Bernhard Peter
Wie versteht man sich gegenseitig besser? Japan-Knigge


Begrüßung:
- mehr (20-40 cm) Körperabstand als in Deutschland üblich, also am besten 1 m Platz lassen. Dann kracht es auch nicht bei einer gleichzeitigen Verbeugung.
- Begrüßung erfolgt nach Hierarchie. Unsere Höflichkeit, Frauen gesondert zuerst zu begrüßen, gilt nicht: Auch Frauen werden in der Reihenfolge der geschlechtsunabhängigen Hierarchie gegrüßt. "Ladies first" ist unbekannt.
- Handschlag zur Begrüßung unüblich, schon gar nicht Anfassen wie Schulterklopfen, Umarmen, beidseitiges Händeschütteln, Anfassen an Schulter oder Ellenbogen o.ä., statt dessen KEIN Körperkontakt, sondern Hände seitlich an die Oberschenkel und Verbeugung: In der Taille mit geradem Rücken abknicken. Nicht unser Kopfnicken, sondern es muß schon ein bißchen mehr vom Rücken mitgehen. Kopfnicken wäre allerunterste Höflichkeitsstufe, geht gerade mal für Supermarktverkäuferinnen.
- das richtige Maß beim Verbeugen ist wichtig, um nicht entweder respektlos oder arrogant rüberzukommen: 45° für Schreine und Tempel, bei schweren Fehlern und der nötigen demütigen Entschuldigung, bei extrem wichtigen Personen, 30° für den Chef, für eine förmliche Bitte, für einen Lehrer oder Professor, 15° für Gleichgestellte, Freunde, Arbeitskollegen, 5° für den Rest, wie Kaufhausangestellte, Museumswärter, Kassiererinnen (da reicht auch ein kurzes Nicken).
- jede Verbeugung muß erwidert werden, alles andere wäre eine gröbste Unhöflichkeit
- wenn sich ein Japaner jedoch aus Höflichkeit einmal im westlichen Handschlag versuchen sollte, und das kommt zunehmend im Kontakt mit Ausländern vor, wird es eine ziemlich schlaffe Angelegenheit werden - das sollte unsererseits bloß nicht mit festem Druck gekontert werden. Außerdem verbeugen sich die Japaner dann meistens noch zusätzlich.
- Blickkontakt nur anfangs und ganz knapp. Der direkte Blick in die Augen gilt als unverschämt und aufdringlich.


Visitenkartenaustausch:
- Visitenkarten = Meishi: Ungeheuer wichtig, Identifikationsobjekt der Person! Und praktisch wichtig, weil man nur so weiß, wie der Name geschrieben wird.
- der Neue, der Besucher, der Rangniedere gibt zuerst. Der Ranghöchste, Ältere etc. bekommt zuerst.
- makelloses Exemplar! Hochwertiges Papier, professioneller Druck! Aufbewahrung im Etui.
- als Deutscher zweisprachige Exemplare verwenden
- Übergabe Schrift dem Empfänger zugewandt, mit beiden (!) Fingerpaaren an den oberen Ecken, Druck nach oben.
- Entgegennahme an den beiden (!) unteren Ecken. Verbeugung nach Entgegennahme.
- nach Empfang lesen und Interesse zeigen, bloß nicht einfach wegstecken.
- empfangene Karten mit Respekt behandeln und in Etui stecken. Niemals in Gegenwart des Gebers beschreiben.
- das Gesagte gilt für Geschäftsreisende. Der Durchschnittstourist braucht praktisch nie Visitenkarten. Hotels wollen meistens sowieso eine Paßkopie (es ist nett, wenn man welche dabei hat).


Namen, Anrede und Suffixe:
- der Nachname steht zuerst! Aus XXX YYY wird in der Anrede entweder Mr. XXX oder XXX-san, ohne Mr.
- das Suffix San geht für beide Geschlechter.
- das Respekts-Suffix -san kann man auch an einen Vornamen hängen, eine Art respektvoller Nähe, wenn man sich besser kennt.
- sich selber oder nahe Angehörige oder Mitglieder der eigenen Gruppe, Firma etc. stellt man ohne -san vor. Man kann sich und andere aus der eigenen Gruppe mit dem Beruf oder der Position vorstellen, aber nicht mit -san. -San ist grundsätzlich richtig für
Personen mit dem gleichen Alter und Status.
- das Suffix -san kann auch mit Berufen kombiniert werden, wenn man den Namen selbst nicht kennt: Bäcker-san oder Lehrer-san
- wenn man eine größere Menge Menschen anredet, kann man minna-san sagen, soviel wie "alle-san"
- besser als -san ist -sensei (gesprochen sensee), zu verwenden bei geistig hochstehenden, gebildeten Personen, Professoren, Ärzten, Personen mit einem gewissen gesellschaftlichen Nimbus eben - dazu zählen auch Senioren! Schüler reden ihre Lehrer auch so an. Patienten sprechen ihren Arzt auch so an.
Wörtlich bedeutet das Wort "früher geboren", also ältere Respektsperson
- das Suffix -sensei geht auch für beide Geschlechter. es wird immer nur mit dem Nachnamen kombiniert, nie mit dem Vornamen. Wenn man den Namen des Gegenübers nicht kennt, kann man ihn auch nur als Sensei anreden, denn das Wort geht auch ganz ohne Namen. -S
ensei ist grundsätzlich richtig für Lehrer, Professoren, Ärzte und Senioren.
- das Suffix -sama ist die Steigerung von -san und sollte für besondere, gesellschaftlich sehr hoch stehende, verehrte Personen reserviert bleiben, wird "in den besseren Kreisen" benutzt. Man kann es auch in geschäftlichem Mailverkehr und in Briefen verwenden.
Wenn man den Namen einer Person nicht kennt, kann man "O-sama" formulieren. -Sama ist grundsätzlich angemessen für Kunden und ranghöhere Personen.
- die Anrede -chan ist für Niedliches reserviert, z. B. kleine Mädchen, Kinder; niemals für Erwachsene. Bei Jungen ist -chan auf das Kindergartenalter limitiert, ab Schulbesuch besteht ein Anspruch auf -kun, ab Erwachsenenalter auf -san. Bei Frauen geht -chan länger, unter guten Freundinnen sogar bis ins hohe Alter.
- das Suffix -kun wird unter männlichen Jugendlichen (mit Vornamen), alten Freunden oder vertrauten Kollegen (mit Nachnamen) verwendet, nie für Fremde oder Höherstehende
- das höflichere Suffix -senpai benutzen ältere Schüler aus höheren Schulklassen untereinander und Besucher niedriger Schulklassen solchen höherer Schulklassen gegenüber, also von unten nach oben. Senpai geht auch alleine ohne Namen.
- das Gegenstück wäre das Suffix -kohai, von älteren Schülern gegenüber jüngeren Schülern benutzt, wird aber selten verwendet
- das Suffix -dono oder -tono gab es früher mal, ist heute unüblich: Drückt extrem hohen Respekt aus, wurde früher dem Adel gegenüber verwendet. Wörtlich bedeutet das Adelssitz.
- das Suffix -hakase entspricht dem Doktortitel
- der Kaiser trägt den Titel Heika = Majestät
- Haustiere bekommen mitunter auch das Suffix -san oder -chan: Hund-san, Katze-chan etc. Hund = inu-san, Kätzchen = neko-chan.


Ja und Nein, relative und absolute Wahrheit, Höflichkeit:
- "Hai" bedeutet ja, ich habe verstanden, und ich will nicht widersprechen. Bei Monologen des Anderen bedeutet es Aufmerksamkeit, immer wieder eingestreut. Verläßlich als "Ja" ist es nicht. Verdoppelung "Haihai" ist schon wieder unhöflich.
- Nein heißt "Iie" und wird nicht benutzt, weil es zu schroff ist. "Iie" ist brutal zurechtweisend und stört die Harmonie. "Iie" bedeutet: "Wie kannst Du mir das nur vorschlagen? Geht gar nicht!". Das höfliche Nein ist Ignorieren und Übergehen. Wenn der Japaner "Nein" sagen will, benutzt er "Ii desu" = ist gut, laß mal gut sein. Oder: "Chotto mutsukashii desu" = "it is difficult" (schwierig = "mutsukashi") = denn, was so schwierig ist, wird bestimmt nichts. "I will consider it" oder "we will think about it" oder "we will check if it's perhaps possible" sind andere Formen eines höflichen Neins. Absolut nicht wörtlich nehmen, auch wenn die Hoffnung zuletzt stirbt - all diese Formulierungen bedeuten: Nein.
- die Formulierungen "chigau" = "es ist anders" oder höflicher "chigaimasu" =" es ist anders" sind ein ausgesprochenes Nein, das am ehesten dem deutschen Nein entspricht.
- und dann gibt es noch "dame desu" = es ist zwecklos = du beißt auf Granit = Ende, aus, gibt's nicht!
- Was ist Wahrheit? Honne = wirkliche, echte Meinung. Wird in der Regel nicht mitgeteilt, außer in besonders vertrauter Umgebung. Erfährt man am ehesten beim gemeinsamen Kneipengang, weil der Alkohol als Entschuldigung dient.
- Tatemae = angemessene Meinung, die nach außen vertreten wird (Fassade), eine harmonische, vermittelnde Version der Wahrheit. Ist in der Regel eine Meinung, die die Harmonie bewahrt und für niemanden einen Gesichtsverlust beinhaltet, nicht notwendigerweise die wahre Ansicht. Unsere deutsche Offenheit gilt als verletzend, mindestens als unangemessen, selbstsüchtig und egoistisch, weil man sein Rechthaben über die Harmonie der Gruppe stellt. In Japan ist das Wohl der Gruppe wichtiger als das Rechthaben des Einzelnen. Deshalb werden in Japan Meinungen genauso kontrolliert abgegeben wie Gefühle. Je offizieller ein Anlaß ist und je mehr Leute anwesend sind, desto eher wird man nur die Tatemae-Meinung hören. Bei uns hat "Notlüge" einen negativen Anstrich - in Japan ist Tatemae ein völlig akzeptiertes Mittel zur Harmoniewahrung.
- Komplimente dienen nur der Harmoniepflege. Sie sind ein Mittel zur Herstellung einer angenehmen Atmosphäre und nie wörtlich zu nehmen.


Bitte und Danke:
- Bitte: "onegai shimasu" = "ich habe eine Bitte". Immer gegenüber Höhergestellten und Unbekannten verwenden. Onegai shimasu ist eine echte Bitte um etwas, das auch abgelehnt werden könnte (um einen Gefallen bitten, der nicht selbstverständlich ist).
- Bitte: "kudasai". Das ist familär oder wird gegenüber Tiefergestellten verwendet. Kudasai ist eine Bitte, wenn man ein gewisses Anrecht darauf hat (z. B. am Frühstückstisch: Reich mir mal bitte die Butter)
- "Dozo" bedeutet hingegen "bitte sehr", "bitte schön"
- Danke = "domo arigato gozaimasu" oder "arigato gozaimasu" oder "domo arigato" oder "arigato" - in absteigender Reihenfolge der Höflichkeit.
- Danke geht auch in der Vergangenheit = "arigato gozaimashita" = danke für das, was du vorhin für mich getan hast. Gebräuchlich als Dank hinterher für eine Leistung des Anderen.


Fehler und Entschuldigung:
- Bedauern und Entschuldigung: In Deutschland bedeutet Entschuldigung: Ich habe den Fehler begangen, ich nehme die Schuld auf mich und stehe für alle Schäden ein. Der Japaner drückt bei was auch immer sofort und umfangreich sein Bedauern aus. Das ist Mitgefühl, aber kein Schuldeingeständnis. Der Japaner liefert uns einen Bedauerns-Erguß, wenn was schiefgeht, was aber keinerlei rechtsverbindliches Schuldanerkenntnis ist. Eine Entschuldigung hat ohne Einschränkung zu erfolgen. Falsch: "Sorry, but..." - egal, es geht nicht um "but..." Der Japaner will Kotau sehen, möglichst öffentlichkeitswirksam. Wenn er das hat, läuft es danach vielleicht besser als mit "but...". Also: "I'm so sorry. I will do everything that it will not happen again." Jedes "Sorry" muß auch überzeugend mit entsprechender Zerknirschung als Körpersprache begleitet werden, nur dann wird es akzeptiert, und der Andere überlegt mit, wie man das Problem gemeinsam löst.
- Fehler eines anderen: Das Gesicht zu verlieren ist das Schlimmste. Fehler kommen trotzdem vor. Wenn man Fehler einfach übergeht und schweigt (Giri = Prinzip der Ehre, Gesicht geben) und dem anderen Schmach erspart, gewinnt man deshalb einen "Freund fürs Leben": Er wird sich allergrößte Mühe geben, zuvorkommend zu sein. Wenn es unbedingt nötig ist, einen Fehler zu korrigieren, nur unter vier Augen darauf hinweisen. Keine eindeutig einer Person zuzuordnende Kritik in öffentlichen Äußerungen. Öffentliche Kritik einer Person vor Dritten, auch noch aus der gleichen oder tieferen Hierarchieebene heraus, das schafft hingegen einen "Feind fürs Leben" - danach bewegt sich gar nichts mehr.


Schweinereien, Belästigungen:
- äußerst verpönt: Nase schneuzen. In ein Taschentuch zu schneuzen, ist dreckig, eklig, bäh. Und gar ein Stofftaschentuch mehrfach zu beschneuzen, ist absolut widerlich. Lieber Hochziehen. Nase schneuzen nur alleine, Toilette oder sonst ein Loch, wohin man sich verkriecht. Nie in der Öffentlichkeit. In Notfällen Nase geräuschlos abtupfen.
- Niesen in der Öffentlichkeit gilt als unfein -> zum Niesen zurückziehen
- äußerste Zurückhaltung bei Deos und Parfüms: Weder soll man durch negative noch durch positive Gerüche auffallen. Kein duftendes Rasierwasser, am besten gar kein Parfüm.
- weit mehr als im stets verständnisvollen Europa ist es wichtig, sich nie wie auch immer riechend in die (in öffentlichen Verkehrsmitteln drangvoll enge) Öffentlichkeit zu begeben - verschwitzt und wie auch immer riechend ist ein No-go in einer Gesellschaft, die stets gegenseitige Belästigungen zu vermeiden sucht. Daran sollte man denken bei der Zusammenstellungs des Urlaubsgepäcks, gerade weil es in Japan da auch sehr schwül und heiß werden kann: Entweder mehr Kleidung mitnehmen oder bei der Unterkunftswahl auf Wäscheservice oder vorhandene Waschmaschine achten. Ein legeres, knapp geschnittenes und leicht verschwitzt müffelndes Backpacker-Auftreten kommt gar nicht gut an, und in geschlossenen Verkehrsmitteln wird es als Zumutung empfunden.
- wie haben uns leider in Europa angewöhnt, immer und überall in der Öffentlichkeit mit dem Handy zu telefonieren und alle Umstehenden an den familiären Problemen teilhaben zu lassen, ob sie das hören wollen oder nicht. Es ist in der Tat eine gräßliche und respektlose Unsitte. Unser Verfall der gegenseitigen Rücksichtnahme wird einem um so mehr bewußt, wenn man sieht, wie Japaner zum Telefonieren fluchtartig den Raum verlassen, sich in der Öffentlichkeit die Hand abschirmend vor den Mund halten und jede Belästigung der Umstehenden vermeiden. Ebenso ist das bei uns leider zunehmend "normal" werdende, rücksichtslose wie peinliche Telefonieren in Zügen, meist mit unglaublichem geistigen Tiefgang ("ich bin kurz vor Mainz"), in Japan eine unter allen Umständen zu vermeidende Belästigung der Mitreisenden, ebenso wie lautes Quatschen.
- Japaner benutzen bei Erkältungen einen Mundschutz in der Öffentlichkeit aus Rücksichtnahme, um andere nicht anzustecken. Das ist überhaupt nicht peinlich, sondern rücksichtsvoll. Anderen Leuten quasi in die Atemluft zu husten ist mega-abscheulich.
- Paare unterwegs: Man knutscht nicht öffentlich. Da sind die Japaner viel traditioneller als wir; Körperkontakt in der Öffentlichkeit wird nicht gerne gesehen.
- geht gar nicht: Drängeln, vielleicht noch mit Körperkontakt. In Japan bildet man für alles eine Schlange, noch mehr als in England. Selbst am Bahnhof ist eine Markierung, wo sich die Türen öffnen werden, davor stellt man sich in Zweierreihen auf, eine Schlange für die linke Tür, eine für die rechte Tür. Wenn man wirklich mal irgendwo durchmuß (volle Züge oder Busse, Aussteigen z. B.), nie ohne Gestik (s. u.) und "sumimasen"


Gestik und Körpersprache:
- Ich muß/will unbedingt hier durch: rechte Hand vor Gesicht oder Brust, Handfläche nach links, Schneidebewegungen in der Luft, dazu verneigen. Dazu "Sumimasen".
- Heranwinken: Auf- und Ab der Hand, Handfläche nach unten, Finger wedeln nach unten - also das, was bei uns eher ein "Geh weg!" wäre.
- Kreis aus Daumen und Zeigefinger bei flach nach oben geöffneter Hand = Geld.
- X aus beiden Zeigefingern: Zahlen im Restaurant.
- Verbeugen kommt nicht nur zur Begrüßung vor, sondern es kann auch bedeuten: Es tut mir leid. Je größer der Fehler war, desto tiefer verbeugt man sich bei der Entschuldigung
- Hand vor Nase fächeln = sanftes Nein.
- Finger beider Hände bilden Kreis = richtig, Zustimmung.
- Zeigefinger auf eigene Nase = Ich bin gemeint.
- auf etwas oder jemanden zeigen: mit der offenen ganzen Hand, Handfläche nach oben, würde bei uns wie "hiermit präsentiere ich...." aussehen
- Hand beim Sprechen oder Lachen vor den Mund halten, besonders bei Frauen zu beobachten: typische Geste, schüchternes nicht die Zähne zeigen wollen
- Hand hinter den Kopf halten und ein bißchen seitlich leicht verbeugend einknicken: Verlegenheitsgeste, nicht wissen, was man sagen soll
- Kopfnicken während der Unterhaltung und "hm", "hm": wie regelmäßig eingestreutes "Hai": Aufmerksamkeit signalisieren: "Ich höre zu, ich verstehe, klingt gut und schön, was du sagst....." - es ist aber kein echtes, wirklich gemeintes "ich stimme zu, ja"
- Arme verschränken = ich habe das Sagen, ich bin der Boss.
- Klatschen: Hände aufrecht vor dem Körper zusammenklatschen, Kopf kurz neigen = ich bete für irgend etwas, z. B. gutes Gelingen, entspricht unserem Daumendrücken oder unserer thumbs-up-Geste. Kann unter Umständen auch bedeuten: Es tut mir leid.
- der Mittelfinger wird zum Zeigen verwendet und wird nicht als Stinkefinger verstanden.
- gekreuzte Unterarme: Unmöglich, nein. Gekreuzte Hände = Nein. Gekreuzte Finger (Batsu) = Nein.
- kurzes seitliches Wedeln mit der offenen Hand; mit der Hand, senkrecht vor der Brust, Handfläche nach links, "Luft wegschieben" = Nein.
- Kopf im Gespräch zur Seite legen: "bin mir nicht sicher, ob ich das für gut oder möglich halte oder das Gesagte bestätigen kann..." - in jedem Fall eine vorsichtige Andeutung von Nein oder Opposition zum Gesagten
- hörbar Luft durch die Zähne einziehen = "schwierig", 90% Nein.
- dazu noch zurücklehnen und Blick gegen Zimmerdecke richten = "sehr schwierig", 99 % nein.
- Schweigen kann sehr beredt sein. Je nach Zusammenhang kann Schweigen bedeuten: Neinsagen durch Ignorieren, Neinsagen durch Vermeiden, Kundtun der Unerfüllbarkeit des Geforderten, Nachdenken, Nichtverstehen und sich nicht trauen nachzufragen, man ist wütend und will aber keinen offenen Streit, Druck ausüben und den anderen zum Vorlegen einer besseren Idee oder mehr Entgegenkommen animieren (gerade weil man weiß, daß die Westler die Stille schwer ertragen und evtl. nachlegen), Zustimmen mangels Einwände, Entscheidungsunfähigkeit mangels interner Absprache mit Vorgesetzten etc.
- das Schweigen ist prinzipiell steigerungsfähig: Schlafen.


Richtig essen:
- Suppe wird direkt aus der Schale getrunken; Stücke werden mit Stäbchen herausgefischt.
- Hashi, Ohashi = Eßstäbchen: hängen neu zusammen und müssen erst auseinander gebrochen werden. Japanische Stäbchen sind oben eckig und runten rund und laufen nach unten spitz zu; chinesische Stäbchen sind unten dicker. Außer bei Einmal-Billigstäbchen: Die sind auch in Japan unten dick, herstellungsbedingt. Japanische und chinesische Stäbchen sind aus Holz, koreanische aus Metall.
- Stäbchen werden nie oben quer über eine Schüssel abgelegt. Dafür dient eine Hashi-oki = Stäbchenbank; alternativ legt man sie auf einen Teller oder man steckt sie in die aufgerissene Hülle.
- Stäbchen dürfen niemals in den Reis gesteckt werden und dort belassen werden - das wäre eine Erinnerung an ein Totenritual namens
Hotokebashi. Es gilt als sehr respektlos.
- Man darf nie Stücke mitsamt Stäbchen oder von Stäbchen zu Stäbchen an den Nachbarn weitergeben - auch das erinnert an ein Totenritual, bei dem die Knochen des Eingeäscherten mit Stäbchen weitergegeben werden.
- Mit Stäbchen darf nicht auf Dinge oder gar Menschen gezeigt werden.
- Stäbchen liegen zwischen den Fingern und werden nicht in der Faust gehalten.
- Stäbchen werden nicht zum Aufspießen, sondern nur zum Greifen benutzt.
- wenn man dem Nachbarn beim Essen auflegt, Stäbchen umdrehen und das Essen mit den Enden aufnehmen
- Extrastäbchen für Gemeinschaftsteller verwenden.
- Zerteilen wie mit einer Schere ja, wie mit einer Säge nein.
- Stäbchen werden nicht abgeschleckt.
- Stäbchen dürfen nicht zum "Angeln" und Heranziehen von Schüsseln verwendet werden.
- eine Gabel zu verlangen gilt als Beleidigung für den Koch, es hieße, er habe was bei der Zubereitung falsch gemacht, daß es nicht mit Stäbchen eßbar ist.
- Sushi darf man auch mit den Fingern essen.
- Saucen werden nicht über den Reis gekippt.
- Wer eine Rede halten will, soll darauf verzichten, mit Stäbchen gegen ein Glas zu schlagen, die Sitte kennt man nicht.
- Schlürfen von Suppen und Nudeln geht, andere Körpergeräusche gehen im Unterschied zu China nicht!
- Reihenfolge Vorspeise - Hauptspeise - Nachspeise gilt nicht. Man ißt alles wie und wann man Lust hat.
- in Restaurants wird an der Kasse am Ausgang bezahlt. Nur kurz vor der Schließung wird am Tisch kassiert. Bei Café-Ketten kann man Selbstmitgebrachtes problemlos verzehren.
- Oshibori = Handreinigungstücher, werden vor dem Essen gereicht, Hände damit säubern
- Grünen Tee gibt es meist kostenlos zum Essen


Öffentlich essen:
- In der U-Bahn ist Essen verboten, ebenso in normalen "kleinen" Zügen, im Shinkansen oder in Langstreckenzügen (Limited Express Service etc.) hingegen erlaubt und beliebt - nach Losfahrt werden von den Reisenden die Bento-Boxen herausgeholt.
- Essen aus der Hand unterwegs, vielleicht auch noch beim Gehen, ist verpönt. Das ändert sich inzwischen ein bißchen: Auf dem Land gilt es nach wie vor als unhöflich, in Tokyo machen es immer mehr Japaner selbst.


Gemeinsam trinken:
- in einer Gruppe nie sich selber nachschenken, nur den anderen. Dem Einschenkenden zuprosten. Umgekehrt muß man selbst immer darauf achten, dem anderen einzuschenken, weil der arme Mensch sonst den Rest des Abends trocken dasitzen wird.
- in Gruppe dient es der Harmonie, wenn einer für alle ordert.
- nach der Arbeit zusammen auszugehen, ist völlig normal in jap. Betrieben. Es ist die einzige Möglichkeit, mit den Kollegen privat zusammenzusein und auch private Meinungen zu äußern. Selbst sich die Meinung zu sagen, vor allem unter Alkohol, ist völlig akzeptiert. Ablehnung des Ausgehens nach der Arbeit = mangelnde Teamfähigkeit.
- wer nicht nachgeschenkt bekommen möchte, läßt das Glas halbvoll stehen.
- zum Nachschenken wird das Glas mit beiden Händen gehalten
- Nominication = nomi (trinken) + communication -> informelle Treffen erlauben, wirkliche Meinungen zu äußern und zu erfahren. Die Einladung zu einem nachdienstlichen Saufgelage bedeutet, daß man Honne reden möchte, also Tacheles. Privates hat auf der Arbeit nichts zu suchen. Es gibt keine Gespräche auf der Arbeit über Privatangelegenheiten, und auch die Frage nach dem Verlauf des letzten Wochenendes gehört in die abendliche Runde oder in die Mittagspause. Auch Einstand/Ausstand/Geburtstagfeiern finden nie im Büro statt, sondern das wird abends gemacht.
- Trinksprüche müssen erwidert werden
- japanisches Ausgehen: Wenn die Rechnung geteilt wird, wird ohne Rücksicht auf den Einzelverzehr der Betrag durch die Anwesenden geteilt. Bei gleicher Hierarchieebene fällt der Anteil gleich aus. Wenn verschiedene Hierarchieebenen zusammen ausgehen, übernimmt die höhere Ebene (Vorgesetzte) einen höheren Anteil. Das tatsächlich Verbrauchte herauszurechnen wie bei uns (sortir à l'allemand), ist unbekannt.
- bei Alkohol am Steuer ist Null Toleranz - selbst als Beifahrer eines angetrunkenen Fahrers bekommt man sein Fett weg und wird bestraft!


Trinkgeld:
- Trinkgeld: Unüblich in Japan, gilt als beleidigend. Auch nicht Taxi, Kofferträger, Restaurant. Einfach sparen. Exzellenter Service ist Pflicht jedes Dienstleisters. Stolze Dienstleister lehnen Almosen ab und haben es einfach nicht nötig, sich herablassend behandeln zu lassen. Wenn man versehentlich im Restaurant Trinkgeld liegenläßt, kann es passieren, daß man es als vergessenen Besitz nachgetragen bekommt. Sehr angenehm!


Schuhe - Schlappen - Strümpfe:
- Schuhe werden dauernd ausgezogen: Wohnung, Bad, Tempel -> keine Schnürschuhe mitnehmen. Außer wenn man wahnsinnig werden will, dann hochgeschnürte Stiefel natürlich.
- auf lochfreie und frische Socken achten.
- Privathaushalte: Schuhe aus! Schon auf der Holzstufe vor dem Eingang, im Eingangsbereich (Genkan), Fußspitzen nach außen abstellen. 1-2 Holzstufen kennzeichnen immer einen rein-unrein-Übergang. Stelle weiterhin kenntlich an bereitstehenden Hausschuhen.
- Hotelzimmer sind in der Regel schuhfreier Bereich. Es gibt z. B. eine kleine Stufe am Eingang zum Umziehen.
- Tatami werden auch nicht mit Schuhen betreten, nicht einmal mit Hausschuhen, sondern nur barfuß oder in Strümpfen.
- Toilette hat eigene Toilettenschlappen, die den Toilettenbereich nicht verlassen dürfen.
- Auch ein abgetrenntes Zugabteil ist frei von Straßenschuhen, Innen-Slipper dabei haben!
- Umkleidekabinen in Bekleidungsgeschäften sind ebenfalls straßenschuhfreie Zone
- im Zweifelsfall ist ein Teppich oder eine kleine Stufe das Alarmsignal zum Schuheausziehen, wenn man sich nicht an bereits dort abgestellten Schuhen orientieren kann
- dito Tempel. Evtl. gibt es Tempelschlappen zum Ausleihen, insbesondere wenn man innerhalb des Tempelbereiches in den Garten gehen kann oder zu einem anderen Gebäude wechselt. Wenn der Weg durch einen Tempel hindurchführt, Schuhe in der Plastiktüte mitnehmen. Stabile Tüte mitnehmen! Meist werden Plastiktüten zur Verfügung gestellt.
- Ebenso sind traditionelle Kneipen, in denen man auf dem Boden sitzt, schuhfreie Zonen.
- Ryokan (traditionelle Gasthäuser) werden auch nur in Pantoffeln betreten
- in öffentlichen Bädern werden die Straßenschuhe im Vorraum gelassen. Die ggf. nun angezogenen Plastikschlappen nimmt man nur bis zum Badebereich. Das eigentliche Bad betritt man nur barfuß.
- Japan ist ein sehr sicheres Land; im Gegensatz zu anderen Ländern wie Indien (böse eigene Erfahrung!) kommen ausgezogene und draußen abgestellte Schuhe in Japan nicht weg. Man kann sie wirklich bedenkenlos am Eingang zurücklassen; die Japaner verlassen sich ja auch darauf und haben nicht unbedingt billigere Schuhe. Der größte Unsicherheitsfaktor sind, wenn überhaupt, die Kollegen Touristen.


Waschen und Baden:
- öffentliche Bäder: Schuhe bereits im Vorraum aus, ggf. gegen Plastikschlappen austauschen. Badebereich nur barfuß. Traditionell wird nackt gebadet. Nur beim Hin- und Rückweg hält man sich ein kleines Handtuch vor.
- in öffentlichen Bädern gilt Geschlechtertrennung
- Waschen und Baden sind zweierlei: Vorher wird eingeseift und am Wasserhahn auf Plastikhockern mit Gieß-Schüssel gewaschen! Nie ungewaschen ins Hauptbecken gehen. - Das Hauptbecken dient der Entspannung, nicht der Reinigung.
- ins Becken dürfen keine Seifenreste gelangen
- das gilt ebenfalls in Wohnungen: Das gleiche Wasser wird für mehrere Personen zum Baden benutzt, deshalb nach dem Bad nicht ablassen. Stöpsel NICHT ziehen!
- im Becken wird nackt gebadet.
- cave bei Onsen = vulkanischen Ursprungs - wirklich heiß (atsui)!
- Schweiß auf der Stirn wird mit einem kleinen Handtuch abgetupft
- öff. Bäder sind keine Sport- und Spaßbäder, ohne Sprungbretter, ohne Rutschen etc., Reinspringen mit Pflatsch ist extrem unhöflich (und gefährlich bei heißen Bädern).
- in vielen Onsen (ca. die Hälfte) sind Tattoos verboten - eine der Maßnahmen, um die Yakusa aus der Öffentlichkeit zu drängen
- laute Unterhaltung oder Rufen in Bädern gelten als schlechte Manieren
- Abtrocknen vor Betreten der Umkleide
- Badewannen haben oft eine Aufwärmfunktion. Also Wasser kalt einlassen und dann aufheizen.


Pünktlichkeit:
- Japaner sind ein äußerst pünktliches Volk. Das merkt man an der Taktung der Züge und U-Bahnen. Termine und Verabredungen werden unter allen Umständen eingehalten, eher zu früh als auch nur eine Minute zu spät. Unsere deutsche Laxheit kommt nicht gut an - und da sollte und Japan ein Vorbild sein: Pünktlichkeit ist eine Form des Respekts vor dem Gegenüber.


Hierarchien, Gruppe und Selbständigkeit:
- selbständiges Handeln: Das klare Hierarchiedenken zum einen und die früh gelernte Vorgabenerfüllungspflicht lassen Japaner unselbständig erscheinen. Sie haben eine große Scheu vor eigenmächtigem Handeln, solange ihr Handeln für irgendwelche Mitglieder der betroffenen Uchi Konsequenzen haben könnte.
- Entscheidungen werden grundsätzlich von oben nach unten gebildet. In Diskussionen sind Japaner argumentativ schwach und fühlen sich in die Enge getrieben - Diskussionen in unserem Stil sind unüblich und bringen gar nichts.
- im japanischen Bildungssystem herrscht das Prinzip der Nachahmung: Eigene Reorganisation des Gelernten, die in ein unmittelbares Handeln mündet, ist für ein Gruppenmitglied schlicht unmöglich. Deshalb gibt es auch keine konträre Diskussion, mit Außenstehenden schon gar nicht, und innerhalb der Gruppe verhindert das Hierarchiedenken den lebhaften Diskurs, wie wir ihn gewohnt sind.
- unsere flachen Hierarchien und das Begegnen auf Augenhöhe sind unbekannt, ebenso unsere Gleichmacherei, Anbiederei von oben oder Respektlosigkeit von unten. Vielmehr herrschen Hierarchie und eine Art Patensystem: Koohai = der Lernende, der seinem "Paten" besonderen Respekt zollt (z. B. Hilfsdienste leistet), Senpai = der Ältere, der den Koohai unter seine Fittiche nimmt. Wichtig ist ein stets der Hierarchie angemessenes Verhalten, das wird ab Kindergarten trainiert. Selbst jüngere Studenten verhalten sich älteren Studenten gegenüber durch Verwendung einer höflicheren Sprachformulierung und Wortwahl respektvoller als in Gegenrichtung üblich. Völlig unverständlich ist Japanern unsere bis auf Dozentenebene übliche Duzerei. Deshalb ist es wichtig, daß Kontaktaufnahme zwischen zwei verschiedenen Gruppen (Firma z. B.) hierarchiekonform läuft (Boss schreibt Boss, Sekretärin schreibt Sekretärin). Von zu niedrig auf zu hoch wäre eine Beleidigung des Hohen.
- Konformität: In Deutschland pflegen wir kreative individuelle Ausdrucksformen in Kleidung und Auftreten - in Japan wird die individuelle Note schnell zum inakzeptablen Eigensinn, der die ganze Gruppe blamiert. Deshalb ist ein überkorrektes äußeres Erscheinungsbild gerade gut genug. Mit konformer, langweiliger, "klassischer" Kleidung ohne Schmuck liegt man immer richtig. "Casual" gibt es nicht in der Berufswelt.
- Rolle der Gruppe: Japan ist sehr gruppenorientiert, weshalb die Gesellschaft als geschlossen empfunden wird. Je nach Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Gruppe gibt es zwei ganz unterschiedliche Stufen des Bemühens um den Anderen: Uchi = drinnen = innerer Kreis = Gruppe, deren Identität man nach außen vertritt und für die man alles tut, um einen guten Eindruck zu hinterlassen und deren innere Harmonie Zweck allen Bemühens ist. Soto = draußen = höfliche Distanz, Bemühen auf notwendiger Sparflamme, oft als gewisse Unbeteiligtheit empfunden, z. B. bei Mißgeschicken, Unfällen, Notlagen -> es läuft dann über offizielle Funktionsträger. Am besten läuft es, wenn man es irgendwie schafft, Teil eines Ushi zu werden oder ein Uchi so "hinzubasteln", daß es beide umfaßt.
- japanische Geschäftspartner mögen keine Überraschungen hinsichtlich Vereinbarungen oder Vorschlägen, weil sie als Teil ihrer Gruppe nicht in der Lage sind, ohne Absprache kurzfristig darauf zu reagieren oder eigenmächtig die neue Situation "einzubauen".


Kritik, Konflikt und Streit:
- die Harmoniebedürftigkeit wird deutlich überstrapaziert: Der Durchschnittsjapaner ist genauso viel oder wenig harmoniebedürftig wie der Durchschnittseuropäer. Er geht nur völlig anders mit Konflikten um, die es natürlich genauso viel oder wenig wie bei uns gibt. Vor allem sieht man in der japanischen Gesellschaft nicht die Notwendigkeit, jeden Konflikt hier und jetzt sofort "zu klären".
- der Japaner ist grundsätzlich konfliktscheuer als wir: Er sitzt es einfach aus, wenn ihm etwas nicht paßt, und macht gar nichts.
- Kritik darf nie als Kritik rüberkommen: Besser ist es, einen "positiven Wunschzustand" zu umreißen und das gewünschte Resultat betonen
- wenn unbedingt nötig, Kritik am besten beim abendlichen Trinken ansprechen - der Alkohol ist die beste Ausrede überhaupt, um "offen zu reden"
- wenn unumgänglich, die Kritik als Lob mit subtiler Einschränkung verpacken
- ein offener Konflikt ist der Super-Gau und im Prinzip nicht mehr zu kitten. Wir empfinden das als nachtragend. Das Problem ist aber vor allem das Ausmaß des Disputs der Öffentlichkeit - in emails ist es viel eher möglich als verbal, zumal vor Dritten. Je offener und je öffentlicher eine Meinungsverschiedenheit ausgetragen wird, desto nachhaltiger ist die Harmonie auf Dauer gestört, und man kann praktisch nicht mehr zusammenfinden. Bis dahin ist es aber glücklicherweise ein sehr langer Weg.


Geschenke und Gefälligkeiten:
- Japan ist ein geschenkefreudiges Land. Unter Geschäftspartnern sind Geschenke Pflicht. Bei Einladungen sind Geschenke Pflicht. Geschenke bauen Giri (Gefälligkeits-Beziehungs-Geflecht) auf.
- mehrere kleine Geschenke öfters sind besser als ein großes Geschenk einmalig (brächte den Beschenkten in Verlegenheit, siehe Rückgeschenk)
- die Verpackung ist mindestens so wichtig wie der Inhalt, wenn nicht sogar wichtiger
- Geschenke werden beidhändig übergeben.
- Geschenke werden nicht in Beisein des Schenkers geöffnet, sondern nachher alleine.
- Geschenke müssen in einer angemessenen Frist mit Gegengeschenken beantwortet werden, die ca, die Hälfte wert sind. So steht man immer gegenseitig in der Schuld eines anderen.
- Süßigkeiten schenkt man nur Frauen, nie Männern
- geeignete Mitbringsel aus Deutschland sind Alkoholika, Bierkrüge (ja, auch wenn es nicht unser Geschmack ist!), CDs o.ä. Wichtig sind klingende Markennamen und guter Ruf des Produkts.
- Messer und Scheren sind untauglich als Geschenk, weil es Trennung symbolisiert.
- Uhren sind kompliziert - einerseits sind Kuckucksuhren beleibte Mitbringsel, andererseits bedeutet eine Uhr immer: Deine Zeit läuft ab, du wirst bald sterben - ganz schlechte Idee.
- Vierteilige Geschenke sind so tabu wie in China - vier = shi = Tod.
- Tabu sind Motive mit dem kaiserlichen Mon (Chrysantheme)
- beim Geschenke-Verpacken die Vierteilung des Kartons mit Band vermeiden.
- neunteilige Geschenke sind ebenfalls tabu, weil neun = ku = Ungemach, Leiden. Also auch eine Unglückszahl!
- kein schwarzes, weißes oder schwarz-weißes Geschenkpapier, das bringt Unglück.
- nie weiße Blumen verschenken, nur bei Beerdigungen.
- nie gelbe Blumen verschenken, Gelb = Unglücksfarbe.
- am Valentinstag = 14.2. beschenken Frauen die Männer (Freunde, Verwandte, Vorgesetzte und Kollegen) mit Schokolade (Giri-Choko = Gefälligkeits-Schokolade).
- am White Day = 14.3. beschenken Männer die Frauen (Freunde, Verwandte, Vorgesetzte und Kollegen) im Gegenzug mit Schokolade.
- Gefälligkeiten sind wie Geschenke: Sie helfen, ein Gefälligkeits-Beziehungs-Geflecht aufzubauen. Gegenseitigkeit ist Pflicht, Revanchieren wird erwartet. Bei der Bitte um eine Gefälligkeit muß man auf japanischer Seite mit Übererfüllung rechnen - und steckt selber dann genauso tief in deren Schuld.


Humor und Satire:
- Vorsicht bei Humor! Unser Humor, insbesondere schwarzer Humor, wird einfach nicht verstanden, macht uns vielmehr unseriös und unglaubwürdig in den Augen des Gesprächspartners. Auch wenn es schwerfällt, keine flapsigen Bemerkungen etc., das wird wörtlich verstanden und damit eben nicht verstanden. Sarkasmus wird für bare Münze genommen. Lieber jeglichen "Quatsch" bleiben lassen, wenn man nicht in die Ecke "unseriöser Spinner" gestellt werden will!
- geht überhaupt nicht: Witze über das Kaiserhaus, absolut sakrosankt!


Benutzung von Taxis:
- Heranwinken: Auf- und Ab der Hand, Handfläche nach unten.
- Türen nicht selbst öffnen/schließen: der Fahrer hat eine Automatik dafür!
- hinten einsteigen.
- freie Taxis: rot leuchtende Schrift hinter Frontscheibe. Grün = besetzt.
- kein Trinkgeld


Zurechtfinden in der Stadt:
- Straßennamen sind meistens nicht vorhanden, außer bei größeren Einkaufsstraßen.
- die Angabe umfaßt meist Präfektur, Stadt, Stadtteil, Block und eine Zahl in diesem Block
- Häuser haben Nummern, die sind aber nicht fortlaufend nach Straße vergeben, sondern nach Baudatum.
- Öffentliche Stadtpläne: Nicht genordet, sondern in Blickrichtung angebracht.


Fremdsprachenkenntnisse:
- Fremdsprachenkenntnisse sind außerhalb der städtischen Ballungszentren gering ausgeprägt. Der Ausländeranteil in Japan liegt unter 2%, Großteil Koreaner. Auslandsaufenthalte während des Studiums sind unüblich, weil man dadurch eher Nachteile (Zeitverlust, Gruppenverlust) als Vorteile (verbesserte Jobchancen, aber Fremdsprachenkenntnisse sind nicht wirklich ein Einstellungskriterium) hat.
- Urlaube im Ausland sind kurz und werden meistens in der Gruppe gemacht - -> wenig Gelegenheit zur Kommunikation mit Einheimischen.
- Englisch wird prinzipiell an jeder Schule gelehrt. Schulenglisch wird von der jüngeren Generation gerne eingesetzt, die unbefangener ist als die ältere Generation, die bei mangelnder Ausdrucksfähigkeit möglichen Gesichtsverlust fürchtet und das mögliche Problem am liebsten umschifft.
- das große Problem ist jedoch die Aussprache: Mangels Sprachpraxis und wegen des reinen Auswendiglernunterrichts kommt oft unverständliches Kauderwelsch an, auch wenn die Japaner meinen, Englisch zu sprechen. Das ist das Ergebnis davon, daß sich Lehrende und Lernende oft innerhalb eines geschlossenen Mikrokosmos befinden. Das tut einem immer herzlich leid, wenn die Jugend unbefangen den Kontakt sucht, und dann ist nicht wirklich herauszubekommen, was sie auf Englisch mitteilen wollen.
- pfiffige Bahnmitarbeiter haben ein Tablet oder Handy, worauf sie mit dem Finger japanisch schreiben und dem Touristen die englische Übersetzung zeigen


Müll und Mülltrennung:
- öffentliche Mülleimer gibt es nicht. Müll wird zu Hause entsorgt. Sehr lästig bei der unglaublichen Verpackungsbegeisterung der Japaner. Aber aller Müll wird mit nach Hause genommen.
- nur an Getränkeautomaten gibt es eine Recyclingbox, meist nach Glas, Metalldosen und Plastikflaschen getrennt.
- Mülleimer finden sich oft beim nächsten Konbini.
- Mülltrennung in brennbar und nicht brennbar. Halt - das stimmt nicht ganz, denn nicht alles, was per se brennt, gilt auch als verbrennbar. Und was niemand verbrennen würde, gilt dennoch als verbrennbarer Müll. Beispiel 1: Organische Küchenabfälle gelten als verbrennbar. Beispiel 2: Plastik und Gummi gelten als nicht verbrennbar, wegen giftiger Gase, obwohl es durchaus brennt. Deshalb ist die Trennung eigentlich eine in ver-brennbar (Küchenabfälle, Holz, Papier, alte Klamotten und Stoffe) und nicht ver-brennbar (Glas, Keramik, Gummi, Metall, Plastik, Elektroschrott). Und daneben gibt es noch den Recycling-Müll (Papiertüten, Zeitungen, Dosen, Plastikflaschen, Glasflaschen). Um das Ganze noch komplizierter zu machen, gibt es noch regionale Besonderheiten.
- die größte Chance, Müll unterwegs loszuwerden, besteht an Bahnhöfen.
- vielleicht als Vorbild das Müllvermeiden in den Geschäften einleiten: "ije, ii desu..."

 

Abb.: Beispiel für eine Mülltrennanleitung in der Stadt Kyoto.


Im Gespräch:
- kein direkter Blick in die Augen, sondern Augen auf Kinn und Hals gesenkt, vor allem bei Höhergestellten.
- Geduld - bei uns ist es schon unhöflich, jemandem ins Wort zu fallen, in Japan ist das vollkommen unmöglich.
- alles vermeiden, was die Harmonie gefährden könnte
- immer eher mit Tatemae = angemessene Meinung rechnen
- Wichtiges kommt oft erst zum Gesprächsende, nachdem der ganze Vorspann der Harmoniepflege diente. Mit der Tür ins Haus zu fallen, gilt als unhöflich.
- absolute Tabuthemen: Korea, Kaiserhaus, Mandschurei, Zweiter Weltkrieg, Nanjing-Massaker.
- Komplimente machen, empfangene Komplimente: das Gelobte höflich herunterspielen und Kompliment abweisen
- kein wildes Gestikulieren
- im Gespräch nie wegdrehen und dem Partner den Rücken zukehren, auch nicht "aus Versehen" - Abgelenktsein kommt nicht gut an.
- keine Gefühlsausbrücke, keine "Aufregung", immer schön kontrolliert bleiben
- nie direkte Kritik äußern
- das Bemühen = Gambare ist wichtig: Stets dem anderen zeigen, daß man sich bemüht: Wenigstens ein paar japanische Floskeln lernen etc.


Farben und ihre Bedeutung:
- Weiß = Farbe des Todes
- Gelb gilt Unglücksfarbe - nicht für Geschäftskleidung verwenden (Krawatte o.ä.).
- Lila = Farbe der Liebenden, z. B. für Hochzeitspaare.
- Rot = Aggression und Gefahr, nur bei Damenkleidung toleriert.
- Grün = Jugend und Zukunft.


Sitzordnung bei Gruppen, privat oder geschäftlich:
- Gast: am weitesten weg vom Ausgang, und so, daß er ihn sehen kann = bester Platz, am besten mit dem Rücken zum Fenster in der Tischlängsseitenmitte.
- ranghöchster Gastgeber gegenüber in der Tischmitte.
- daneben absteigende Reihenfolge, Gleichrangige gegenüber.
- der schlechteste Platz ist neben der Tür mit dem Rücken zu ihr.


Stempeln statt unterschreiben:
- in Europs sind wir gewohnt: Verträge werden gültig durch die Unterschrift, und die Unterschrift erzeugt rechtliche Bindung. Die Unterschrift ist einmalig und individuell und tritt an des Schreibers Stelle. In Japan ist das der Hanko, der Namensstempel.
- traditionell ist das Material Wasserbüffelhorn. Stempel werden traditionell handgeschnitzt und sind daher einzigartig und individuell.
- Urkunden werden nicht unterschrieben, sondern mit dem Hanko abgestempelt, mit einer orangeroten Farbe (Shuniku).
- eine Urkunde ist nur gültig gestempelt, wenn der Abdruck "schön" ist". Damit der Stempelabdruck möglichst immer leich gut aussieht, verwendet man als Unterlage spezielle Stempelmatten. Ist der Stempel verwischt oder nur partiell, ist die Urkunde ungültig.
- die Formen der Stempel sind rund (Firmen oder Privatpersonen), viereckig (Firmen) oder oval (Privatpersonen).
- damit ein Stempelabdruck rechtlich bindend ist, muß er auf dem Rathaus registriert werden. Mit einer dann dort erhaltenen Magnetkarte kann man sich an einem Automaten gebührenpflichtige und nur eine begrenzte Zeitdauer gültige Stempelzertifikate ziehen. Stempel und Zertifikat erlauben es, rechtlich verbindlich Verträge "abzuzeichnen".
- den Stempel zu verlieren, ist ein burokratischer Super-GAU.
- das System und vor allem seine Sicherheit werden dadurch relativiert, daß es für die gängigsten Namen Namensstempel in jedem 100-Yen-Shop als Massenware gibt.


Photos:
- Photoverbote, z. B. im Innern von Tempeln, sind sehr ernst zu nehmen und zu respektieren. Zuwiderhandlung kann in Polizeigewahrsam enden.
- es ist generell nicht erwünscht, und vielerorts ausdrücklich verboten, religiöse Statuen zu knipsen, insbesondere die zentralen Buddhafiguren. Deswegen ist das Photo frontal in einen Tempel oder Schrein hinein entweder schlicht verboten oder schlichtweg ein Affront bei anwesenden Gläubigen.
- je höher Kunstwerke eingestuft sind (Nationalschätze etc.), desto unwahrscheinlicher ist es, daß man sie photographieren darf. Z. B. beinhaltet der Sanjusangendo in Kyoto eine der hochwertigsten Sammlungen von historischen Statuen, und zugleich eines der striktesten Photoverbote. Gleiches gilt für die Statuensammlung des To-ji in Kyoto.
- manche Tempel (z. B. Daisen-in in Kyoto, Daitoku-ji in Kyoto) verbieten das Photographieren ganz, auch in den Gärten. Ist zwar sehr ärgerlich, aber zu akzeptierendes Hausrecht. Absicht ist natürlich Verkauf von eigenen Photobüchern. Manchmal wird das Verbot auch sehr unangenehm kontrolliert und durchgesetzt, und die Anti-Photo-Neurose mancher Tempel kann einem schon mal den Besuch verleiden. Aber Hausrecht ist Hausrecht. Empfohlene Alternative: Photofreundliche Tempel unterstützen.
- die meisten Tempel machen eine Mischung: Das Photographieren von Innenräumen ist verboten, von Gärten und Außenarchitektur erlaubt.
- liberalere Tempel sagen: Buddhabilder nein, alles andere ja.
- einige Tempel geben das Photographieren ganz frei, z. B. der Palastbereich im Ninna-ji in Kyoto.
- Keine Probleme gibt es bei einigen der meistbesuchten Touristen-Hotspots wie der großen Halle von Nara etc. - wahrscheinlich hat man dort schlicht resigniert.
- die Japaner sind selbst äußerst photofreudig, wobei die Selbstdarstellungsphotographie (Selfies oder die typisch doofen Ich-oder-wir-vor-irgendwas-Bilder...) deutlich im Vordergrund steht. Die Dichte der Selfiesticks kann einem an manchen Orten sehr auf den Zeiger gehen und ist z. B. im Bambuswald von Arashiyama höher als die Dichte der Bambusstengel.


Rolltreppen und Treppen:
- in Japan herrscht Linksverkehr - dieses Denken trifft auch für Rolltreppen zu. Also: Links stehen, rechts Lücke lassen. Und rechts auf der Rolltreppe überholen.
- Ausnahme: In Osaka ist es umgekehrt: Also: Rechts stehen, links Lücke lassen. Und links auf der Rolltreppe überholen. Wie bei uns. Nur in Osaka. Warum? Keine Ahnung.
- auch auf Treppen gilt das Prinzip des Linksverkehrs: Häufig ist auf der vertikalen Fläche der Treppenstufen eine Markierung mit Pfeilen angebracht, wie sich herauf- und herabeilende Menschenströme zu verteilen haben.


Literatur, Links und Quellen:
Kerstin Fels, Andreas Fels: Fettnäpfchenführer Japan: Die Axt im Chrysanthemenwald, 288 S., Conbook Medien, Meerbusch, 2016,  ISBN-10: 394317624X, ISBN-13: 978-3943176247
Rita Menge: Praxisführer Japan - Fettnäpfchen gekonnt vermeiden, Königshausen & Neumann, Würzburg 2009, ISBN 978-3-8260-4158-7
Boye Lafayette De Mente: Etiquette Guide to Japan - know the Rules That Make the Difference, 192 S., Verlag Tuttle Publishing, 3. Auflage 2015, ISBN-10: 4805313617, ISBN-13: 978-4805313619
Francoise Hauser: Japan für die Hosentasche - was Reiseführer verschweigen, Fischer Taschenbibliothek, Frankfurt 2016, ISBN-13: 9783596521036
Japanische Anreden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Japanische_Anreden
Japanische Anreden:
https://oryoki.de/blog/japanische-anrede-hoeflichkeitsformen/
Soziales Verhalten in Japan:
https://de.wikipedia.org/wiki/Soziales_Verhalten_in_Japan
Matthias Reich: Was Sie dachten, niemals über Japan wissen zu wollen, Conbook Medien GmbH, Meerbusch 2016, 2. Auflage, ISBN 9789958891081


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