Bernhard Peter
Shizuoka (Präf. Shizuoka), Burg Sunpu-jo, Beschreibung und Photos


Lage und Erreichbarkeit, Touristisches
Die Reste der Burg Sunpu liegen mitten im Häusermeer der modernen Großstadt Shizuoka (Adresse: 1-1 Sunpujokoen, Aoi-ku, Shizuoka-shi, Shizuoka-ken). Jeder, der die Tokaido-Strecke zwischen Tokyo und Nagoya mit dem Shinkansen o.ä. entlangfährt, hat die Möglichkeit, hier einen kleinen schnellen Zwischenhalt einzulegen. Wer von Tokyo aus nach Südwesten fährt oder umgekehrt, kann hier mit wenig Aufwand eine Burganlage seiner "Sammlung" hinzufügen. Am Bahnhof gibt es Schließfächer, wo man sein großes Gepäck lassen kann. Entlang der Hauptstrecke entlang des alten Tokaido gibt es eine ganze Reihe von Burgen, die man auf der Durchreise kombinieren kann, so bieten sich neben Sunpu die teilrekonstruierten Burgen Hamamatsu, Kakegawa (mit historischem Palast) und Odawara beispielsweise an, so daß man hier ein "Gesamtpaket Burgen" zusammenstellen kann. Aber in Shizuoka selbst gibt es noch weitere Sehenswürdigkeiten, die man mit dem Besuch der Burg verbinden kann: Leicht zu erreichen ist der Sengen-Schrein, 500 m nordwestlich der Burg und mit einer interessanten Architektur mehrerer Schreine, die in engem Zusammenhang mit der Tokugawa-Familie stehen. Noch sehenswerter ist der Kunouzan Toushou-guu an der ursprünglichen Begräbnisstelle von Tokugawa Ieyasu; er ist der älteste aller Toushou-guu-Schreine in Japan. Er liegt 8 km östlich der Burg an der dem Meer zugewandten Seite des dortigen Berges und ist ab Hauptbahnhof in ca. 45 min. mit dem Bus erreichbar.

Aber zurück zur Burg: Die wichtigste Stelle, die Südostecke der Anlage, ist  ca. 680 m in nordwestlicher Richtung vom Bahnhof entfernt. Man folgt den Über- und Unterführungen am nördlichen Bahnhofsausgang immer in Richtung "Sunpu Castle Park", folgt der breiten Hauptstraße nach Nordwesten, und wenn der erste Wassergraben rechterhand sichtbar wird, biegt man nach rechts ab. Von der einst großen und historisch bedeutungsvollen Burg haben sich im wesentlichen die Wälle und Gräben tief in das Relief der Stadt eingeprägt. Selbst wo die Wassergräben verfüllt sind, erkennt man ihren Verlauf noch in den großen Verkehrsadern wieder, denn entlang der Gräben wurden die Magistralen des städtischen Ausbaus angelegt. Was die Gebäude der Burg betrifft, sieht es aufgrund der gründlichen Zerstörung mau aus: Einige wenige Bereiche der Burg wurden rekonstruiert, aber der Großteil ist Park. Burg Sunpu schaut man sich an, um auf historischem Boden zu stehen, um eine hervorragend rekonstruierte Toranlage an der Südostecke zu sehen, um einen schönen Park zu durchschreiten bzw. den 2001 fertiggestellten Momijiyama-Garten zu besuchen, der viele klassische Gartengestaltungselemente zu einem hübschen Ensemble als Landschaftsgarten kombiniert, und, ganz aktuell, um den spannenden Ausgrabungen auf dem Burggelände zu folgen, wo seit mehreren Jahren die Grundmauern des Hauptturmes freigelegt und konserviert werden (Photos unten: Zustand September 2023). Das Gelände ist frei zugänglich, sogar um das Ausgrabungsgelände herum ist ein Weg zum Zuschauen angelegt worden. Nur der Momijiyama-Garten kostet Eintritt. Die Einheimischen frequentieren den Park zur Erholung, die Kinder freuen sich über die Spielplätze, das Ausgrabungsgelände ist eine Großbaustelle, aber Touristen trifft man hier kaum. Im Frühjahr ist der Park aufgrund seiner über 500 Kirschbäume eine erste Adresse zum Blütenschauen (Hana-mi). Die Rekonstruktion der Toranlage und der Ecktürme ist lobend hervorzuheben, weil man auch hier wie zuvor schon in Kakegawa ein ganz neues Verständnis von Denkmalpflege an den Tag legt und alles authentisch mit originalgetreuen Materialien und Techniken wiederaufgebaut hat. Unter den vielen Burgen mit wiederaufgebauten Strukturen gehört Sunpu eindeutig zu den "besseren" Rekonstruktionen, nachdem zunächst während der Nachkriegszeit nach dem Zweiten Weltkrieg etliche Burgtürme aus Stahlbeton wiedererrichtet wurden, nur äußerlich auf historisch getrimmt. Aber Sunpu ist glücklicherweise ein Beispiel für den mittlerweile erfolgten Paradigmenwechsel hin zu höherer Authentizität.

Etwas Verwirrung gibt es bei dem Namen dieser Burg. Die Burg ist allgemein als Burg Sunpu (Sunpu-jou) bekannt, liegt aber in der Stadt Shizuoka. Völlig korrekt kann man sie daher auch als Burg Shizuoka (Shizuoka-jou) bezeichnen. Sunpu (gesprochen "Sumpu") ist die alte Hauptstadt (Koku-fu) der Provinz Suruga. "Suruga fuchuu" bedeutet "Hauptstadt von Suruga", und das wurde zu "Sunpu" zusammengezogen (fu wird dabei zu pu, gleiches Kanji wie fu = Präfektur). Erst 1869 wurde das Lehen Sunpu in Shizuoka-han umbenannt, und von dem Lehen ging der Name 1885 auf die Stadt über, Shizuoka-shi. Der Name Shizuoka wird mit zwei Kanji geschrieben, das erste ist "shizu", was ruhig bedeutet und auch im na-Adjektiv shizukana enthalten ist. Das zweite Kanji lautet "oka" und bedeutet "Hügel", also zusammen "Hügel der Stille" oder "ruhiger Hügel". Ein weiterer Name der Burg ist "Fuchuu-jou", was "Burg der Hauptstadt" bedeutet. Und daneben trägt sie noch einen Spitznamen wie viele andere Burgen auch, nämlich "Burg der schwimmenden Insel", was sich auf die dichte Abfolge der drei mehr oder weniger konzentrisch ineinander geschachtelten Wassergräben bezieht.


Geschichte und Bedeutung: Stützpunkt der Imagawa
Sunpu lag an strategisch wichtiger Stelle am Tokaido, der wichtigsten, im wesentlichen an der Südküste entlang verlaufenden Straße zwischen Edo und Kyoto. Während der Muromachi-Zeit war Sunpu das Machtzentrum der Familie Imagawa, die die Provinz Suruga (heute: östliche Präfektur Shizuoka) beherrschten. Hier hatten sie ihre Basis, hier lag ihre Burg, die aber noch in keiner Weise der durch die heutigen Überreste dokumentierten Burg entsprach. Die Familie beanspruchte für sich eine Abstammung von den Minamoto. Imagawa Norikuni (1295-1384) wurde im Jahre 1337 zum Militärgouverneur (Shugo) der Provinz Suruga ernannt, und seitdem war die Familie hier ansässig. Um 1400 baute Imagawa Norimasa eine erste Burg, nicht groß, überhaupt nicht zu vergleichen mit der späteren Anlage, mehr ein befestigter Palast. Die Sengoku-Zeit (sen = Krieg, Feldzug, Gefecht, Schlacht, koku = kuni = Land, für Bürgerkriegszeit, jeder Daimyo gegen jeden) ließ den Machthunger von Imagawa Yoshitada (26.2.1436-1.3.1476) erwachen, dem damaligen Militärgouverneur der Provinz Suruga (Suruga-no-kuni). Er dehnte seinen Machtbereich auch in die südwestlich benachbarte Provinz Totomi aus und kämpfte gegen die Familien Katsumada und Yokota, in deren Ländereien in der Provinz Totomi er 1476 eingedrungen war. Yoshitada glaubte, die gegnerischen Familien vollständig besiegt zu haben, irrte sich aber darin und wurde von den Überlebenden schließlich angegriffen und getötet. Sein Nachfolger wurde sein Sohn, Imagawa Ujichika (1473-1.8.1526), und dieser führte den Eroberungskrieg mit wechselndem Glück gegen Totomi fort. In der Provinz Totomi wurde die von einem seiner Vasallen errichtete Burg Kakegawa ein wichtiger Stützpunkt der Familie Imagawa. Imagawa Yoshimoto (1519-12.6.1560), der Sohn von Imagawa Ujichika, wurde einer der dominierenden Feudalherren der Tokaido-Region. Unter ihm erreichte die Familie ihre maximale Machtstellung. Er hatte sogar Ambitionen, Shogun zu werden, marschierte auf Kyoto, attackierte auf dem Weg dahin Oda Nobunaga in der Provinz Owari, starb aber bei Kämpfen mit der Familie Oda in der Schlacht von Okehazama 1560 (Eiroku 3). Der dabei erlittene Verlust an Anführern und Soldaten schwächte die Imagawa nachhaltig.


Geschichte und Bedeutung: Von den Takeda über Tokugawa Ieyasu zu Toyotomi Hideyoshi und zurück
Danach ging es bergab mit der Familie Imagawa, die Takeda und die Tokugawa nahmen an Macht zu und schnappten sich die Ländereien. Imagawa Ujizane (1538-27.1.1615), der Sohn von Imagawa Yoshimoto, hatte Spannungen mit den Takeda provoziert und wurde von Takeda Shingen 1568 aus der Provinz Suruga und seiner Burg Sunpu vertrieben; die Burg fiel sofort. Die Takeda von Kai, die Tokugawa von Mikawa und sein Erzfeind Oda Nobunaga hatten sich gegen ihn verbündet. Imagawa Ujizane mußte ziemlich hektisch in die Burg Kakegawa fliehen, die von seinem Vasallen Asahina Yoshitomo verteidigt wurde. Takeda Shingen eroberte die Provinz Suruga im Nordosten, und Tokugawa Ieyasu fiel im Süden in die Provinz Totomi ein. Beide teilten das ehemalige Imagawa-Land unter sich auf. Tokugawa Ieyasu (31.1.1543-1.6.1616) belagerte fast ein halbes Jahr lang die Burg Kakegawa, das dauerte so lange, weil er seine Stärken nicht zum Einsatz bringen konnte. Am 17.5.1569 kapitulierten Imagawa Ujizane und sein Vasall Asahina Yoshitomo und übergaben die Burg. Das war das Ende von Ujizane als Kriegsherr und der Imagawa als souveräne Daimyo. Sunpu war also zunächst an die Takeda gefallen, doch das währte nur kurz, denn die wurden anschließend von Tokugawa Ieyasu bekämpft. Bei diesen ganzen Kämpfen wurde die Gegend von Sunpu völlig verwüstet. Es ist  somit nicht bekannt, wo genau sich die befestigte Imagawa-Residenz einmal befand.

Nach dem Tod von Takeda Shingen (1521-13.5.1573) übernahm Ieyasu die Provinz Suruga und die ganze Provinz Totomi. Die Takeda wurden mit der Niederlage von Shingens Sohn, Takeda Katsuyori (1546-3.4.1582), in der Schlacht von Nagashino endgültig entmachtet, und der Weg für die drei Reichseiniger war frei, um weitere souveräne Fürstentümer zu annektieren und so Stück für Stück ein geschlossenes Herrschaftsgebiet aufzubauen. In Sunpu baute Tokugawa Ieyasu von 1585 bis 1589 eine neue Burg. Damit der Bau schneller voranging, wurde Baumaterial aus der weniger wichtigen Burg Hamamatsu hier in Sunpu verwendet. Er hatte insofern eine besondere Beziehung zu Sunpu, als er als Kind als Geisel am Hof des mächtigen Imagawa Yoshimoto (1519-12.6.1560) gehalten wurde, für 12 lange Jahre. Es war also nicht nur ein seit Kindheitstagen vertrauter Ort, sondern es war seine persönliche Überwindung dieser Erfahrung, seine Bewältigung des Jugendtraumas, ein langjähriger Gefangener eines der mächtigsten und gefährlichsten Konkurrenten zu sein - auch wenn er hier eine hervorragende Ausbildung genoß, ohne die er nicht derjenige geworden wäre, der er war. 1589 starb in Burg Sunpu seine Frau, Saigou no Tsubone (1552-1589).

Nach der Belagerung und Eroberung von Odawara, die letztendlich Toyotomi Hideyoshi an die ganz große Macht brachte, mußte Ieyasu u. a. die Provinzen Totomi und Suruga an Toyotomi Hideyoshi (1537-1598) abtreten, 1590 übernahm Ieyasu dafür den Kanto und baute Edo als Hauptsitz aus, seitdem seine wichtigste Burg und später ab 1603 Regierungssitz des Shoguns. De facto gab er 1590 fünf westliche Provinzen in der Tokai-Region und seine nagelneue Burg Sunpu fort und bekam dafür acht Provinzen in der Kanto-Region. Toyotomi Hideyoshi gab die frisch zuvor erbaute Burg Sunpu an seinen Vasallen Nakamura Kazuichi. Die Weichen für die Machtergreifung von Tokugawa Ieyasu und die für den Weg in die Edo-Zeit wurden 1600 in der Schlacht von Sekigahara gestellt, aus der ersterer siegreich hervorging. Die Pro-Toyotomi-Partei, die westliche Allianz mit den Truppen der Ishida, Gamo, Mouri, Kobayakawa, Ukita, Shimazu, Nabeshima, Chousokabe, Ikoma, Konishi, Kinoshita, Otami und anderen westlichen Daimyos, war von der Ostarmee mit den Truppen der Tokugawa, Kuroda, Hosokawa, Fukushima, Yamanouchi, Asano, Kato, Tanaka, Ii, Honda, Kyougoku, Toudou und Ikeda nach vier Stunden besiegt worden, und der Sieger holte sich seine alten Provinzen zurück, darunter Suruga und die 11 Jahre zuvor von ihm erbaute Burg Sunpu.

Das gesamte Lehenssystem wurde neu geordnet, und das neu geschaffene Lehen Sunpu wurde 1601-1606 an Naitou Nobunari (13.6.1545-20.8.1612, vermutlich ein Halbbruder von Tokugawa Ieyasu) vergeben, der zuvor Burg Nirayama gehabt hatte. Danach wurde er Daimyo von Nagahama am Biwa-See, insgesamt eine der üblichen Umbesetzungen innerhalb der Lehen. Tokugawa Ieyasu, der erst 1603 vom Kaiser die Ernennung zum Sei Taishougun erhalten hatte und damit die 265 Jahre währende Edo-Zeit einläutete, zog sich 1606 offiziell von der Position des Shoguns zugunsten seines Sohnes zurück, und er wählte Burg Sunpu als sein Zuhause und Ruhesitz, und deshalb wurde der bisherige Lehensinhaber nach Nagahama wegbefördert. Damit war Sunpu nicht mehr Lehen, sondern Ieyasus eigene Domäne. Das nennt man Tenryou, also Ländereien, die der direkten Verwaltung des Shogunats unterstanden, das Eigengut der Familie, dessen Ertrag direkt in die eigene Tasche der Tokugawa floß. Die meiste Zeit bis zur Abschaffung des Feudalsystems blieb Sunpu in diesem Status, nur zeitweise wurde es wieder zeitweise zum Lehen für enge Familienmitglieder gemacht.

Aoi-Wappen der Tokugawa

Von Ruhestand war freilich keine Rede, hinter den Kulissen zog er weiterhin die Strippen und beriet seinen Sohn, den zweiten Shogun der Edo-Zeit, Tokugawa Hidetada. Es gab also den offiziellen Hof des Shoguns in Edo, und dazu eine Art zweiten Hof in Sunpu, wo weiterhin alle Fäden zusammenliefen. Er war eine Art "Schatten-Shogun" (Ou-gosho) hinter seinem Sohn. Der Vorteil dieser Regelung war, daß die Nachfolge geregelt war und der Übergang des Titels an seinen Sohn noch zu Lebzeiten vonstatten ging. Immerhin führte Ieyasu noch 1614/1615 Krieg gegen die Toyotomi-Partei und belagerte und eroberte Osaka - Ruhestand ist das nicht! Und er tat alles, um ab 1606 Burg und Stadt Sunpu auszubauen, noch besser, noch stärker, noch größer, und jetzt mit dreifachem Wassergraben, eben diese Burg Sunpu, deren Reste wir heute sehen. Die Burgstadt wurde ausgebaut, vergrößert und gesichert, und die Flüsse wurden reguliert. Die Bauzeit ist im wesentlichen 1606-1607 (Keicho 11-12) für die Burg, und 1608 war der Honmaru-Palast fertiggestellt. Wie bei anderen Burgen auch, verlangte Ieyasu von den ehemaligen Daimyos der Westallianz einen großen Beitrag zum Bau der Burg, um seine ehemaligen Gegner wirtschaftlich zu schwächen und zu beschäftigen. Etliche Steine tragen eingehauene Markierungen (Kokuin, geometrische Marken), die dem Nachweis des Beitrags dienten. Die riesige Plattform für den Tenshu entstand in dieser Zeit, wesentlich größer als der Vorgänger, ebenso der siebengeschossige Tenshukaku. 1610 kam es zu einem größeren Schaden durch Brand, aber alles wurde sofort wiederhergestellt, wiederum unter Belastung der anderen Daimyos. In dieser Zeit wurde auch der riesige Hauptturm zum zweiten Mal errichtet; die Plattform konnte wiederverwendet werden. In dieser nur wenige Jahre währenden Glanzzeit war Burg Sunpu mehr als Edo kultureller, politischer und wirtschaftlicher Schwerpunkt der Tokugawa-Shogune. Der Tod ereilte Ieyasu ebenfalls in Sunpu, im Jahre 1616 (Genna 2).


Geschichte und Bedeutung: Abwechselnd Tenryou und Lehen
1610-1619 wurde Sunpu kurzfristig zum Lehen gemacht und an Tokugawa Yorinobu (28.4.1602-19.2.1671) vergeben, den 10. Sohn von Ieyasu, den er mit seiner Nebenfrau Kageyama-dono bekommen hatte. Natürlich war das ein rein formeller Akt, denn der Knabe war erst 7 Jahre alt, als er das Lehen am 6.1.1610 im Wert von 500000 Koku bekam, und im Alter von 17 Jahren bekam er am 27.8.1619 das neu für ihn geschaffene und erheblich vergrößerte Lehen Kishu (Kishuu-han), auch als Lehen Kii nach der Provinz Kii (Kii no kuni) bezeichnet, später als Lehen Wakayama bezeichnet, im Wert von 555000 Koku, nachdem die dort bisher ansässigen Asano nach Hiroshima verschoben worden waren, und Sunpu war ab 1619 wieder Tenryou, aber da war Tokugawa Ieyasu schon drei Jahre tot.

Ein weiteres Mal wurde Sunpu 1624-1632 für wenige Jahre zum Lehen für ein Familienmitglied gemacht, als Tokugawa Hidetada seinen dritten Sohn, Tokugawa Tadanaga (1606-5.1.1634, genannt Suruga Dainagon), damit ausstattete, nun mit einer Bewertung von 550000 Koku. Er hatte außerdem die Provinz Totomi (Toutoumi) und die Kai-Provinzen inne. Das ging gut, solange sein Vater lebte, doch danach überwarf sich Tadanaga mit seinem älteren Bruder, dem dritten Shogun, Tokugawa Iemitsu. Dieser stellte ihn unter Hausarrest in Koufu, entzog ihm 1632 alle Ämter und Lehen, unterstellte ihm aufgrund einiger begangener Gewalttaten Geisteskrankheit und zwang ihn schließlich 1634, Seppuku zu begehen. Vermutlich fürchtete er ihn einfach, oder er rächte sich für die seinerzeitige Bevorzugung des Bruders durch ihre Mutter.

1634 fiel damit das Lehen Sunpu wieder zurück in den Status als Tenryou. Da hier aber der Shogun selbst nicht residierte, sondern in Edo, wurde Sunpu durch einen von der Regierung ernannten Sunpu Joudai verwaltet, der den Status eines Hatamoto innehatte und dessen Aufgabe die Erhaltung der Verteidigungsfähigkeit der Burg Sunpu war. Für diese Aufgabe als Kastellan der Burg kamen wegen der Bedeutung der Burg nur Fudai-Daimyos in Frage. 1635 (Kanei 12) zerstörte eine Brandkatastrophe die Bauten der Burg, ebenso wie die umliegende Stadt. Einiges, also der Palast, die Tore und die Wehrtürme wurde bis 1538 wiederaufgebaut, nicht aber der verlorene Hauptturm. Denn Sunpu war nicht mehr Feudalsitz, sondern unter Verwaltung, und ein Verwalter brauchte keinen repräsentativen Tenshu-kaku. Er brauchte einen wehrhaften Verwaltungssitz, und deshalb wurden Palast und Wehranlagen vorrangig wiederhergestellt. Was in dieser Zeit wiederaufgebaut wurde, bestand bis 1854 (Ansei 1).

Eine Bedeutung als Wohnsitz der Familie Tokugawa erhielt Sunpu erst wieder, nachdem der letzte Shogun, Tokugawa Yoshinobu (28.10.1837-22.11.1913), am 19.11.1867 seine Macht zurück an den Kaiser gegeben hatte. Sein Adoptivsohn Tokugawa Iesato (ursprünglich Tayasu Kamenosuke, 24.8.1863-5.6.1940) übernahm am 19.6.1868 (Keio 4) die Leitung der Familie Tokugawa, und für ihn, damals erst 4 Jahre alt, wurde das Lehen Sunpu wieder ins Leben gerufen, und es wurde nun umbenannt in Lehen Shizuoka, mit 700000 Koku bewertet. Auch der Adoptivvater, der letzte Shogun, verlegte seinen Wohnsitz nach Shizuoka und förderte die politische Karriere des Sohnes. Der ehemalige Shogun durfte aber selbst nicht Burg Sunpu beziehen, sondern residierte in dem ehemaligen Behördenbau Daikansho. Viele ehemalige Hatamoto des Shoguns zogen gleichfalls nach Shizuoka, hatten aber Schwierigkeiten, in den veränderten politischen und vor allem wirtschaftlichen Umständen zurechtzukommen, eine stets latente Bedrohung für den abgetretenen Shogun. Von 1868 bis 1871 gab es nun einen Daimyo von Shizuoka, ehe der Feudalismus abgeschafft wurde und daraus die Präfektur Shizuoka wurde. Fassen wir also zusammen: Die meiste Zeit war Sunpu Eigengut des Shogunats, nämlich 1606-1610, 1619-1624 und 1634-1868. Viermal war Sunpu als Lehen vergeben, einmal 1601-1606 an einen Fudai-Daimyo, und dreimal an Familienmitglieder, nämlich 1610-1619, 1624-1632 und 1868-1871, das letzte Mal unter dem neuen Namen Shizuoka.

Bis kurz vor der Mitte des 19. Jh. hatte sich der Baubestand wie nach dem Wiederaufbau nach 1635 weitgehend erhalten. Zu sehr großen Schäden kam es 1854 (Ansei 1) beim ersten Ansei-Erdbeben, dabei wurden die meisten Tore, Türme und der Palast zerstört. Auch die steinverkleideten Fundamente nahmen große Schäden. Auf eine Wiederherstellung verzichtete man; bis 1858 unternahm man nur ein paar Reparaturen, wo sinnvoll. 1889 ging das ganze Burggelände in das Eigentum der Stadt Shizuoka über, nachdem die Burg offiziell außer Dienst gestellt worden war. Ende des 19. Jh. wurde alles, was in Burg Sunpu noch stand, abgerissen. Was brauchbar war, wurde verkauft. Mit dem Schutt der Aufbauten verfüllte man den Honmaru-bori und verschmolz so Honmaru und Ninomaru zu einer einzigen Fläche. Ein Teil wurde als Park angelegt, an einigen Stellen baute man Behörden. Noch während der Meiji-Zeit wurde die Burganlage 1896 weitestgehend Kaserne und Militärstützpunkt für das 34. Infanterieregiment. Das Gelände des Sannomaru wurde benutzt, um neue Behörden und Verwaltungsgebäude dort zu errichten. Erst 1949 wurde der Militär-Stützpunkt aufgelöst, und das Areal wurde als Park für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ab 1989 bemüht man sich um Wiederherstellung wichtiger Strukturen, erst baute man 1989 den Tatsumi-yagura, dann 1996 das Osttor, und als letztes folgte 2014 der Hitsujisaru-yagura.


Rundgang und Beschreibung: der Sannomaru - Ausdehnung und Toranlagen
Sunpu war eine Flachlandburg oder Niederungsburg (Hira-jiro). Im Stadtbild lassen sich hervorragend die beiden Bereiche Ninomaru (zweiter Wallkreis) und Sannomaru (dritter Wallkreis) nachvollziehen. Beide bilden ganz grob ineinander gestellte Quadrate, die aber um ca. 20" gegeneinander verdreht sind, so daß der Sannomaru vier Segmente trapezförmiger Grundfläche hat. Vom Typus (Nawabari) her entspricht diese Burg mit ihren konzentrisch ineinander gestaffelten drei Wassergräben dem Typus Rinkaku-shiki. Durch stufenförmige Versätze sind die Umrisse jeweils abweichend von der idealen Quadratform moduliert. Das Quadrat des Sannomaru besitzt ungefähre Seitenlängen von 710 m (Südseite), 600 m (Westseite), 680 m (Nordseite) und 690 m (Ostseite). Die Gräben des Sannomaru sind im Norden und Westen vollständig, im Süden zu 3/5 und im Osten gar nicht mehr erhalten, bis auf einzelne kleine mit Wasser gefüllte Becken. Die große Hauptstraße ergänzt im Osten sinngemäß das Quadrat und zeichnet den alten Grabenverlauf des äußeren Grabens (Sotobori) nach.

Die noch vorhandenen Wassergräben werden heute von vielen Brücken überspannt, viel mehr als früher. Nur ein Übergang an der Südseite ist historisch, das ist derjenige an dem eckigen Versatz, genau zwischen Rathaus diesseits und Präfekturverwaltung jenseits des Wassergrabens. Dort ist auf der Sannomaru-Seite die aus abgewinkelten Wällen gebildete Masugata des ehemaligen Vordertors (Ote-gomon) zu sehen. Das war das frühere Haupttor zur Anlage. Der Torweg knickt zweimal um 90° ab, erst nach rechts, dann nach links. Senkrecht zur Wallmauer und parallel zur Brücke überspannte früher ein Yagura-mon die Lücke zwischen den Wällen (Sunpu-jou watari yagura-mon ato).

Ein zweites Tor lag am westlichen Versatz des südlichen Sotobori, neben der Staatsanwaltschaft und etwa in Höhe der Südwestecke des Ninomaru. Dieses Tor hieß Yotsuashi-gomon und war früher der Straße Tokaido zugewandt. Viele Tore der Burg Sunpu heißen "go-mon" und nicht nur "mon", in der Regel bekommen die Tore, die eine Masugata-Einrichtung besitzen und somit größer und aufwendiger gestaltet sind, das Honorativ-Präfix "go". Einfache Tore ohne Masugata heißen hingegen nur "mon". Hier ist noch ein größeres steinverkleidetes Wallstück erhalten. Die Westseite des Sannomaru war ohne Toranlage.

Auf der Nordseite gab es ein Tor, das Kusabuka-gomon, im Verlauf der heutigen Straße Johoku-dori zwischen Grundschule (Shizuoka Municipal Aoi Elementary School) und Gymnasium (Shizuoka City Central Gymnasium). Auch dieses war früher mit einem abknickenden Wall und Masugata versehen. Auf der Ostseite gab es ein weiteres Tor dort, wo sich ein kleines Stück Wallmauer an einem trapezförmigen Grabenbecken erhalten hat. Das war das Yokouchi-gomon, ebenfalls im Masugata-Stil. Dort mündete auch ein Verbindungskanal zwischen Nakabori und Sotobori, zwischen mittlerem und äußerem Wassergraben, jeweils die innere und äußere Begrenzung des Sannomaru. Aber all die genannten Tore sind bis auf das erste im Süden so weitgehend zerstört, daß keine nennenswerten Strukturen mehr vorhanden sind.

Kleiner Tip: Der Wolkenkratzer in der Nähe des Südzugangs zum Ninomaru, dieses unübersehbare hohe Gebäude, das auf dem Sannomaru-Gelände steht, sich in jedes Photo schiebt und aussieht wie eine eckige Parfümflasche mit Sprühkopf oben, gehört zur Präfekturverwaltung Shizuoka, und dort gibt es ganz oben im "21st floor" eine Aussichtsplattform ("public observation deck"), von der man einen hervorragenden Blick über die ganze Burganlage hat, Eintritt frei. Wer es nicht weiß, kommt nie auf die Idee, daß das geht.


Rundgang und Beschreibung: der Ninomaru und seine Toranlagen
Das innere Quadrat des Ninomaru ist vollständig vom Nakabori umgeben, dem überall gut erhaltenen mittleren Graben. Der Ninomaru besitzt ungefähre Seitenlängen von 390 m (Südseite), 360 m (Westseite), 330 m (Nordseite) und 380 m (Ostseite). Heute führen vier Brücken auf die Insel, die im Süden (Ninomaru-bashi) und im Westen (Nishimon-bashi) jeweils in der Mitte der Seite, die im Osten (Higashi Gomon-bashi) nahe der Südostecke und die im Norden (Kita-mon-bashi) gleichfalls nahe der Nordostecke. Das entspricht nur teilweise dem historischen Plan der Tore. Die Brücke in der Mitte der Südseite ist eine moderne Zutat; hier war früher kein Zugang. Vielmehr war dort, wo es im Wallverlauf des Ninomaru einen zweimal um 90° abgewinkelten Versatz im südlichen Wall gibt, der Südzugang. Man erkennt auf der Innenseite des Walls die Überreste einer Masugata-Toranlage, ein viereckiger, ringsum von Wällen umgebener Zwinger mit Öffnung auf der Ostseite, die offensichtlich früher mit einem Yagura-mon mit beiderseits aufliegendem Obergeschoß verschlossen war. Eine mit abweichendem Mauerwerk verfüllte Bresche markiert den früheren Walldurchbruch auf der Südseite, wo früher die Brücke über den Nakabori (naka = mittig, hori = Graben, alternativ: Ninomaru-bori) andockte und ein schlichtes, leichtes Tor die Masugata nach außen versperrte. Innen fand man sich im rechteckigen Zwinger wieder, aus dem man scharf nach rechts durch ein Yagura-mon mußte, hinter dem ein weiterer, dreiseitig geschlossener Zwinger mit Öffnung nach Norden lag. Diese Toranlage bildete den südlichen Zugang zum Ninomaru; sie lag in der Mitte zwischen den beiden Südzugängen des Sannomaru, so daß hier der Weg weiter ins Innere nicht gerade, sondern versetzt erfolgte.

Auf der Westseite des Ninomaru lag das Shimizu-gomon, auch als Masugata-Anlage gebaut mit versetztem Torweg. Die Stelle der heutigen Brücke entspricht dem alten Torweg. Im Norden lag das Kita-gomon, das nördliche Tor, auch dieses eine Masugata-Anlage, die sich heute nicht mehr im Befund nachvollziehen läßt und bei dem keine Wall- und Masugata-Konstruktionen mehr zu sehen sind. Auch hier ist die Stelle korrekt. Gegenüber dem Nordtor des Sannomaru war dieses Tor nach Osten versetzt. Beide Masugata öffneten sich innen nach Westen. Wer also das Kusabuka-gomon passiert hat, war nach Verlassen desselben auf der Innenseite "auf Westkurs", müßte aber 180° nach Osten, um zum Kita-gomon des Ninomaru zu gelangen. Auch dieser Versatz diente der Verwirrung des Zugangsweges ins Innere der Burg.

Das originale Eingangstor im Süden der Ostseite (Higashi gomon) wurde 1635 bei dem Brand der Burg vernichtet, aber 1638 wiederaufgebaut und bestand dort bis zum Abbruch in der zweiten Hälfte des 19. Jh. Die Toranlage ist 1996 auf der Basis der durch Zeichnungen überlieferten Toranlage aus dem Jahr 1638 komplett rekonstruiert worden und aufgrund der Verwendung historischer Materialien und Techniken eine vollkommen authentische Replik. Dazu gehört auch, daß wie beim Vorbild alle Holzelemente ohne Verwendung von Nägeln zusammengefügt wurden. Das Tor liegt gleichermaßen relativ weit weg vom Süd- und vom Osttor des Sannomaru, so daß auch hier kein gerades und einfaches oder vielmehr übersichtliches Durchqueren des Sannomaru ermöglicht wurde. Dieses Tor ist vom Masugata-Typ mit einem leichten Außentor vom Korai-mon-Typ in der Lücke der Wallmauern. Das Rechteck der Masugata liegt zur Hälfte innerhalb der Wallbegrenzung, zur Hälfte ist es nach außen in den Graben hinein vorgezogen. Die Wallmauern werden von weißgetünchten Wehrmauern bekrönt, die in zwei höhenversetzten Reihen Schießscharten besitzen, immer abwechselnd eine tiefe runde und eine hohe rechteckige Öffnung. Rückwärtig besitzen diese nach außen in den Graben vorgeschobenen Wälle auf ganzer Breite Stufen, so daß die Verteidiger jederzeit in breiter Linie hoch zum Einsatzort kommen konnten. Notfalls konnte man von hier aus auch eindringende Feinde von hinten beschießen, ehe sie sich dem zweiten, inneren Tor nähern konnten. Hinter dem äußeren Tor landet ein Eindringling in einem rechteckigen Zwinger, der von allen Seiten unter Feuer genommen werden kann. Durch das äußere Tor hindurch stößt man in gerader Linie auf eine weitere Wallmauer, so daß ein gerades Hindurchschießen verunmöglicht wird. Die leicht gebogene letzte Brücke vor dem äußeren Tor ist aus Holz und konnte im Bedarfsfall leicht abgebrochen werden. Im Zwinger muß man sich nach rechts wenden, um dort weiter durch das Yagura-mon zu kommen, ein starkes, wehrfähiges zweistöckiges Tor mit der Tordurchfahrt unten und einem Wehrgeschoß mit verstäbten Fenstern oben. Dieses Obergeschoß sitzt an den Enden den beiden Wallenden auf, die sich hier so weit überlappen, daß dazwischen die Toröffnung vorgeformt wird. Auch die anderen beiden Wallstücke, die hakenförmig nach innen gewinkelt die Masugata umgreifen, tragen Tamon-yagura, verteidigungsfähige einstöckige Aufbauten. Das gesamte Obergeschoß dieser Aufbauten ist als Museum hergerichtet. Hier gibt es im wesentlichen die originalgetreue Rekonstruktion zu bestaunen und ein Modell der Burg zu sehen, das sehr gut illustriert, wie Sunpu zur Zeit der Tokugawa-Shogune ausgesehen hat. Ein weiteres Exponat ist ein originaler Shachihoko, der einst den Dachfirst bekrönte. Er wurde bei der Freilegung des Burggrabens gefunden; der zweite bleibt verschollen.

Wesentliche Elemente der Verteidigung wurden also schon bei der Konzeption der Burg angelegt. Das war zum einen die Anlage der Tore als Zwinger mit abknickendem Torweg, das Versetzen der Toranlagen gegeneinander, und, das wird weiter unten vertieft, das Unterteilen der ringförmigen Abschnitte des Ninomaru durch Quersperren mit weiteren Toren. Wer von außen in die Burg wollte, mußte also erst in den Sannomaru, dann in den Ninomaru, dann durch eine Quersperre, und dann in den Honmaru. Er mußte also insgesamt vier Tore überwinden, wovon die meisten als Doppeltore angelegt waren. Vor allem mußte er den Weg durch das Labyrinth finden, denn alle Tore waren gegeneinander versetzt, und die Ausgänge der Doppeltore waren nicht wie ein Wegweiser auf das nächstfolgende Tor gerichtet, ganz im Gegenteil.


Rundgang und Beschreibung: der Ninomaru und seine Sumi-yagura
Die beiden Ecken der Südfront des Ninomaru tragen jeweils einen von der Stadt Shizuoka unter Verwendung von Zypressenholz wiederaufgebauten Sumi-yagura. Der linke Eckturm (Hitsujisaru-yagura) wurde im Jahre 2014, 160 Jahre nach seiner Zerstörung, rekonstruiert und besitzt zwei Dachebenen, ist aber innen dreistöckig, wie man an den drei Ebenen verstäbter Fenster sehen kann. Innen gibt es die Räume mit den Bezeichnungen Jiku, Tehodoki, Mitwatashi, Kioku und Hengen. Der rechte Eckturm (Tatsumi-yagura) entstand als Rekonstruktion im Jahre 1989. Auch dieser hat zwei Dachebenen, ist im Inneren aber dreistöckig. Eine Seltenheit im japanischen Burgenbau ist sein L-förmiger Grundriß. Er ist der größte und höchste aller gegenwärtigen und ehemaligen Sumi-yagura der Burg. Weil hier das wichtigste aller Tore in den Ninomaru lag, war dieser Turm für die Verteidigung der Burg essentiell. Im Inneren gibt es Ausgrabungen zu sehen und außerdem eine Nachbildung des Takechiyo Tenarai-no-ma im Tempel Rinzai-ji, in dem der junge Tokugawa Ieyasu unterrichtet wurde.

Wachtürme werden entweder nach Himmelsrichtungen oder wie hier nach den Zwölf Erdzweigen als alternative Richtungsangaben benannt: Tatsumi-yagura = SO-Wachturm, Hitsujisaru-yagura = SW-Wachturm. Auch die beiden nördlichen Ecken trugen früher je einen solchen Turm. Deren Namen waren entsprechend Ushitora-yagura = NO-Turm, Inui-yagura = NW-Wachturm (ausführlicher wird das im Kapitel zu Burg Akashi erläutert). Die Nordostecke des Ninomaru wird vom Momijiyama-Garten eingenommen, wo sich auch ein Teehaus befindet. Dort lassen sich viele klassische Gartengestaltungselemente besichtigen, und auch ganz eigene Ideen, z. B. ein künstlicher Hügel in Form eines Miniatur-Fuji-san inmitten von Reihen von Azaleen-Büschen, die Teebüsche symbolisieren, damit daran erinnernd, daß die Präfektur Shizuoka ein Hauptproduzent von Tee ist, wo immerhin ca. 40% des grünen Tees des Landes angebaut werden. Ein Uferbereich des Sees ist mit Kieseln aufgeschüttet und repräsentiert den nahen Miho-Strand.


Rundgang und Beschreibung: der Honmaru und seine Toranlagen
In dieses Quadrat war früher noch der Honmaru (innerer Kreis) eingestellt, der heute nicht mehr als separate Walleinheit wahrnehmbar ist, weil 1896 die Aufbauten abgerissen wurden und mit dem Schutt die Gräben verfüllt wurden. Sunpu Castle Park ist also heute weitestgehend die kombinierte Fläche von Honmaru und Ninomaru. Lediglich im Südosteck und in der Mitte der Ostseite haben sich zwei kleine Wasserbecken erhalten (bzw. wurden durch Ausgrabung wieder freigelegt), die letzten Reste des Uchibori, des inneren Wassergrabens, auch Honmaru-bori genannt. Dort gibt es eine kanalartige Verbindung vom Uchibori zum Nakabori, den mehrfach abgewinkelt verlaufenden Ninomaru-Kanal. Das Abknicken war vermutlich ein Schutz gegen das Eindringen von Booten. Dieser Verbindungskanal sollte für einen gleichmäßigen Wasserstand in den Wassergräben rings um den Honmaru sorgen. Drang zu viel Regenwasser ein, konnte das darüber drainiert werden. Daß der Wasserspiegel bei Trockenheit nicht zu tief absank, wurde durch eine 2 m hohe Schwelle garantiert. Der Kanal war ca. 4,50 m breit, 4 m tief und insgesamt 95 m lang. Viermal war er abgewinkelt. Seine Wände sind ausgemauert, und, eine extrem seltene Konstruktion, auch der Grund ist bis 50 m Abstand vom Honmarubori mit Steinplatten belegt. Das diente dazu, bei zu starker Strömung etwa nach einem Taifun-Regen einen Abtrag des Bodens und damit ein Unterspülen der Wände zu verhindern. Die unteren Partien der Ausmauerung sind unverändert seit 1607.

Man darf annehmen, daß dieser Honmaru bis auf eine zweimalige Abtreppung im Südwesten wiederum cum granu salis quadratisch war; seine Nordwestecke bildete das ehemalige Hauptturm-Fundament (Tenshudai), das nach Norden und Westen aus dem Quadrat vorsprang und ein entsprechendes Abknicken des Wassergrabens (Uchibori) nach außen erforderte. Im Südostbereich des Ninomaru verläuft der Weg nördlich des Masugata-Tores im Zickzack, an einem schmalen Beet mit einer Reihe Bäumen entlang, die diese Knicke exakt mitvollziehen. Das ist etwa die Außenkante des hier mehrfach abknickenden, jetzt aber eingeebneten ehemaligen Uchibori.

In den Honmaru führen früher drei Toranlagen. Die komplexeste Toranlage, das On-genkan-mae-gomon (das erhabene Tor = go-mon vor = mae dem Eingang = genkan zum Palast), befand sich auf der Südseite, versetzt gegen die beiden nächsten Tore des Ninomaru. Ein zweiter Zugang lag im Osten (Daidokoro-gomon, Küchen-Tor) etwa nördlich der Mündung des Verbindungskanals, auch hier maximal weit weg von den beiden nächsten Toren des Ninomaru auf dessen Nord- und Ostseite. Diese zweite Toranlage war früher zwischen den beiden noch existierenden Resten des Uchibori aufgebaut, sie war ebenfalls vom Masugata-Typ und wird auch als Higashi Gomon bezeichnet. Das dritte Tor (On-tenshu-dai-shita-gomon, also das erhabene Tor = go-mon unterhalb = shita des Sockels = dai des Hauptturms = tenshu) lag im Norden des Honmaru direkt neben dem Tenshu, bestens von diesem bewacht und verteidigt, und auch hier erfolgte ein Versatz gegenüber dem nächstäußeren Tor. Dieses Tor öffnete sich nach dem Zwinger nach Osten, also dem Tenshu abgewandt.

Noch einmal zurück zum Ninomaru und weiteren Sicherungsmaßnahmen: Zwischen dem vorgenannten Tor und dem Kita-gomon des Ninomaru lag mit dem Babasaki-gomon noch eine weitere Sperre, die den Nordbereich des Ninomaru in eine westliche Hälfte mit Zugang zum Honmaru und eine östliche Hälfte mit Zugang von außen unterteilte. Eine ganz ähnliche Sperre gab es im südlichen Abschnitt des Ninomaru: Dort unterteilte das Higashi-ku-ichi-gai-gomon den Ninomaru in einen östlichen Teil mit dem Zugang von außen und einen mittleren Teil mit dem Zugang zum Honmaru. Eine weitere Trennmauer trennte den mittleren Teil vom östlichen mit dem Außentor des Ninomaru ab, so daß der Zugang zum Honmaru noch einmal zusätzlich durch weitere "Schotten" abgeriegelt werden konnte. Auch im Westteil des Ninomaru gab es so eine Zwischen-Abtrennung mit Tor, während im Osten der Kanal eine Barriere bildete.

Zurück zum Honmaru: Die nach Abzug der Toranlagen und des Tenshu verbleibende Freifläche im Honmaru wurde vom Honmaru-Palast (Honmaru goten) eingenommen, der im Norden seine Küchen hatte, die dem Daidokoro-gomon seinen Namen gaben. Der Palast war ursprünglich bis 1608 errichtet worden, brannte 1635 und wurde bis 1638 wiederhergestellt, und diese Gebäude wurden ebenfalls 1854 (Ansei 1) beim Erdbeben zerstört. Die Fläche des Honmaru ist heute weitgehend eingeebnet. Im Zentrum befindet sich der von einem oval verlaufenden Weg eingefaßte Chinsho-Garten (versunkener Garten) an der Stelle des ehemaligen Honmaru-Palastes. Am nordwestlichen Rand dieses Gartenbereichs stehen eine bronzene Statue von Tokugawa Ieyasu in reiferem Alter und mit einem Falken auf der linken Hand, sowie ein Mandarinorangenbaum (Kishu-mikan, Ko-mikan oder Hon-mikan), der angeblich von ihm selbst noch gepflanzt worden ist. Weitere Statuen des berühmten ersten Shogun der Edo-Zeit stehen übrigens vor dem Bahnhofsgebäude von Shizuoka, einmal als Takechiyo Matsudaira (sein ursprünglicher Name, den er in der Jugend trug) und einmal als derjenige, der eine neue Zeit einläutete, als Ieyasu. Im Park der Burg wurde 2015 aus Anlaß des nahenden 400. Todestages von Tokugawa Ieyasu ein riesiges Tokugawa-Aoi-Wappen als Blumenrabatte angepflanzt, mit grünen Flächen aus Liriope und weißen Kiesflächen dazwischen.


Rundgang und Beschreibung: der Tenshu im Honmaru
Der nordwestliche Bereich des Honmaru ist Ausgrabungsgelände, wobei der Aushub auf den nordwestlichen Ninomaru-Bereich aufgeschüttet wurde. Davor sieht man in dem riesigen, ca. 100 m x 100 m messenden Loch die Grundmauern des ehemaligen Hauptturmes, also die unteren Lagen der Ishigaki-Verkleidungen der Wälle und die Steinplatten, die einmal Aufbauten getragen haben. Der Hauptturm bildete wie in Nagoya die Nordwestecke und war im Norden und im Westen vom inneren Wassergraben umgeben (Uchibori). Das Fundament dieses Turms ist 62 m x 70 m groß. Allein die schiere Größe macht diesen Turm mit dem von Nagoya (50 m x 55 m) vergleichbar und übertrifft jenen sogar; das entspricht auch der Angabe, daß er einst 7 Stockwerke gehabt hat. Die Grundfläche für den Aufbau ergibt sich mit ca. 48 x 55 m Fläche am oberen Ende der Ishigaki-Wälle. Nagoya und Sunpu waren die größten je gebauten Haupttürme japanischer Burgen. Man erkennt an den freigelegten Strukturen auch, daß die Außenkanten des Tenshudai nicht parallel zu den Kanten des Ninomaru verliefen, sondern wiederum gegenüber diesem um wenige Grad verdreht waren. Im Süden war der Turm vermutlich vom Honmaru aus über den angrenzenden Kotenshu zugänglich, und dort befand sich der Eingang vom Hof aus. Bei den Ausgrabungen, deren weitere Ergebnisse man mit Spannung erwartet, sieht man an den Fundamenten auch deutlich, daß hier beim Ausbau unter Tokugawa Ieyasu ältere Strukturen mit geringeren Ausmaßen überbaut wurden, vermutlich Reste der älteren Burg von 1585. Denn hier stehen wir vor den Ruinen des zweiten/dritten Tenshu. Der erste Tenshu wurde 1585 bis 1589 errichtet, der zweite, viel größere entstand 1606, brannte 1610 ab und wurde dann vermutlich auf dem gleichen Fundament durch den dritten ersetzt, der 1635 (Kanei 12) abbrannte und danach nie wieder aufgebaut wurde.

Die Dimensionen des neuen Tenshu-dai spannen die vierfache Grundfläche des älteren Fundamentes auf. Der Tenshu-dai trug früher einen außen mit fünf Dächern übereinander versehenen, innen konstruktiv aber siebenstöckigen Tenshu-kaku als Hauptturm. Ein Modell im Museum zeigt eine spannende Theorie zum ursprünglichen Aussehen: Aufgrund der Größe der Plattform wird dort der eigentliche Tenshu mit eine Grundfläche von ca. 35 x 42 m noch mit einem zusätzlichen Ring aus Tamon-yagura und eckständigen Sumi-yagura umgeben. Ob es so war, ist jedoch offen, zeitgenössische Darstellungen geben diesen Befund nicht her, ebensowenig der Ausgrabungsbefund. Es ist nur eine Theorie, um mit der riesigen Fläche des Tenshudai umzugehen; daß es ohne geht, zeigt das Beispiel Nagoya. Weil der Tenshukaku nach dem verheerenden Großbrand 1635 nie wiederhergestellt wurde, wird bei dem großen Modell der Burg der Tenshu-dai als leere Plattform präsentiert. Ein Annex im Süden, mit in den Ausgrabungen sichtbarer anschließender Sockelplattform, trug einen weniger hohen Kotenshu, über den man in den Hauptturm gelangte. Die letzten noch stehenden Reste des Tenshu wurden 1896 abgerissen, in die Honmaru-Gräben geschüttet, und anschließend wurde alles planiert. Um so spannender ist es jetzt, wenn die Ruinen und Grundmauern nach über 120 Jahren wieder zum Vorschein kommen und zur Rekonstruktion des Verlorenen vor dem inneren Auge einladen. Natürlich nährt so ein Anblick die Hoffnung, daß hier irgendwann einmal eine originalgetreue Rekonstruktion des Tenshu entstehen könnte, aber das dürfte unrealistisch sein, nicht nur wegen der immensen Kosten, sondern vor allem, weil zu wenig Dokumentationsmaterial über den originalen Tenshu existiert, der schon so früh durch Feuer vernichtet wurde, das ist hier eine gänzlich andere Ausgangslage als z. B. in Nagoya.


südwestlicher Sumi-yagura des Ninomaru (Hitsujisaru-yagura)


südöstlicher Sumi-yagura des Ninomaru (Tatsumi-yagura)


Wälle und Wassergraben (Sotobori) des Sannomaru


südliche Wälle und Wassergraben (Nakabori) des Ninomaru


Östliche Masugata-Toranlage (Higashi-gomon) des Ninomaru


Verbindungskanal zwischen Honmaru-bori und Ninomaru-bori


Ausgegrabene Reste des Honmaru-bori (Uchi-bori)


Nördliche Toranlage (Kita-gomon) des Ninomaru


Reste des Babasaki-gomon im Ninomaru


Statue von Tokugawa Ieyasu

 

Ausgrabungen des Tenshu-dai als NW-Ecke des Honmaru


Literatur, Links und Quellen
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@34.9794043,138.3827682,17z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@34.9794043,138.3827682,849m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
eigene Webseite des Sunpu Castle Park:
https://sumpu-castlepark.com/en/
Grundriß in groß:
https://sumpu-castlepark.com/en/pdf/map_sumpucastlepark.pdf
restaurierte Strukturen:
https://sumpu-castlepark.com/en/#hitsujisaru und https://sumpu-castlepark.com/en/#tatsumiyagura
Burg Sunpu im Burgenblog:
https://ittekuru.com/2018/09/08/field-report-sunpu-castle-shizuoka-japan-01-october-2017/
Blog über japanische Burgen, Sunpu:
http://pahoo0516.blog.fc2.com/blog-entry-105.html
Webseite der Stadt Shizuoka:
https://www.city.shizuoka.lg.jp/000_002441.html
Burg Sunpu auf Wikipedia:
https://en.wikipedia.org/wiki/Sunpu_Castle - https://de.wikipedia.org/wiki/Burg_Sumpu
Provinz Suruga:
https://en.wikipedia.org/wiki/Suruga_Province
historische Provinzen Japans:
https://de.wikipedia.org/wiki/Provinzen_Japans
Familie Imagawa:
https://en.wikipedia.org/wiki/Imagawa_clan
Imagawa Yoshitada:
https://en.wikipedia.org/wiki/Imagawa_Yoshitada
Imagawa Ujichika:
https://en.wikipedia.org/wiki/Imagawa_Ujichika
Imagawa Yoshimoto:
https://en.wikipedia.org/wiki/Imagawa_Yoshimoto
Imagawa Ujizane:
https://de.wikipedia.org/wiki/Imagawa_Ujizane
Lehen Sunpu:
https://en.wikipedia.org/wiki/Sunpu_Domain
aktuelle Informationen über die Ausgrabungen:
http://www.shizuoka-bunkazai.jp.e.mm.hp.transer.com/castle-info/
Naitou Nobunari:
https://en.wikipedia.org/wiki/Nait%C5%8D_Nobunari
Tokugawa Tadanaga:
https://en.wikipedia.org/wiki/Tokugawa_Tadanaga
Tokugawa Iesato:
https://en.wikipedia.org/wiki/Tokugawa_Iesato
Burg Sunpu auf JCastle:
https://www.jcastle.info/view/Sunpu_Castle
Burg Sunpu auf Japanese Castle Explorer:
https://www.japanese-castle-explorer.com/castle_profile.html?name=Sunpu
Burg Sunpu auf Japan Experience:
https://www.japan-experience.com/discover/shizuoka/attractions-excursions/sunpu-castle-shizuoka
Burg Sunpu auf Travel around Japan:
http://www.travel-around-japan.com/k51-31-sunpu-castle.html
Burg Sunpu auf Castle.JPN:
https://castle.jpn.org/en/suruga/sunpu/
Burg Sunpu auf den Seiten des National Trust:
http://www.national-trust.or.jp/rhlist/rhwest_e/07.html
Burg Sunpu auf Kapai-Japan:
https://www.kanpai-japan.com/shizuoka/sumpu-castle-park
Burg Sunpu auf Zooming Japan:
https://zoomingjapan.com/travel/sunpu-castle-shizuoka/
Burg Sunpu auf Japan Guide:
https://www.japan-guide.com/e/e6352.html
Webseite von Hiroto Uehara:
https://jref.com/articles/sunpu-castle.660/
Burg Sunpu auf Japan Travel:
https://www.japan.travel/de/spot/184/
Jennifer Mitchelhill, David Green: Castles of the Samurai - Power and Beauty, 112 S., Verlag: Kodansha International 2013, ISBN-10: 1568365128, ISBN-13: 978-1568365121, S. 67, 93
Toshitaka Morita, Takahiro Miyamoto: Castles in Japan (Landscapes of the Japanese Heart), 304 S., Verlag: Mitsumura Suiko Shoin, 2018, ISBN-10: 4838105606, ISBN-13: 978-4838105601, S. 12-13
Masao Yamada: The Anatomy of Castles in Japan, revealed by an Urban Design Expert, jap. und engl., Nitto Shoin Honsha Co. Ltd., Japan 2017, 288 S., ISBN: 4-528-02011-4, intl. 978-4-528-02011-5, S. 91


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