Bernhard Peter
Hikone (Präf. Shiga), Burg Hikone-jo, Teil (6): Umaya, verschiedene Nagayamon und Reste von Residenzen


Pferdeställe (Umaya) im Ninomaru-Bereich

Rückseitig grenzt an die Masugata des Sawaguchi ein aus zwei Flügeln bestehendes, L-förmiges Gebäude an, das früher noch ein wenig länger war und bis zur Omote-mon-Brücke reichte. Das sind die historischen Pferdeställe (Umaya, Uma = Pferd, ya = Einrichtung, Lokal). Hikone ist die einzige Burg, die noch intakt erhaltene Pferdeställe dieser Größe besitzt, deswegen sind sie auch als wichtiges Kulturgut klassifiziert. Der einzige Eingang liegt im westlichen Flügel, ansonsten ist das Gebäude zur Straße hin fensterlos bis auf einen einzigen, wie ein Erker gestalteter Ausguck rechts des Durchganges. Das Dach ist vom Kokera-buki-Typ. Das Gebäude kann frei besichtigt werden. Hier standen einst permanent 21 Pferde des Daimyo in den hölzernen, zum Gang hin offenen Boxen. Im kürzeren L-Flügel befinden sich 10 größere Boxen, im längeren L-Flügel sind es 11 etwas kleinere Boxen. Eine halbe Zwischendecke über dem Gang sorgte für Lagerungsplatz für Heu und Stroh. Die Pferde-Bediensteten, die sich um die Tiere kümmerten und auch dem Daimyo bei seinen Ausritten zur Seite standen, werden als Uma-yaku bezeichnet. Nur auf der Ostseite, wo der Stall an den Tamon Yagura angrenzt, befand sich ein Tatami-Matten-Raum am Ende des kürzeren L-Flügels. Der Raum ist 12 Tatami-Matten groß, 4 x 3 ausgelegt. Der längere L-Flügel besitzt jenseits der Boxen am Westende den breiten Durchgang mit Tor, und jenseits des Tores ist noch Platz für einen einzigen Raum, der mit Holzdielen ausgelegt ist. Vermutlich ging hier das Gebäude noch weiter, das wurde aber nicht restauriert. Das ganze Gebäude ist rundum, dem Grundriß folgend, mit einem Traufkanal umzogen. In der Ecke, wo beide Flügel aufeinanderstoßen, gibt es einen Brunnen zum Tränken der Pferde. Der kurze Flügel besitzt zwei Eingänge zum Hof, der lange drei, abgesehen vom Hauptdurchgang. Die Endziegel des Dachfirstes tragen das Ii-Wappen, eine geometrische Figur aus zwei Vertikalen und zwei Horizontalen mit jeweils überstehenden Enden, etwa wie ein gerades "Doppelkreuz"-Zeichen oder Lattenkreuz. In der Nähe lag der Omote-Palast. Zusätzlich gab es einst noch einen Stall für Gästepferde in der Nähe der Honmaru-Residenz (heute Schloß-Museum).


Außerhalb des Ninomaru: Kyuu ikeda yashiki nagayamon

Wie in anderen Burgen auch befanden sich in Hikone die Samurai-Residenzen im dritten und im zweiten Bereich, wobei die im zweiten Bereich besonders wichtigen Gefolgsleuten vorbehalten waren. Der innerste Bereich war hingegen für den Daimyo selbst reserviert. Wo jemand wohnte, war damit Ausdruck seiner sozialen Stellung. Je höher der Rang war, desto weniger Wassergräben waren zwischen ihm und seinem Daimyo. Insgesamt können wir also in der ehemaligen Burgstadt vier Tore dieses Typs sehen, ebenso vielen ehemaligen Samurai-Residenzen entsprechend, zwei im Ninomaru, zwei außerhalb im ehemaligen Sannomaru.

Dort, wo der mittlere Wassergraben im Osten jenseits der Residenz Umoregi-no-ya einen Knick macht, steht ein solches historisches Gebäude, das Kyuu ikeda yashiki nagayamon, ein Tor vom Typ Nagaya-mon mit Ziegel-Irimoya-Dach, das in die alte Samurai-Residenz der Familie Ikeda führte (kyuu = alt, yashiki = Samurai-Residenz). Ein Nagaya-mon ist ein langgestrecktes Gebäude mit mehreren sich nach hinten öffnenden Räumen unter einem durchgehenden Dach, bei dem eine Einheit als Tor dient. Der Zustand des als Kulturgut der Stadt Hikone klassifizierten Gebäudes ist hervorragend und gepflegt. Mitglieder der Familie Ikeda standen als Samurai der Mittelklasse im Dienst der Familie Ii. Die ersten beiden Generationen verdienten 100 Koku im Jahr, dann die dritte Generation 250, die vierte Generation 150, und ab der 7. Generation 180 Koku bis zu den Meiji-Reformen und der Abschaffung des Feudalismus. Ursprünglich stand dieses Gebäude an anderer Stelle, wurde aber in der mittleren Edo-Zeit hierhin verlegt.


Außerhalb des Ninomaru: Kyuu suzuki yashiki nagayamon

Ein zweites Tor dieser Art kann man sehen, wenn man am Shigaken-gokoku-Schrein nicht geradeaus die Kiefernreihe entlang zur Burg geht, sondern dem Wassergraben nach links folgt, am Kindergarten St. Joseph vorbei kommt man zum Kyuu suzuki yashiki nagayamon, dem Nagaya-mon der alten Residenz der Familie Suzuki. Auch dieses ist vom Typus eines langgestreckten Torbaus mit Räumen für die Wachmannschaften und Bediensteten neben dem eigentlichen Durchgang. Entlang des mittleren Grabens (Naka-bori) im Sannomaru waren Samurai mittleren Ranges bzw. mittlerer Stellung angesiedelt. Gemäß einer 1836 erstellten Karte von Burg und Stadt, dem sogenannten Gojoka-So-Ezu, wohnte hier Suzuki Gonjuro, der eine Stellung als Otsu Kura Bugyo einnahm, also der Magistrat der Getreidespeicher von Otsu. Diese verantwortungsvolle Tätigkeit brachte ihm ein jährliches Einkommen von 350 Koku ein. Die Größe der Parzelle entsprach damals ungefähr der heutigen Größe, denn die Karte gibt 10 ken 5 shaku x 27,5 ken an, was 19,7 m x 50 m entspricht. An einem der tragenden Holzpfosten befindet sich eine Tuschezeichnung eines Gebäudes, 1862 entstanden. Seit 1977 ist der Torbau als Kulturgut der Stadt Hikone eingestuft. Der Zustand des der Stadt Hikone gehörenden Gebäudes ist renovierungsbedürftig.


Im Ninomaru: Karo waki kaoku shikiato

Es gibt hinter dem nächsten Knick des Wallgrabens noch eine zweite Brücke, die auf den Ninomaru führt, das ist die Kyo-bashi. Bevor wir die Brücke zum inneren Bereich überschreiten, liegen weiter links noch weitere Sehenswürdigkeiten im Ninomaru-Bereich. Wenn wir im Uhrzeigersinn 270 m dem Grabenverlauf folgen, an der Hikone Higashi High School vorbei, passiert man die Überreste der Wakiya-Residenz (Karo waki kaoku shikiato) mit einem langgestreckten Gebäude mit schräggegittertem plastisch hervortretenden Fugenmuster im unteren Teil der Wand. Das auf einem Sockel aus einer einzelnen Reihe behauener Steine ruhende Gebäude steht hart an der Straßenbegrenzung in der Kurve. Es ist kein Torbau, sondern eher ein Speichergebäude. Es hat auch kein Irimoya-Dach wie die Torbauten, sondern ein einfaches Satteldach. Auf der Außenseite gibt es nu ein einziges mit einem Lattenrost geschütztes Fenster. Vor dem Eingang an der Schmalseite gibt es ein kleines, mit Blech gedecktes Vordach. Der Zustand ist dringend renovierungsbedürftig, große Teile des Putzes sind straßenseitig herabgefallen, Feuchtigkeitsschäden sind überall sichtbar. Hier muß dringend gehandelt werden, damit das Gebäude nicht verloren geht..


Im Ninomaru: Kyuu Saigo yashiki nagayamon

Im Ninomaru kommt man kurz vor dem städtischen Gerichtsgebäude in der Nähe der Brücke Kyo-bashi zu einem langgestreckten, einstöckigen historischen Bauwerk, dem Kyuu Saigo yashiki nagayamon, dem Nagaya-mon der Samurai-Residenz der Familie Saigo (kyuu = alt, yashiki = Samurai-Residenz). Im Ninomaru-Bereich waren die höhergestellten und höherrangigen Samurai-Familien angesiedelt. Der Zustand ist sehr gut und gepflegt. Das Innere kann nicht besichtigt werden. Das Tor ist der längste Torbau von allen der Stadt. Das Gebäude steht auf eionem sorgfältig aus zwei lagen behauener Steine gemauerten Sockel. Die untere Hälfte der Wand ist mit Holz verkleidet, horizontale Bretter sind mit vertikalen Stäben fixiert. Der obere Teil der Wand unter dem Ziegeldach ist verputzt und weiß angestrichen, ebenso wie die Hölzer des Dachunterbaus. Beiderseits des Tordurchganges ist ein hölzerner vergitterter Ausguck angebracht. Es ist ein exquisites historisches Beispiel dieses Tortypes, wie er typisch für Samurai-Residenzen ist.


Außerhalb des Ninomaru: Nagayamon an der Nakabori-tozai-dori nahe der Kyou-bashi

Von der Typologie her ist dieses einsam am Rande eines riesigen Parkplatzes im Westen der Kyou-bashi und in einer Linie mit einem Bau für sanitäre Anlagen stehende Gebäude ein Nagayamon, auch wenn die Nutzung mit touristischer Infrastruktur völlig modern ist. Das Gebäude zeigt dennoch sehr gut die Wesensmerkmale dieses Architekturtyps und empfängt die hier parkenden Besucher mit dem Flair einer historischen Burgstadt-Architektur.


Hikone-jo, Hikone (Präf. Shiga), Teil (1): Beschreibung und Geschichte - Hikone-jo, Teil (2): Wälle und Gebäude des Ni-no-maru - Hikone-jo, Teil (3): östliche und zentrale Verteidigungsanlagen, vom Omotemon zum Honmaru - Hikone-jo, Teil (4): Honmaru und Tenshukaku - Hikone-jo, Teil (5): nordwestliche Verteidigungsanlagen vom Nishinomaru zum Deguruwa und am Graben entlang bis zur Omotebashi, östliche Verteidigungsanlagen vom Honmaru zum Kuromon und bis zur Nordspitze - Hikone-jo, Teil (7): Garten Genkyu-en und Hakketei - Hikone-jo, Teil (8): Palast Rakuraku-en

Andere Artikel über Japan lesen
Andere Länder-Essays lesen
Home

© Copyright bzw. Urheberrecht an Text und Graphik: Bernhard Peter 2023
Impressum