Iwakura, verehrt wurde. 701 wurde die Stätte der Götterverehrung an den heutigen Standort verlegt. Das war immerhin 93 Jahre, bevor die Hauptstadt nach Kyoto verlegt wurde. Mit der Hauptstadtwerdung von Kyoto im Jahre 794 erlangte der Schrein größere Bedeutung als einer der Schutzschreine der Stadt. Er beschützte die Stadt gegen Unbill aus dem Westen, so wie es als östliches Gegenstück der Yasaka-Schrein gegen Unbill aus dem Osten tat.

Es ist aber auch interessant, den Stadtplan von Kyoto hinsichtlich der Schreine und Wasserläufe anzusehen: Die beiden wichtigsten Flüsse der Stadt sind der Katsura-gawa und der Kamo-gawa. Wo ersterer sich der Stadt nähert, steht der Matsunoo-Schrein. Wo sich der zweite der Stadt nähert, stehen die beiden Kamo-Schreine. Und im Süden des Kamo-gawa kurz vor dem Zusammenfluß hält der Fushimi-Inari-Schrein Wache. Alle diese wichtigen Schreine haben also einen Zusammenhang mit den wichtigen Wasserstraßen der Stadt, und alle drei haben eigenes Quellwasser. Alle drei Schreine haben ähnliche Riten bei ihren Schreinfesten, wozu Haselwurz-Blätter (aoi) und Judasbaumzweige (katsura) gehören. Der Matsunoo-Schrein und der Fushimi-Inari-Schrein wurden von derselben Familie gegründet. Und der Matsunoo-Schrein und der Kamo-Schrein haben beide das gleiche Wappen, das Futaba-Aoi, zwei Haselwurzblätter, aus gemeinsamem Stiel wachsend. Der Matsunoo Taisha hat noch eine weitere Verbindung zum Kamo-Schrein. Beide entstanden vor der Stadt selbst, so alt sind sie. Im Kamigamo wird Wakeikazuchi verehrt, eine Donnergottheit und zugleich ein Ahnengott der Familie Kamo, welche früher dessen Gegend beherrschte. Die Mutter dieses Gottes war Tamayori-hime-no-mikoto, und sie entstammte wiederum der Hata-Familie. Interessanterweise ist ein alternativer Name für den Berg Matsuo die Bezeichnung Wakeikazuchi-yama, was die Verbindung zwischen den beiden Schreinen und Familien erhärtet. So werden alle die genannten Schreine untereinander verbunden. Diese Überlegung zeigt aber auch, warum der Schrein mit den anderen genannten eine Liga bildete. 

Der Matsunoo-Taisha, der zu den Myojin Taisha gerechnet wurde, gehört zu den 22 Schreinen (nijuuni-sha), dem aus der Heian-Zeit stammenden Rangsystem von Shinto-Schreinen. Das waren die Schreine höchster Bedeutung, naturgemäß lagen die meisten in oder in der Nähe der damaligen Hauptstadt. Sie waren wiederum in 7 obere, 7 mittlere und 8 niedere Schreine unterteilt. Der Matsunoo-Taisha wird zu oberen 7er-Gruppe gerechnet, zusammen mit dem Ise-jingu in Ise, dem Iwashimizu Hachimangu-Schrein in Yawata, dem Hirano-Schrein, dem Fushimi-Inari-Taisha, den beiden Kamo-Schreinen, alle in Kyoto, und dem Kasuga-Taisha in Nara. Seit 965 gehört er zu der Starter-Gruppe von 16 Schreinen, denen Kaiser Murakami einen kaiserlichen Gesandten (Heikaku) zubilligte, um wichtige Ereignisse den Schreingöttern mitzuteilen. Zu den Chokusaisha, also den Schreinen, die zu besonders wichtigen Ereignissen und Festen das Anrecht auf Entsendung eines kaiserlichen Boten (Chokushi) haben, gehört er nicht.

1871 kam ein neues Klassifizierungssystem für Schreine in Gebrauch, und der Matsunoo-Taisha wurde bei den Kanpei-sha in die Gruppe der Kanpei-Taisha, der kaiserlichen Schreine ersten Ranges, einsortiert, zusammen mit den vorgenannten anderen Schreinen und etlichen weiteren, in der Kategorie der Myojin Taisha. In der modernen, ab 1948 durch die Association of Shinto Shrines vorgenommenen Gruppierung wird der Matsunoo-Taisha zu den Beppyou jinja gerechnet, den etwas "besseren" Schreinen. Bis 1950 hieß der Schrein Matsunoo jinja, erst mit der Neuordnung nach dem Zeiten Weltkrieg wurde er als Matsunoo Taisha bezeichnet, also als Großschrein.

Die hier verehrten Gottheiten sind Ou-yamagui-no-kami bzw. Ou-yama-kui und Nakatsu-shima-hime-no-mikoto. Der männliche Gott Ou-yama-kui, ein Enkel von Susanoo, wird in diesem Schrein als Wasser-Kami verstanden, und "kui" wird hier als "Wasser" gelesen, im Gegensatz zu anderen Schreinen wie dem Hiyoshi-Taisha, wo er als Berg-Kami verstanden wird und der Name als "großer Berg-Pfahl", mit ou = groß, yama = Berg, kui = Pfahl, gelesen wird, also anders als hier. Es ist auffallend, daß die meisten Kami, die von Susanoo abstammen, erstens eine Beziehung zu Lebensmitteln im weitesten Sinne haben und zweitens ursprünglich von Immigrantenfamilien verehrt wurden, die über Korea nach Japan gekommen waren. Ou-yama-kui ist hier der Gott der Sake-Brauer, deshalb ist der Schrein bei den hier ansässigen Brauern beliebt. Dieser Schrein hier, der Omiwa Jinja und der Umemiya Jinja sind die drei wichtigsten Schreine in Japan für die Sake-Brauer. Die weibliche Göttin Nakatsu-shima-hime-no-mikoto ist eine Schutzgottheit der Meere und der Reisenden, insbesondere der Seereisenden. Auch sie hat eine besondere Bedeutung für die aus Korea über das Meer eingewanderten Familien wie für die Hata.

Ansonsten ist dieser Schrein für sehr viele Bedürfnisse zuständig: Wohlstand, florierende Geschäfte, Handel, Kultivierung von Land, Hochwasserschutz, Bauingenieurwesen, Architektur, sichere Geburt, Familiensicherheit, Langlebigkeit, Verkehrssicherheit, Glück und Schutz allgemein. Diese ungeheure Vielfalt der Zuständigkeiten kommt dadurch zustande, daß das alles der Aktivitätsbereich der Familie Hata war, die eben hier Land kultivierte, Hochwasserschutz betrieb, die Gegend urbar machte, Landwirtschaft und Industrie aufbaute, oder in summa sowohl die Voraussetzungen für die Verlegung der Hauptstadt erst nach Nagaokakyo, wenig erfolgreich, als auch danach nach Heiankyo = Kyoto, diesmal sehr erfolgreich, schuf. Die Familie und die von ihr verehrten Götter bilden quasi eine Einheit mit dem Aufbau der neuen Hauptstadt, und deshalb sind die Götter für alles zuständig, was Kyoto mit aufgebaut und wohlhabend gemacht hat.

Der dritte hier verehrte Gott ist Tsukiyomi-no-mikoto (Tsukuyomi). Er wird nicht im Hauptschrein verehrt, sondern hat seinen eigenen Schrein im Süden desselben. Er ist der Kami des Mondes (tsuki) und der Bruder der Sonnengöttin Amaterasu und von Susanoo, also der Großonkel des Hauptgottes.


Schreinfeste und Veranstaltungen
Der jahreszeitliche Rhythmus der Schreinfeste wird stark vom Brauerei-Wesen bestimmt. Im April wird erst Nakatori und dann Shouzou-kansha-sai bzw. Chuuyuu-sai gefeiert, letzteres eine Art Erntedankfest der Brauer. Im Juni gibt es Go-taue-shiki, ein Ritual des Reispflanzens, denn Reis ist der Grundstoff jedes Sake. Im Juli ist Onda-sai, auch ein Felder-Ritual. Im November findet aus Anlaß des Braubeginns das Fest Shouzou-kigan-sai bzw. Jou-yuu-sai statt, auch dies ein reines Brauer-Fest mit der Bitte um erfolgreiche Produktion. Daneben gibt es die typischen Schreinrituale wie Oshogatsu am 1.1., Eto-shukujuu-sai am 3.1., Setsubun am 3.2. mit Iwami Kagura, Kigen-sai = Gründungstag am 11.2., Hina Matsuri am 28.2., Nagoshi no Harae = Sommer-Reinigungsritual Ende Juni, das Hassaku-Festival (ein Ernte-Fest) am ersten Sonntag im September mit Sumo-Wettkämpfen, Funatogyo und Saga-rokusai-nenbutsu-odori-Tanz und das Mondbetrachtungsfest (Kangetsu-sai) ebenfalls im September sowie das Ou-harae-shiki = Winter-Reinigungsritual am 31.12.

An Neujahr findet Hatsumode statt, der erste Schreinbesuch im Jahr. Dazu wird ein riesiges Votiv-Ema vor dem Haiden-Pavillon aufgestellt mit dem chinesischen Tierkreiszeichen des betreffenden kommenden Jahres darauf. Dieses Riesen-Ema wird Mizunoto genannt. Diesen Brauch gibt es seit 1883. Für 2023 ist das der Hase, im Jahr 2022 war es der Tiger. Am ersten Sonntag nach dem 20.4. wird die Abreise der sechs Tragschreine (Mikoshi) mit dem Fest Shinkou-sai gefeiert (oide), im Mai drei Wochen später die Rückkehr (okaeri) mit dem Fest Kankou-sai. In der Zwischenzeit werden die Tragschreine auf die andere Seite des Katsura-Flusses getragen und dort in einem Schrein aufgestellt. Das sind die beiden Hauptfeste des Schreins, die mit entsprechenden großen Prozessionen begangen werden. Und im April gibt es noch das Kerrien-Fest, wenn die Yamabuki blühen, wegen der Blütenpracht wird der Schrein auch als Yamabuki-Schrein bezeichnet. Am 15.11. gibt es weiterhin das Shichi-go-san-Fest für die Kinder der Altersgruppen 7, 5 und 3 Jahre, die hier gesegnet werden.


Rundgang und Beschreibung
Das erste Torii (O-torii, Ichi-no-torii) befindet sich im Osten gleich hinter der großen Straßenkreuzung in der Nähe des Bahnhofs, 50 m von den Gleisen entfernt. Es ist 14 m hoch und zinnoberrot angestrichen, mit einer oben angebrachten vertikalen Kalligraphietafel. Es wurde 1994 errichtet. Dort beginnt der vordere Zuweg (Omote-sandou). Wenige Meter dahinter steht rechterhand am Knick des Sandou der Saalbau der Shinto-Gesellschaft der Präfektur Kyoto (Kyoutofu-jinja-kaikan). 95 m nach dem Knick und direkt hinter einer kleinen Querstraße stößt man auf das zweite Torii, genannt Rotes Torii (Aka Torii, Ni-no-torii). Es ist nicht so hoch wie das erste Torii, aber vom gleichen Bautyp, ebenso rot angestrichen und oben auf den Querbalken ebenfalls mit einer Kalligraphie auf blauem Grund in opulentem Goldrahmen versehen. Hinter diesem liegt rechterhand das Gästehaus (Kyakuden) mit Garten (Hourai-no-niwa, dau weiter unten) und Teehaus (Cha-sho) Danpurin.

Das am Ende des Weges erreichte Haupttor des Schreines im Osten ist vom Typ eines Roumon (turmartiges Tor) mit einem scheinbaren Obergeschoß und oben umlaufender Galerie. Ungewöhnlich für einen Schrein ist, daß sich in den beiden Seitenkompartimenten Wächterfiguren (Zuijin-Kriegerfiguren, auch: Zuishin) befinden. Diese Wächtergottheiten werden als Kadomori-no-kami betrachtet, also als Götter, die über die Toröffnungen wachen. Typischerweise werden sie mit Pfeilen und Bogen dargestellt. Sie sind die Shinto-Entsprechung der Nio in Tempeltoren. Im einzelnen werden sie als Yadaijin (Minister mit Pfeilen) und Sadaijin bezeichnet. Typischerweise wird Sadaijin, hier schwarz gekleidet, als älterer Herr mit Silberbart und mit offenem Mund dargestellt, Yadaijin als jüngerer Mann mit geschlossenem Mund, hier rot gekleidet. Beide tragen Hoftracht mit einer Robe mit extrem weiten Ärmeln, Kenei no kanmuri als hochgesteckte Haartracht mit Oikake. Beide tragen ein Schwert. Ein solches Tor wird auch als Zujin-mon oder als Yadaijin-mon bezeichnet. Ganz ähnlich finden wir das im Yasaka-Schrein und im Goryo jinja (Kamigoryo jinja), beide ebenfalls in Kyoto. Dieses Roumon wurde 1980 renoviert, ebenso die angrenzende Lehmmauer.

Wenn man das Tor durchschreitet, liegt rechterhand das Becken für die rituelle Reinigung (Chouzusha). Linkerhand liegt das Büro für den Amulettverkauf (Juyosho). Geradeaus stößt man direkt auf die Bühne (Kagura-Pavillon, Kagura-den, Haiden), basierend auf einem 4 x 4-Pfosten-Schema mit jeweils größerem Mittelabstand zwischen den kürzeren Seiten-Abständen. Auf gleicher Höhe liegt linkerhand im Süden das Lagerhaus für die Tragschreine (Mikoshi-gura, kura = Lagerhaus, Shinyoko). Davor steht ein riesiges Regal für Komodaru-Sake-Fässer, das das Gebäude dahinter verdeckt. In gerader Linie folgt die langgestreckte Andachtsstelle (Heiden) für die Gebete der Besucher, dahinter der Tsuridono, dahinter wiederum liegt der eigentliche Schrein (Honden) verborgen. Der Honden, der innere Schrein, geht auf das Jahr 1397 zurück und ist als wichtiges Kulturgut klassifiziert. Er wurde 1542 während der Muromachi-Zeit umfassend repariert. Er gehört zu den ältesten erhaltenen Gebäuden der Stadt, zu den ganz wenigen, die nicht während des Onin-Krieges oder anderen Anlässen ein Opfer eines Feuers wurden. Die Architektur der Haupthalle ist eine Kategorie für sich und wird als Matsuo-zukuri bezeichnet, ihr Kennzeichen ist ein Dach, das an der Vorder- und an der Rückseite jeweils einen Portikus bildet. Das ist abgeleitet vom Stil Ryonagare-zukuri. Es gibt ferner weder Chigi noch Katsuogi, aber einen Firstbalken von quadratischem Querschnitt. Eine solche Architektur ist sehr selten und ansonsten nur am Munakata-Schrein und am Itsukushima-Schrein zu sehen. Das Dach des Honden besteht aus Zypressenrinde. Korridore, Chuumon, Roumon, Kagura-Plattform etc. stammen aus der frühen Edo-Zeit, also alles außer dem älteren Honden.

Die Andachtsstelle mit dem Chuuumon (mittleres Tor mit geschwungenem Karahafu) ist eingebunden in einen langen Nord-Süd-Korridor (Kairou), vor dem links (Südhälfte) unter einem kleinen Schutzdach der abgesägte Stumpf der Kiefer Aioi-no-matsu steht. An den Enden des Korridors gibt es zwei Tore, im Norden das Kita-Seimon, im Süden das Minami-Seimon (Nan-Seimon). Hinter dem Nordteil liegt das Gebäude namens Jinko (Jin/kami + ko/kura, Lagerhaus für die Götter). All das wird rückwärtig von einem Zaun eingefaßt. Im Süden dieses Zentralkomplexes stehen in Reihe vier kleinere Schreine, von Norden nach Süden, von rechts nach links sind das Koromode-sha, Ikkyo-sha, Kotohira-sha und Sorei-sha. Als "Matsunoo-nana-sha" (die sieben Schreine des Matsunoo) werden bezeichnet: der Hauptschrein und die Sessha/Massha Shi-no-okami-sha, Koromode-sha, San-no-miya-sha, Munakata-sha (Ichiki-shima-hime-no-mikoto), Ichitani-sha (Munakata-sanjojin) und Tsukuyomi-sha. Davon sind Tsukuyomi-sha und Ichitani-sha nun mit dem Munakata-sha unter dem Namen Ichitani-Munakata-sha verbunden.

Vor dem Tragschrein-Lagergebäude stapeln sich die in Reisstroh eingepackten und mit bunten Beschriftungen versehenen Sake-Fässer. Das ist an sich nicht ungewöhnlich, doch dieser Schrein liegt inmitten vieler Sake-Brauereien, weil es hier am Fuß der westlichen Berge gute Quellen für das benötigte Wasser gibt. Entsprechend groß und breit sind die Regale für die Sake-Fässer in diesem Schrein. Ein kleines Museum auf dem Schreingelände, aber noch außerhalb des Roumon in der Nähe der Parkplätze, ist der Sake-Herstellung gewidmet; es wird Sake-no-shiryokan genannt. Auch etliche Hersteller von Miso-Paste sind in dem Viertel angesiedelt, deshalb ist er zuständig für alles, was irgendwie mit Fermentierung zu tun hat, auch für die Hersteller von Soja-Sauce und Essig. Die Sake-Brauer bzw. die Hersteller von Nihon-shu (japanischem Alkohol) und auch die Miso-Pasten-Hersteller suchen gerne den Schrein auf, um hier für ihren geschäftlichen Erfolg zu beten. Auch im Schrein gibt es eine berühmte Wasserquelle rechterhand des Hauptkomplexes in der Nähe des Eingangs zu den Gärten; als Wasserspeier dient eine Schildkröte (Kame-no-i-Quelle, Kame-i-no-mizu). Es wird geglaubt, wenn man beim Brauen auch nur ein bißchen Wasser aus dieser Quelle hinzugibt, kann nichts schiefgehen, kann der Ansatz nicht verderben. Wer aus dieser Kame-no-i-Quelle trinkt, wird, so der Glaube, mit einem langen und gesunden Leben gesegnet. Wenn man hier weitergeht, kommt man zum Wasserfall (s. u.). Auch sonst begegnet uns überall im Schrein das Motiv der Schildkröte. Sie wird genau wie der Koi-Karpfen als Botentier des in der Haupthalle verehrten Berg- und Wassergottes betrachtet. Nahe dem Eingangstor ist eine weitere Schildkröte zu finden, diese wird Nade-kame-san genannt, sie ist schwarz und sitzt auf einem Felsen. Beiderseits der Haupthalle gibt es weitere Schildkröten. Im Norden des Hauptplatzes liegt hinter dem Handwaschbecken das Schreinbüro (Shamusho) mit seinem Eingangsbau (Genkan). 

Das Museum (Shinzokan) im eintrittspflichtigen Nordwestbereich beherbergt 21 wertvolle Holz-Figuren, deren drei wichtigste aus der Heian-Zeit stammen, jeweils aus einem einzigen Block Holz geschnitzt sind und zu den ältesten und besterhaltenen Statuen des Landes gehören. Sie sind als wichtige Kulturgüter klassifiziert. Man nimmt an, daß diese drei wertvollen Statuen die hier im Schrein verehrten Götter repräsentieren, Ou-yamagui-no-kami, den Hauptgott des Berges und des Wassers, Ichikishima-hime-no-mikoto, die Schutzgöttin für Seereisende in Tang-zeitlicher Kleidung, und die männliche Mond-Gottheit Tsukiyomi-no-mikoto. Sie sind im Stile buddhistischer Figuren gearbeitet, stellen aber Shinto-Götter dar. Bis 1994 waren diese drei Figuren im Nationalmuseum Kyoto, nach dem Museumsbau wurden sie an den Schrein zurückgegeben. Die ersten beiden Götter werden im Hauptschrein verehrt, Tsukiyomi besitzt seinen eigenen Schrein auf dem Gelände. Die anderen 18 Figuren stammen aus untergeordneten Schreinen.


Die Gartenanlagen des Matsunoo Taisha
Auf dem Schreingelände gibt es insgesamt drei Gärten, zwei davon sind gegen Eintritt zu besichtigen, das sind der Kyoku-sui-no-niwa (wörtlich: Garten des gebogenen Wassers, wegen des schlangenlinienförmigen Verlaufs des Baches) im Heian-zeitlichen Stil östlich des Aoi-dono und der Jouko-no-niwa (wörtlich: prähistorischer Garten, auch: Iwakura-Garten) nördlich des Museums (Houmotsukan), hauptsächlich aus großen Steinen bestehend. 

Der Kyoku-sui-no-niwa hat als zentrales Gestaltungselement den Bach, der in der Südwestecke eintritt und das Gelände in Richtung Norden verläßt. Das Bachbett ist mit Kies ausgelegt, die Ufer bestehen aus flachen, blautonigen Steinen. Den Hintergrund bildet eine Aufschüttung auf halbkreisförmigem Grundriß mit Azaleen, Karikomi genannt, in Gestalt einer Schildkröte. Damit greift die Gestaltung einerseits die Gründungslegende auf, andererseits ist die Schildkröte ein beliebtes Symbol für langes Leben. Drittens symbolisiert dieser Berg stellvertretend den sich hinter dem Schrein erhebenden Berg Matsuo. Die scharfen Steine mit ihren betonten Vertikalen bilden einen starken Kontrast zu den weichen, gerundeten Formen des Karikomi. Zwei steinerne Brücken überqueren den Bach, dessen Windungen dem Yari-mizu-Stil folgen, der in der Heian-Zeit beliebt war. Der Garten ist insgesamt von Vergnügungsgärten für die höhere Gesellschaft der Heian-Zeit inspiriert. Der östliche Teil des Gartens ist eben gepflastert und begehbar. 

Der an dem ansteigenden Gelände angelegte Jouko-no-niwa inszeniert mit seinem starken Fokus auf Felsblocken das shintoistische Prinzip eines Iwakura, wobei die Dramaturgie der Arrangements nach oben bzw. hinten zunimmt. Dieser Garten kehrt quasi zu den Anfängen zurück, zu der Herausarbeitung von Felsen aus der Natur als Ort der Anbetung. Deshalb trägt er auch den Namen "prähistorischer Garten". Die einzelnen Steine der obersten Gruppe wiegen 5-8 t und bilden durch die verschiedenen Winkel eine kraftvolle Komposition. Zwei besonders exponierte Steine stehen für die beiden Hauptgottheiten des Schreins. Alle ca. 200 in den drei Gärten verbauten Steine sind blaugrüne Ao-ishi von der Insel Shikoku, metamorphes Gestein vom Schiefertyp, das im Tal des Yoshino-Flusses gebrochen wurde. Den Boden bedeckt ein niedrig bleibender Bambus, der normalerweise oft auf Bergrücken wächst.

Einer der drei Gärten ist kostenfrei zugänglich, das ist derjenige vor dem Eingang auf der Nordseite des Omote Sandou, dort befindet sich auch ein von vielen Koi-Karpfen bevölkerter See. Der Eingang liegt neben einem Restaurant. Dieser Garten im Kaiyu-Stil wird Hourai-no-niwa (Horai-Garten) genannt unter Bezugnahme auf den Berg Horai in der chinesischen und japanischen Mythologie. Die Gestaltung orientiert sich an Kamakura-zeitlichen Gartenanlagen; zentrales Element sich die chinesisch beeinflußten Paradiesvorstellungen mit Inseln im Meer, auf denen man weder altert noch stirbt. Hier kam es zu einigen Veränderungen, so wurde das Moos auf den Inseln durch Sand ersetzt, Schildkröten-Skulpturen wurden hinzugefügt und eine dezente Beleuchtung eingebaut.

Alle drei Gärten sind modern und arbeiten mit kraftvollen Arrangements von Felsbrocken, die mit Vorliebe senkrecht gestellt sind. Der Bach, der den zweitgenannten Garten durchfließt, kommt von Südwesten her, wo sich im Rücken des Hauptschreins der Reigi-Wasserfall befindet (Reigi-no-taki, Wasserfall der geheimnisvollen Schildkröte), ferner der Schrein Takigozen-sha und noch weiter nördlich der Sannomiya-sha bzw. Shidai-jinja. Diese drei Gärten wurden 1973-1975 angelegt. Anlaß war die Errichtung einer neuen Gebäudegruppe im Nordwesten der Anlage bis 1973, bestehend aus einer Halle für gesellschaftliche Zeremonien und einem neuen Museum bzw. Aufbewahrungsgebäude für die Schätze des Schreins sowie verbindenden Galeriebauten, allesamt moderne Gebäude aus Stahlbeton. 

Der bereits 1971 dafür ausgewählte Gartenarchitekt war bei allen drei Gärten der gefeierte modernistische Künstler Mirei Shigemori, und da er schon am 12.3.1975 starb, handelt es sich um sein allerletztes Werk, das sogar erst von seinem Sohn Mirei Kanto vollendet wurde. Auch wenn der Gartenkünstler bei den meisten seiner Gärten nicht mit echtem Wasser, sondern mit Kiesflächen anstelle des Wassers arbeitet, war hier die naturräumliche Voraussetzung so überzeugend, daß diese Gärten zu den wenigen von seiner Hand mit realen Wasserläufen gehören. Alle drei Gärten werden auch "die drei Shofu-en" genannt, und alle drei stehen für eine Ära der Geschichte des gestalterischen Umgangs mit der Natur. Sie gehören zu den besten modernen japanischen Gärten.


Photos aus dem Matsunoo Taisha

 


Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@35.0001461,135.6853437,19.46z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@35.0002894,135.685457,137m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Matsunoo Taisha auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Matsunoo-Schrein - https://en.wikipedia.org/wiki/Matsunoo_Taisha
Matsunoo Taisha auf Kyotofukoh:
https://kyotofukoh.jp/report378.html
Webseite des Matsunoo Taisha:
https://www.matsunoo.or.jp/ - https://www.matsunoo.or.jp/en/
Matsunoo Taisha im Japanese Wiki:
https://www.japanesewiki.com/shrines/Matsunoo-taisha%20Shrine.html
Matsunoo Taisha auf Japan-Kyoto:
https://japan-kyoto.de/arashiyama-teil-3-der-grosschrein-von-matsuo-matsuo-taisha-09-10-2011/
22 Schreine: https://de.wikipedia.org/wiki/22_Schreine -
https://en.wikipedia.org/wiki/Twenty-Two_Shrines
Gruppierung von Shinto-Schreinen:
https://en.wikipedia.org/wiki/Modern_system_of_ranked_Shinto_shrines
Beppyo-Schreine:
https://en.wikipedia.org/wiki/Beppyo_shrine
Chokusaisha:
https://de.wikipedia.org/wiki/Chokusaisha - https://en.wikipedia.org/wiki/Chokusaisha
Christian Tschumi: Mirei Shigemori - Rebel in the Garden: Modern Japanese Landscape Architecture, 203 S., Verlag: Birkhäuser, 1. Auflage 2007, ISBN-10: 9783764377489, ISBN-13: 978-3764377489, S. 85-89
Matsunoo Taisha auf Discover Kyoto:
https://www.discoverkyoto.com/places-go/matsuno-o-taisha/
Zuishin:
https://en.wikipedia.org/wiki/Zuijin
Matsunoo Taisha auf Kyoto Travel:
https://kyoto.travel/en/shrine_temple/190.html
Matsunoo Taisha auf Japan Travel:
https://www.japan.travel/de/spot/1136/
Matsunoo Taisha auf Japan Experience:
https://www.japan-experience.com/all-about-japan/kyoto/temples-shrines/matsuo-taisha
Matsunoo Taisha auf Kanpai-Japan:
https://www.kanpai-japan.com/kyoto/matsunoo-taisha
Matsunoo Taisha auf Kyoto-Museums:
https://www.kyoto-museums.jp/en/museum/west/3858/
Matsunoo Taisha bei Damien Douxchamps:
https://damien.douxchamps.net/photo/japan/kyoto/nishikyo/matsuno/
Matsunoo Taisha auf Going-Gaijin:
https://goinggaijin.com/2018/04/22/matsunoo-taisha/
Gottheit Oyamakui:
https://simple.wikipedia.org/wiki/Oyamakui_no_Kami
Gottheit Oyamakui:
https://www.japanesewiki.com/Shinto/Oyamakuhi%20no%20kami.html
Matsunoo Taisha auf J-Histories:
https://jhistories.com/matsunoo-taisha-shrine/
Matsunoo Taisha auf Kyoto Masters:
https://kyoto-masters.com/en/otozureru-2/a-shrine-famous-for-the-god-of-sake-matsunootaisha/
Matsunoo Taisha auf The Kyoto Project, von Maki Mizobata und Natsuki Mitsuya:
https://thekyotoproject.org/english/matsunoo-grand-shrine/
John H. Martin, Phyllis G. Martin: Kyoto - 29 Walks in Japan's Ancient Capital, 376 S., Verlag: Tuttle Pub. 2011, ISBN-10: 4805309180, ISBN-13: 978-4805309186, S. 269-271
Joseph Cali, John Dougill: Shinto Shrines - a Guide to the Sacred Sites of Japan's Ancient Religion, 328 S., University of Hawaii Press 2012, ISBN-10: 0824837134, ISBN-13: 978-0824837136, S. 132-135


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